Serie: Eishockey in Europa
ERC-Meistertrainer Sundblad über Corona und die schwedische Liga

Serie Eishockey in Europa, Folge 2

12.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:43 Uhr
Am 29. April 2014 stemmte Niklas Sundblad in Köln den Meisterpokal der DEL. −Foto: Bösl

Die Corona-Krise hat das deutsche Eishockey lahmgelegt - doch andernorts wird wieder gespielt: In der nächsten Folge unserer Serie über die Lage im europäischen Eishockey berichtet Niklas Sundblad, Meistertrainer des ERC Ingolstadt, aus der schwedischen SHL.

Auf den ersten Blick ist im schwedischen Eishockey alles in Butter: Die Svenska Hockeyligan (SHL) startete Mitte September in die neue Spielzeit, zunächst sind 52 Hauptrunden-Partien angesetzt. Und ab sofort dürfen die Fans sogar zwei der vielversprechendsten Talente des Kufensports in der SHL bestaunen: Die Detroit Red Wings lassen in der NHL-Pause den 20-jährigen Kanadier Joe Veleno (bei den Malmö Redhawks) und den 19-jährigen Ex-Mannheimer Moritz Seider (bei Rögle BK) Spielpraxis sammeln. Zuvor hatte Rögle bereits Stürmer Ben Smith von den Adlern ausgeliehen, weil die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) frühestens im Dezember starten will.

Doch der Schein trügt: Auch die wohl beste Liga Europas hat schwer mit den Folgen der Corona-Krise zu kämpfen. "Die Qualität der Spiele ist sehr gut, aber aktuell dürfen die Klubs maximal 50 Zuschauer in ihre Hallen lassen", berichtet Niklas Sundblad, der mit dem ERC Ingolstadt 2014 Deutscher Meister wurde. "Ein paar Vereine haben genug Geld und könnten die ganze Saison ohne Fans spielen. Einige jedoch kriegen spätestens im Januar oder Februar ein Liquiditätsproblem", ergänzt der 47-Jährige.

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Ähnlich sieht es der ehemalige Panther-Stürmer Fredrik Warg: "Auf lange Sicht ist es extrem hart für die Vereine, mit dieser Zahl zu überleben", sagt der 41-Jährige , der in der Meistersaison 22 Spiele im ERC-Trikot absolvierte. Um mehr als 50 Tickets zu verkaufen, behelfen sich einige Klubs nun mit einem "Trick": "Sie lassen Leute in ihre Restaurants und Logen in den Hallen, das ist erlaubt", sagt Sundblad. Bei Leksands IF erklärten Vorstand und Profis jüngst einen Gehaltsverzicht, um die Kosten zu senken.

Vorläufig wird sich am Status quo nichts ändern: Vergangene Woche beschloss die schwedische Regierung, die für den 15. Oktober in Aussicht gestellte Erhöhung der Kapazitäten auf 500 Zuschauer zu verschieben. "Lockerungen sind zu diesem Zeitpunkt nicht angebracht", sagte Sozialministerin Lena Hallengren angesichts steigender Corona-Infektionszahlen. Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität haben sich bislang fast 100000 der zehn Millionen Schweden mit dem Virus infiziert, 5900 sind gestorben.

Verband und Liga reagierten enttäuscht auf die Entscheidung der Politik: "Bei 50 Personen zu bleiben bedeutet erhebliche finanzielle Herausforderungen", ließ Anders Larsson auf der Liga-Website verlauten. Wie der Vorsitzende des schwedischen Eishockey-Verbandes fordert auch SHL-Geschäftsführer Michael Marchal "zusätzliche finanzielle Unterstützung", das sei "ein Muss für den Sport, das schwedische Eishockey und die SHL". Anfang September hatte die Regierung ein Hilfspaket über eine Milliarde Kronen (knapp 100 Millionen Euro) für den Sport geschnürt.

Im Vergleich zum deutschen Eishockey steht das schwedische trotz aller Finanzsorgen allerdings auf wesentlich gesünderen Füßen. Laut einer Untersuchung des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young erwirtschaftete die Hälfte der 14 Erstligisten in der Saison 2018/19 einen Überschuss, zusammengerechnet wiesen die Klubs ein Eigenkapital von umgerechnet etwa 37 Millionen Euro aus. Krösus war Färjestad BK mit rund elf Millionen Euro. "Die Klubs sind nicht ganz so abhängig von Zuschauereinnahmen wie in Deutschland, weil jeder Verein ungefähr 4,5 Millionen Euro Fernsehgeld bekommt", sagt Sundblad. "Dafür sind allerdings auch die Gehälter höher. " Größtes Faustpfand ist jedoch das schier unerschöpfliche Reservoir an Talenten: Beim jüngsten NHL-Draft wurden 32 Schweden gezogen - so viele wie noch nie. "Die Ausbildungsvereine erhalten eine Entschädigung von den NHL-Klubs. Also lohnt sich die Jugendarbeit", sagt Sundblad. 

Zur Person

In der Saison 2013/14 führte Trainer Niklas Sundblad den ERC Ingolstadt sensationell zur deutschen Meisterschaft. Als Spieler wurde der 47 Jahre alte Schwede 2002 Meister mit den Kölner Haien und 1997 Vizeweltmeister mit dem Nationalteam, den "Tre Kronor". Aktuell trainiert Sundblad die Schwenninger Wild Wings. 

Weitere Episoden

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Alexander Petri