Misanthrop aus Mittelfranken
Matthias Egersdörfer mit „Nachrichten aus dem Hinterhaus“ im ausverkauften Gutmann in Eichstätt

26.03.2024 | Stand 26.03.2024, 11:00 Uhr

Bräsigkeit mit Hinterfotzigkeit gepaart: Matthias Egersdörfer. Foto: Buckl

Wenn jemand über „Boddenziahl“ verfügt oder man beim Waschen auf das „Bläbbala“ mit der Waschanleitung schaut, dann steht wohl Matthias Egersdörfer auf der Bühne. Am Sonntag präsentierte er im ausverkauften „Gutmann“-Saal in Eichstätt sein Programm „Nachrichten aus dem Hinterhaus“.

Der Ort firmiert als Wohnzimmer des Protagonisten, er ist hier zuhause und tritt auf im Schmuddel-Outfit mit Sandalen und Schlabberhose, T-Shirt und Hausjacke, seine Mutter hat er in Form einer Handpuppe auch mitgebracht. Die mischt sich munter immer wieder in das Geschehen ein, wobei Egersdörfer gar nicht erst die Illusion aufkommen lässt, dass er als Bauchredner talentiert ist. Als Leitmotiv des Programms dient die Suche nach einem Strumpf, der am Schluss an überraschender Stelle wieder auftaucht. Es geht darum, dass ein „Manifest des geglückten Sonntags“ verfasst wird, das am Schluss des mit drei Stunden Dauer zu lang geratenen Programms tatsächlich in voller Länge von 20 Abschnitten verlesen wird.

Die 86-Jährige aus Ostpreußen und die hilflose Mutter



Egersdörfers Bühnen-Ich stellt die Mitbewohner vor, wozu ein „rumpelnder“ Spitzbart aus dem ersten Stock und „der Gnadenlose aus dem dritten Stock“ gehören, auch Frau Schlitzbier, die 86-Jährige aus Ostpreußen, die schon kurz nach der Geburt zu husten anfing, aber über eine gewählte Ausdrucksweise verfügt. Und es gibt die Bahulken-Familie mit der nicht genau ermittelbaren Anzahl plärrender Kinder („Sind es drei, vier, sieben oder elf?“) und der hilflosen Mutter – der Bahulken-Vater „donnert einen Balg nach dem anderen in sie hinein“, wie der Kabarettist den Vorgang des Schwängerns umschreibt.

Die ersten Reihen meiden



Es ist lange her, seit sich der „Eges“ zuletzt hier zeigte: 2009 bot er sein Programm „Falten und Kleben“, 2013 gastierte er mit „Ich meins doch nur gut“ hier, seitdem nicht mehr. In dieser langen Pause ist vielleicht in Vergessenheit geraten, dass man bei seinen Auftritten die ersten Reihen besser meidet, wenn man vor Beschimpfungen gefeit sein will.

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Denn gnadenlos wird man mit einbezogen, und wehe, wenn man bei den „Lernzielkontrollen“ versagt: „Wenn es mit der Bildung nicht so weit her ist, tät ich mich nicht so weit vorn hinsetzen“, rät er einem Gast. Schlecht, wenn man an der falschen Stelle lacht: „Was lachen’s denn da so bläid?“, frägt er und bekennt, „am liebsten mit der Zaunlatte von der Bühne runterspringen“ zu wollen. Eine blonde Frau in erster Reihe bekommt zu hören: „Was schau’n Sie mich so an? Sie bringen mich voll aus dem Konzept.“ Wenn diese dann später zum Oralverkehr in die Garderobe eingeladen wird, gerät der Gag zur Geschmacklosigkeit.

Drastische Sprache am Rande der Zitierfähigkeit



Der 1969 in Lauf geborene Kabarettist, als Schauspieler auch bekannt als Spurensicherer im Franken-Tatort oder gewalttätiger Ehemann in Eberhofer-Krimis („Schweinskopf al dente“ und „Kaiserschmarrndrama“), spricht eine drastische Sprache am Rande der Zitierfähigkeit, gern auch weit dahinter. Hier schwadroniert er über das „Outsourcen des Scheißens“ und fragt, ob das Publikum auch „Arschlöcher“ kennt. In seiner Rolle paart sich Bräsigkeit mit Hinterfotzigkeit, die miese Laune ist seine Masche und sein Markenzeichen, auch wenn er sich bemüht, „a bissl freundlicher zu die Leit zu werden – aber i kriegs ned hin!“

Alles verziehen



Immerhin bergen die „Nachrichten aus dem Hinterhaus“ auch manches an Komik, wenn es um die Amselfamilie geht, in der der kleine Kai-Rüdiger Sven aus dem Ei schlüpft, oder um die Fahrt in den Italienurlaub der Familie, wenn der Sohn Vokabelabfragen der Mutter ertragen muss („Wir haben dekliniert und konjugiert, bis der Vater urinieren musste“).

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Witzig auch die Reflexionen über distinguierte Moderatoren des Klassikradios, die ihre Fingernägel feilen, oder die Ausführungen über „südosteuropäische Leidenschaft, die das schwedische Glump maximal einmal aushält“.

Fazit: Wer ein Programm von Matthias Egersdörfer besucht, sollte wissen, was er tut. Das Eichstätter Publikum verzieh ihm alle Invektiven: Am Schluss gab es langen Applaus.