Neue Regel
Skepsis beim Thema Zehn-Minuten-Strafe

Fußballvereine der Region befürchten noch mehr Diskussionen auf dem Spielfeld – Klare Zustimmung ist selten

27.07.2022 | Stand 22.09.2023, 20:38 Uhr

Der Schiedsrichter hat die Wahl: Verwarnt er einen Spieler mit einer Karte oder wendet er die neu geschaffene Zehn-Minuten-Strafe an. Foto: Stolle/Archiv

Von Christoph Enzmann

Pfaffenhofen – Ab der kommenden Saison bekommen Schiedsrichter im Amateurfußball ein weiteres Instrument an die Hand, um für mehr Disziplin auf den Plätzen zu sorgen: Die Zehn-Minuten-Strafe feiert ihr Comeback. Für eine kurze Erprobungsphase konnte sie von den Unparteiischen bereits in den Testspielen angewandt werden. Nach dem bereits Verbands-Schiedsrichter-Chef Sven Laumer von dem neuen Instrument geschwärmt hatte, begrüßt auch Ludwig Schmidt, Spielleiter des Fußballkreises Donau/Isar, die Neuerung. Der Köschinger weiß genau um ihre Vorzüge, schließlich hat er sie als Unparteiischer von 1979 bis 1994 hautnah miterlebt und auf dem Platz auch regelmäßig ausgesprochen. „Damals gab es allerdings die Gelb-Rote Karte noch nicht“, sagt Schmidt. Diese wurde anschließend eingeführt, die Zeitstrafe dafür gestrichen. Ab jetzt stehen dem Referee also beide Mittel zur Wahl. „Bevor ich als Schiedsrichter einen Platzverweis ausspreche, sehe ich die Zeitstrafe als gutes Mittel, um dem Spieler für entsprechend hartes oder unsportliches Vergehen klar zu machen, dass es so nicht geht. Er kann sich dann draußen ‘abkühlen‘ und über seine Disziplinlosigkeit nachdenken und bekommt eine letzte Chance“, sagt Schmidt.

Dem Kreisspielleiter ist allerdings auch bewusst, dass die Zeitstrafe zu Diskussionen führen wird. „Spieler oder Trainer werden fragen, warum der Unparteiische in einer bestimmten Situation eine Zeitstrafe ausspricht und kein ‘Gelb-Rot‘ gibt. Wie das neue Mittel tatsächlich ankommt wird sich wohl erst nach einigen Wochen zeigen. „In den Testspielen wurde die Zeitstrafe meines Wissens nach kaum angewendet“, sagt Schmidt. Wir haben uns bei einigen Vereinen trotzdem schon einmal umgehört, wie sie zur Zeitstrafe stehen.

Alexander Schäffler, Trainer des Landesligisten TSV Jetzendorf: „Ich stehe dieser Zeitstrafe eher skeptisch gegenüber, weil ich glaube, dass sie zu vielen Diskussionen führen wird“, sagt der Jetzendorfer Coach und beschreibt eine Szene aus dem ersten Landesliga-Heimspiel seines TSV Ende Juli. Der Oberweikertshofener Fabian Friedl hatte kurz vor Schluss die Zehn-Minuten-Strafe erhalten, weil er mit dem Ball davonspaziert war und damit die schnelle Ausführung eines Jetzendorfer Freistoßes verhindert hatte. „Ich glaube, dass der Spieler zuvor noch keine Gelbe Karte hatte, dann ging die Diskussion los, warum das jetzt eine Zeitstrafe ist“, schildert Schäffler. „Ich hoffe, dass die Schiedsrichter sehr gut geschult werden und dann auch gut begründen können, warum sie dieses Mittel wählen.“ Generell sei er nicht so ein Fan davon, zu viele Neuerungen ins Spiel zu bringen.

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Stefan Klos, Trainer des Bezirksligisten TSV Rohrbach: Klos findet die Zehn-Minuten-Strafe „eine super Sache“ und ist sehr gespannt, wie diese in der Praxis umgesetzt wird. „Ich bin selber seit fast 25 Jahren Schiedsrichter, wenn auch aktuell passiv. Die neue Strafe gibt den Unparteiischen deutlich mehr Ermessensspielraum, was grundsätzlich gut ist,“ erklärt er. Außerdem funktioniere in der Jugend die Zeitstrafe schon seit Jahren sehr gut.

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Stefan Hoffmann, Spielertrainer beim Kreisklassisten SV Zuchering: Hoffmann ist nach der Einführung der Zeitstrafe weniger euphorisch. Er findet es zwar einerseits gut, dass dadurch die Gelb-Rote Karte erstmal vermieden werden kann. Andererseits bezeichnet er es auch als „verrückt“, eine Regel nach 30 Jahren wieder einzuführen. „Ich persönlich hätte nicht dafür gestimmt, die aktuellen Regeln haben sich in den letzten Jahren bewährt,“ sagt Hoffmann, der auch fürchtet, dass die Schiedsrichter nun noch mehr im Mittelpunkt stehen.

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Baris Basaran, Sportlicher Leiter des Kreisklassisten FC Schweitenkirchen: In dasselbe Horn wie Hoffmann bläst auch Baris Basaran. „Viele Spieler und Verantwortliche haben sowieso schon wenig Respekt vor unseren Schiedsrichtern, denen man mit der Regeländerung aus meiner Sicht keinen Gefallen tut. Es wird noch mehr Ärger und Diskussionen geben.“ Basaran fürchtet vor allem, dass es keine klare Linie geben werde, kritisiert aber auch die Kurzfristigkeit der Einführung. Die Vereine hätten erst am 13. Juli per Webinar genauere Informationen bekommen. Aus seiner Sicht hätte man schon bei den Spielgruppentagungen Details dazu weitergeben können. „Im Grundsatz ist die Zeitstrafe aber eine gute Idee, weil der Schiedsrichter mehr Möglichkeiten hat,“ findet er auch noch lobende Worte zur Regeländerung.

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Fabian Reichenberger, Spielertrainer des Bezirksligisten SV Manching: „Ich finde die Wieder-Einführung der Zehn-Minuten-Zeitstrafe total unnötig, weil dadurch eine neue Baustelle aufgemacht wird, die Schiedsrichter noch mehr im Mittelpunkt stehen lässt. Folglich wird es noch mehr Diskussionen geben. Besser wäre es aus meiner Sicht gewesen, wenn zum Beispiel auch die Gelb-Rote Karte eine Sperre für das nächste Spiel nach sich zieht. Außerdem sollte der Fußball einheitlich sein: von der C-Klasse bis zur Champions-League oder Weltmeisterschaft. Mir fehlt da einfach die Struktur, wenn selbst in Amateurligen verschiedene Regeln angewendet werden. Hier muss man nämlich bedenken, dass die Mannschaften, die heuer von der Landesliga in die Bayernliga aufsteigen – oder aber auch umgekehrt – dann plötzlich mit einer anderen Regelauslegung ihre Spiele bestreiten müssen.“

dno