Fussball, Regionalliga Bayern
Explosion der Emotionen

FC Pipinsried schlägt Türkgücü München nach einer denkwürdigen Schlussphase mit 2:0

26.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:21 Uhr

Gelbblauer Jubelknäuel: Unmittelbar nach dem Treffer zum 2:0 brachen beim FC Pipinsried alle Dämme. Foto: M. Schalk

Von Roland Kaufmann

Pipinsried – Singende Fans im Sportheim, singende Spieler in der eigenen Kabine – und davor Defensivakteur Alexander Langen, der augenzwinkernd die Frage in die Runde warf, ob er denn mit seinem Handy schnell mal ein Screenshot von der aktuellen Tabelle der Regionalliga Bayern machen solle: Ja, beim FC Pipinsried herrschte am Freitagabend, kurz nach 20 Uhr absoluter Ausnahmezustand. Mit 2:0 (0:0) hatten die Gelbblauen zuvor den Drittliga-Absteiger Türkgücü München in die Knie gezwungen, im Zwischenklassement ging es dadurch auf den sensationellen vierten Rang nach oben.

Der Dorfklub aus dem Dachauer Hinterland vor solchen Größen wie dem 1. FC Schweinfurt 05, dem FC Bayern München II oder dem SV Wacker Burghausen – wer hätte das nach sieben Spieltagen ernsthaft für möglich gehalten? Gerade nach dem Katastrophenstart des FCP in die neue Saison – mit drei Niederlagen am Stück – wohl niemand. Außer wohl das Team der Pipinsrieder selbst. „Vor allem in Sachen Charakter besitzen wir eine geile Mannschaft“, so FCP-Chefspielertraine Nikola Jelisic mit einer Riesenportion Stolz: „Hier entwickelt sich gerade etwas ganz Tolles – nicht nur im Team intern, sondern auch im Zusammenspiel mit den Fans.“

Falls es hierfür noch eines Beispiels bedurft hätte – am Freitagabend, exakt um 19.43 Uhr, gab es dieses: 87 Spielminuten waren in diesem Moment absolviert, Halit Yilmaz hatte mit einem an ihm selbst verursachten Foulelfmeter gerade das 1:0 für die Gelbblauen erzielt, als in der Hazrolli-Arena regelrecht alle Dämme brachen. Egal, ob Auswechselspieler des FCP oder seine Akteure auf dem Platz – alle stürmten nun in Richtung Eckfahne, wo Yilmaz bereits mit den Zuschauern feierte. Und auch das restliche Publikum in Stadion wirkte regelrecht euphorisiert. Es schien in diesem Augenblick fast schon so, als wären die Hausherren soeben Meister geworden. Dabei waren sie „nur“ gegen einen Kontrahenten in Führung gegangen, der in der Tabelle bereits vor dem Spieltag hinter ihnen gelegen war.

Und das Match hatte anschließend sogar noch eine Pointe parat – nämlich einen Treffer aus rund 45 Metern Torentfernung. Claudio Milican erzielte ihn – per Volleyschuss, technisch hochwertig über Türkgücü-Keeper Johann Hipper hinweg (90.+3). „Ich habe zwar nicht gewusst, wo der Torwart genau steht“, verriet der Kunstschütze zum 2:0 hinterher: „Aber mir war klar gewesen, dass er beim Stande von 0:1 aus seiner Sicht in der Nachspielzeit nicht auf der Torlinie stehen kann. Also habe ich’s einfach frech mit dem Heber aus der Ferne probiert – und es hat ja ganz gut geklappt.“

Zugegeben: Die Treffer der Hausherren fielen erst sehr spät. Ihr Sieg an sich war trotzdem alles andere als unverdient. Gerade in der ersten Halbzeit boten die Pipinsrieder eine starke Vorstellung, waren im Vergleich zu ihrer vorherigen 0:1-Pleite in Ansbach kaum wiederzuerkennen. „Mir tut es jetzt noch leid für alle Fans, die uns am Dienstag nach Mittelfranken begleitet hatten“, so Chefspielertrainer Jelisic: „Ich hoffe, dass wir durch unseren Heimsieg gegen Türkgücü München nun wieder etwas Positives an sie zurückgegeben haben.“

Ja, das machten sie vor offiziell 615 Zuschauern in der Hazrolli-Arena. Dabei hatten die Hausherren schon vor dem Pausenpfiff einige Gelegenheiten besessen, um in Führung zu gehen – während die Gäste aus München bis dahin doch arg enttäuschten. Nach dem Seitenwechsel änderte sich das Bild zwar ein bisschen, ab sofort hatten die Türkgücü-Spieler deutlich mehr Ballaktionen – „aber wir zeigten weiterhin keinerlei Durchschlagskraft im vorderen Drittel“, ärgerte sich Cheftrainer Alper Kayabunar.

Der FCP verteidigte somit das torlose Remis ohne Probleme – bis eine Gelb-Rote Karte für Münchens Michael Zant (85.) die verrückte Schlussphase einleitete. Ob der Elfmeter, der dann zum 1:0 führte, wirklich gerechtfertigt war? Der auch ansonsten sehr souveräne Schiedsrichter Tobias Wittmann (Wendelskirchen) war sich seiner Sache jedenfalls sehr sicher, er deutete sofort auf den Punkt. Und Yilmaz behielt anschließend die Nerven. „Das habe ich alles so von Pablo Pigl gelernt“, so der 18-Jährige hinterher in Richtung Co-Spielertrainer. Man unterstützt sich sich eben gegenseitig beim FCP. Und man feiert miteinander – sehr gerne auch noch öfter so ausgiebig wie an diesem außergewöhnlichen Freitagabend.

SZ