Von Gerhard Kohlhuber
Geisenfeld – Laufend an- und abfahrende Busse und überall Autos von Eltern, die ihre Sprösslinge am liebsten bis ins Klassenzimmer chauffieren würden. – Was sich an Schultagen frühmorgens am Geisenfelder Schulzentrum abspielt, bezeichnet CSU-Stadtrat Andreas Aichele als „mittleres Chaos“. Ein von seiner Fraktion vorgelegtes Konzept zur Verbesserung der Situation fiel in jüngsten Stadtratssitzung jedoch durch. Schlimm? Nein, meint zumindest der Leiter der Grund- und Mittelschule, Dietmar Weichinger (siehe unten). In Geisenfeld sei die Lage auch so „relativ gut im Griff“.
„Kiss and go“ – was sich nach einem Begriff aus der Speed-Dating-Szene anhört, steht für ein Konzept, wie es die CSU-Fraktion im Geisenfelder Stadtrat eingebracht hatte. Kernpunkt: Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bringen oder holen, sollen diese nicht mehr direkt an der Schule ein- und aussteigen lassen, sondern „an ausgewählten Sammelpunkten im Umgriff der Schulen“, so dass die restliche Strecke durch die Schüler zu Fuß zurückgelegt wird.
Damit, so die Geisenfelder CSU in ihrem Antrag, könne man nicht nur die Verkehrssituation vor Ort entspannen. Weitere Vorteile wären „eine erhöhte Selbstständigkeit sowie mehr Bewegung und Begegnungsmöglichkeiten der Kinder“, wodurch wiederum deren physische und psychische Gesundheit positiv beeinflusst werde.
Welche Sammelpunkte man sich bei der CSU vorstellt, dies erläuterte in der jüngten Stadtratssitzung Andreas Aichele: „für die Kinder aus dem Geisenfelder Süden den Volksfestplatz und für jene aus dem Norden den Parkplatz des Bürgerrings“. Wobei dann die Fußrouten von dort zu Schule besonders sicher gestaltet werden sollten – etwa durch verbesserte Kreuzungsbereiche oder, in der Wasserturmstraße, mit einem verbreiterten, baulich zur Straße hin abgesetzten Gehweg. In manch anderer Kommune komme ein solches Konzept bereits zur Anwendung, betonte Aichele.
Trotzdem votierten am Ende nur die vier anwesenden CSU-Räte für das Konzept, Sprecher der anderen Fraktionen erteilten ihm eine – mehr oder weniger höflich formulierte – Abfuhr. Eine Verbesserung der Situation wäre „sicherlich wünschenswert“, erklärt etwa Reinhard Bachmaier. Allerdings sei der CSU-Antrag „nicht zielführend“, meinte der USB-Sprecher und verdeutlichte dies am Beispiel des vorgeschlagenen Sammelpunktes Bürgering-Parkplatz. „An der Ampel kreuzen dann laufend Kinder die vielbefahrene Straße, und ihre Eltern wollen gleichzeitig mit dem Auto raus – damit wäre das morgendliche Verkehrschaos hier vorprogrammiert.“
Ins selbe Horn stieß Josef Finkenzeller (FW): „Da ist zwar was Sinnvolles dran“, aber alle Kinder müssten dann zwangsläufig entweder die Augsburger oder die Parleitener Straße queren, was die Situation hier noch verschärfen würde. „Gut gemeint, aber an den Realitäten vorbei“ lautete der Kommentar von Günter Haslbeck (BLG) zu dem CSU-Konzept. Die Kinder müssten bei dessen Umsetzung 200 bis 300 Meter bis zur Schule laufen – was nicht angenommen werde – „spätestens dann nicht, wenn es regnet oder schneit“.
Zudem, so hieß es in den verschiedenen Stellungnahmen, werde das Schulzentrum ja in den nächsten vier Jahren durch die Realschulneubau zur Großbaustelle – mit Sperrungen und immer wieder veränderten An- und Abfahrtsrouten der Schulbusse. Da sei es kaum möglich, im Umfeld des Schulzentrums besonders gesicherte, dauerhafte Fußweg-Trassen anzubieten. Man solle aber während der anstehenden Bauphase die Chance nutzen, die sich ändernden Busrouten genau zu beobachten, um zu erkennen, „wie wir hier in Zukunft dauerhaft etwas optimieren können“, so Erich Erl (FW). Und auch um die Eltern für dieses Thema zu sensibilisieren.
Diesen Gedanke griff dann auch Andrea Dietenhofer (CSU), beruflich selbst Schulleiterin, auf: „Wir wissen aus Gesprächen, dass manche Eltern ihre Kinder gerade wegen der vorhandenen Gefahrenstellen nicht zu Fuß zur Schule laufen lassen.“ Vielleicht biete der Realschulneubau – samt der anstehenden Umstellungen beim Öffentlichen Personennahverkehr – ja eine Chance, Lösungen zu finden. Und dann, so Andreas Aichele, hätte der CSU-Antrag trotz seiner breiten Ablehnung ja doch seinen Hauptzweck erfüllt: einen Anstoß zu geben, sich im Rathaus und in den Schulen dieses Themas anzunehmen.
SCHULLEITER SEHEN ES ENTSPANNT
Wie problematisch ist die Verkehrssituation im Umfeld des Geisenfelder Schulzentrum wegen der Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bringen? Bei den Schulleitungen ist die Wahrnehmung offenbar eine andere als bei den politischen Gruppierungen.
Zweifelsohne, so der Leiter der Geisenfelder Grund- und Mittelschule, Dietmar Weichinger, sei die Zahl der Kinder, die von ihren Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht werden, in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen. „Das hat mit der größeren Zahl und Verfügbarkeit von Autos genauso zu tun wie mit der immer ausgeprägteren Bewegungsunlust“. Allerdings sei dies kein spezielles Geisenfelder Phänomen, „sondern in den allermeisten Schule so“.
In Geisenfeld habe man dabei den Vorteil, dass das Schulzentrum nicht an einer Hauptverkehrsachse liege, so dass man es nicht mit einer allzu prekären Verkehrssituation zu tun habe. Zu verdanken habe man dies freilich zu einem erheblichen Teil auch der ehrenamtlichen Tätigkeit der Schulweghelfer, so der Leiter der Geisenfelder Grund- und Mittelschule. „Ohne diesen verdienstvollen Einsatz stünden wir hier deutlich schlechter da.“ Was den im Stadtrat behandelten „Kiss-and go“-Antrag angeht, so hält Weichinger dessen Umsetzung für „zwar denkbar – in der Praxis allerdings wohl schwieriger als in der Theorie“. Praktikable Verbesserungsvorschläge seien aber natürlich immer willkommen.
Und bei der Geisenfelder Realschule? Dort sieht man sich von dem vorgeschlagenen Konzepte „nicht betroffen“, so die Rektorin Sabine Billinger. Wie sie auf Anfrage wissen ließ, „kommen unsere Schülerinnen und Schüler nahezu ausschließlich mit dem Bus, beziehungsweise selbstständig zu Fuß oder mit dem Rad. Nur ganz vereinzelt werden sie von Eltern gebracht.“
kog
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