Corona-Chaos im europäischen Eishockey: In den Ligen Tschechiens und Österreichs ist der Spielbetrieb pandemie-bedingt komplett zum Erliegen gekommen, in der Schweizer National League fanden am vergangenen Wochenende gerade noch drei Partien statt. Weiter steigende Infektionszahlen lassen kaum auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität hoffen – realistischer scheinen angesichts fehlender Zuschauereinnahmen Saisonabbrüche und Klubpleiten.
Dramatisch ist die Situation vor allem in der tschechischen Extraliga, wo rund drei Viertel aller Erstliga-Spieler eine Infektion durchgemacht haben sollen. Die vorerst letzten Partien fanden am 11. Oktober statt, ehe die Regierung alle (Profi-)Sportwettkämpfe im Land untersagte. Die anfänglich zugelassenen Fans waren schon vor dem Sport-Lockdown ausgeschlossen worden.
Unlängst wurde das Spielverbot bis zum 20. November verlängert. Zudem gilt ein Trainingsverbot in Innenräumen, weshalb zum Beispiel der HC Karlovy Vary im sächsischen Altenberg trainierte. Die Teams aus Trinec, Pardubice und Vitkovice wichen nach Polen aus – eine weitere finanzielle Belastung für die ohnehin angeschlagenen Klubs. In einem Brief baten Liga-Boss Josef Reznicek und Verbandspräsident Tomas Kral die Politik um die Erlaubnis für eine Fortsetzung des Trainings- und Spielbetriebs.
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So düster steht es um das europäische Eishockey
In der österreichischen Ice Hockey League, der auch jeweils ein Klub aus der Slowakei, Italien und Ungarn angehört, ist der Spielplan ebenfalls durcheinander gewirbelt worden: Alle Spiele des vergangenen Wochenendes wurden nach mehreren Corona-Fällen – etwa beim Klagenfurter AC, den Vienna Capitals und zum zweiten Mal beim HC Bozen – abgesetzt. Die Zahl der zugelassenen Zuschauer war in den vergangenen Wochen bereits reduziert worden.
Ähnlich sieht es in der Schweizer Eliteliga aus, wo sechs Mannschaften in Quarantäne sind und am Wochenende nur drei von zwölf Partien ausgetragen werden konnten. Insgesamt sind bereits mehr als zwei Dutzend Begegnungen verschoben worden. Entsprechend „schief“ ist die Tabelle: Schlusslicht HC Davos (5 Spiele) hat bislang nicht einmal halb so viele Partien bestritten wie der Zweite ZSC Lions (11).
Bis zum 1. Dezember wird vorerst weitergespielt, obwohl die zu Saisonbeginn erlaubte Zuschauerzahl – zwei Drittel der Sitzplätze durften belegt werden – stufenweise auf zuletzt nur noch 50 Fans geschrumpft ist. Anfang Dezember wollen die Schweizer National-League-Klubs eine neue „Lagebeurteilung“ vornehmen. „Diese (...) umfasst einerseits die epidemiologische Situation in der Schweiz, andererseits den Status bezüglich der zugesagten Finanzhilfen seitens des Bundes.
Die National League weist nochmals darauf hin, dass Geisterspiele ohne finanzielle Unterstützung seitens des Bundes über einen längeren Zeitraum unweigerlich zur Zahlungsunfähigkeit der Clubs führen werden“, heißt es auf der Website der Liga. In Finnland treibt die Finanznot kuriose Blüten: Der akut von der Pleite bedrohte Klub Jyp Jyväskylä stellte Trainer Pekka Tirkkonen und dessen Assistenten vorübergehend bis Jahresende frei. Offiziell, weil das Duo Gehaltskürzungen nicht hinnehmen wollte. In Corona-Zeiten übernimmt in diesem Fall die finnische Sozialversicherungsanstalt die Trainergehälter.
Vergleichsweise entspannt stellt sich die Situation dagegen in Schweden dar. Der Spielplan der Svenska Hockeyligan (SHL) ist trotz positiver Tests bei den Teams aus Luleå, Leksand, Djurgården Stockholm und Linköping inklusive 14 anschließender Spielabsagen „noch unter Kontrolle“, wie Liga-Sportchef Johan Hemlin der Boulevardzeitung „Aftonbladet“ mitteilte. Der Zeitaspekt mache Spielverschiebungen jedoch immer schwieriger. Um Infektionen schneller erkennen zu können, will die Liga die Klubs kurzfristig mit 1500 Tests versorgen.
In dieser Woche pausiert der Ligabetrieb allerdings: Während die deutsche Nationalmannschaft in Krefeld den Deutschland-Cup bestreitet, steigt in Helsinki unter strengen Hygienevorkehrungen der Karjala-Cup mit Gastgeber Finnland, Schweden, Tschechien und einer Auswahl russischer Talente. Der Schweizer und der österreichische Verband hingegen sagten ihre Teilnahmen an internationalen Turnieren wegen Sicherheitsbedenken ab. So müssen die Klubs immerhin keine Infektionen ihrer Profis auf Länderspielreisen befürchten. DK
Alexander Petri