Der Fußball hat Zwangspause
Völkerverständigung per Losglück

Das bleibt im Gedächtnis (3): Barbara Karmann gewinnt eine Karte für die Heim-WM 2006 und findet sich im Stadion unter feiernden Ivorern wieder

17.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:31 Uhr
  −Foto: Kneffel, dpa/DK-Archiv

Der Fußball hat Zwangspause - Zeit, sich an denkwürdige Profipartien zu erinnern.

 

Für unsere Zeitung kramen Schiedsrichter der Gruppe Neuburg im Gedächtnis.

Neuburg - Beim Besuch im Fußballstadion erwartet man in der Regel Gewohntes - wenn es die Umstände zulassen, kann man aber auch neue und mit etwas Glück sogar einzigartige Erfahrungen sammeln, die in Erinnerung bleiben. So zumindest ist es Schiedsrichterin Barbara Karmann (kleines Bild) ergangen. Die 33-Jährige hatte nämlich Glück, denn sie gewann vor nunmehr fast 14 Jahren eine Eintrittskarte für das Spiel Elfenbeinküste gegen Serbien und Montenegro. Eine Partie bei der Heim-Weltmeisterschaft, dann auch noch eine kostenlose Eintrittskarte für die Arena in München, Fußballerherz, was willst du mehr? "Also, ich hab' am Anfang schon ein bisschen gezweifelt, ob ich da überhaupt hinfahren soll", sagt Barbara Karmann heute und muss lachen. Sie sei damals schließlich erst 19 Jahre alt gewesen und habe nur ein Ticket gehabt, ergo, musste allein dort hin. "Mein Pap' hat mich dann überzeugt. Er hat gesagt, wenn man schon mal so viel Glück hat, dann muss man das auch ausnutzen. " Karmann hatte die Eintrittskarte in einem Schnellrestaurant bei einer Werbeaktion für die Weltmeisterschaft gewonnen.

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Also fuhr sie doch nach München. Am 21. Juni 2006 trat dort das Team der Elfenbeinküste gegen die Auswahl aus Serbien und Montenegro an. Da Argentinien und die Niederlade bereits vor Anpfiff als Erster respektive Zweiter der Vorrundengruppe C feststanden, hatte keines der Teams an diesem regnerischen Abend mehr Chancen auf den Einzug in die K. o. -Runde, es ging um nichts mehr. "Das hat den Fans aber nichts ausgemacht, die haben eine riesige Party gefeiert", erinnert sich Karmann. Als sie ihren Sitzplatz aufsuchte, machte die Schiedsrichterin des FC Ehekirchen eine ganz neue Erfahrung: Sie befand sich mitten in einem Fanblock der Elfenbeinküste, um sie herum fast ausnahmslos Ivorer. "Zwei Sitze weiter waren noch zwei Deutsche, aber eigentlich war alles fest in der Hand der Elfenbeinküste", sagt sie. Selbst habe sie - natürlich - ein Deutschlandtrikot getragen. "Ich hab' am Anfang schon ein paar komische Blicke abgekriegt", erinnert Karmann sich. Wahrscheinlich war es für die Afrikaner aber ebenso Neuland, eine weiße Frau unter sich zu haben, wie andersherum.

 

In der Partie ging die Mannschaft aus Serbien und Montenegro durch Nikola Zigic (10.) und Sasa Ilic (20.) zunächst mit 2:0 in Führung - es waren die ersten beiden Treffer für das Team in diesem Turnier. Per verwandeltem Handelfmeter durch Aruna Dindane verkürzten die Ivorer allerdings noch vor dem Pausenpfiff auf 1:2. Der selbe Kicker, der im Nachgang zum besten Spieler der Partie gewählt wurde, zeichnete auch für den Ausgleichstreffer (67.) in der zweiten Halbzeit verantwortlich.

Verständlich, dass die Ivorer in Barbara Karmanns Block das feierten. Und zwar sehr ausgelassen, wie sich die heutige Landesliga-Schiedsrichterin der Gruppe Neuburg erinnert. "Das war ganz anders als bei uns. Die haben Stimmung gemacht ohne Ende und waren einfach richtig gut drauf. " Und je länger die Partie dauerte, umso mehr brach auf den Zuschauerrängen das Eis. "Nach 90 Minuten bin ich mit den Ivorern Arm in Arm herumgehüpft. Wir haben nicht viel geredet, hatten aber eine Menge Spaß. "

Perfekt wurde der Abend dann für die Afrikaner, als sie einen weiteren Handelfmeter zugesprochen bekamen. Der kurz zuvor eingewechselte Bonaventure Kalou, damals in Diensten von Paris Saint-Germain, trat zum Standard an und der Joker stach schließlich - 3:2 für die Elfenbeinküste in der 86. Minute. Bei diesem Ergebnis sollte es bleiben.

Während die Afrikaner ausreichend Grund zum feiern hatten, ging die Partie auf der anderen Seite mit einem faden Beigeschmack in die Historie ein: Die Niederlage war nämlich das letzte Länderspiel der Nationalmannschaft des zerfallenen Staatenbündnisses aus Serbien und Montenegro. Für Schiedsrichterin Barbara Karmann endete der Abend übrigens, ganz im Sinne der Völkerverständigung, mit einem gemeinsamen Bier mit einigen Ivorern aus ihrem Sitzblock.

bas