„Im Kopf läuft der Countdown schon länger“
Auf zum Col du Tourmalet: Eichstätterin Ricarda Bauernfeind startet bei Tour de France der Frauen

23.07.2023 | Stand 13.09.2023, 6:43 Uhr

Im ersten Profijahr gleich beim größten Radrennen der Welt dabei: An diesem Sonntag rollt Ricarda Bauernfeind mit dem Frauen-Peloton los. Foto: Imago Images

Es geht weiter steil bergauf – und das in doppeltem Sinne: Gleich in ihrem ersten Jahr bei den Elite-Frauen im Radsport feiert die Eichstätter Senkrechtstarterin Ricarda Bauernfeind (23) ihre Premiere bei der Tour de France Femmes (23. bis 30 Juli).

Nicht nur sie selbst, sondern auch auch Familie, Freunde und Bekannte fiebern dem renommiertesten Radrennen der Welt entgegen. Mit ihrem Team Canyon/Sram hat die Gesamtfünfte der Spanien-Rundfahrt, die am Freitag zudem für die Straßen-WM in Glasgow (13. August) nominiert worden ist, Großes vor.

Frau Bauernfeind, nach dem fünften Platz bei der Vuelta in Spanien folgten zwei gesundheitlich bedingte Abbrüche bei der Thüringen-Rundfahrt und der Tour de Suisse. Bei der anschließenden DM verhinderten die anhaltenden Knieprobleme einen Platz auf dem Podest. Wie geht es Ihnen kurz vor dem Tour-Start am Sonntag?
Ricarda Bauernfeind: Zu 99 Prozent geht es mir gut. Nach dem Training muss ich die Muskeln zwar bearbeiten und lockermachen, im Training schränkt es mich aber nicht mehr ein. Ich konnte im Trainingslager in Salzburg viele Kilometer und Höhenmeter abspulen und fühle mich deutlich fitter als noch vor einem Monat.

Sie feiern Ihre Premiere beim bekanntesten Radrennen der Welt. Was geht derzeit in Ihnen vor?
Bauernfeind: Die Tour de France ist das größte und bekannteste Rennen. Auch Leute, die nicht aus dem Radsport kommen, können mit dem Begriff mehr anfangen als mit den anderen berühmten Rennen. In meinem Kopf läuft der Countdown schon länger. Erst letztens habe ich zu meiner Mutter gesagt: „Heute in zwei Wochen stehe ich schon an der Startlinie.“ Ich freue mich einfach riesig auf das Event. Aber klar, ein bisschen Nervosität ist auch mit dabei. Von medialer Seite ist das Interesse schon deutlich größer. Und soweit ich das mitbekommen habe, bekommen wir auch extra Tour-de-France-Trikots.

Wie reagiert Ihr Umfeld zuhause auf Ihre Tour-Teilnahme?
Bauernfeind: Meine Uni-Freundinnen haben schon einen Mädels-Treff ausgemacht für die Zieletappe am Samstagabend. Am Eichstätter Altstadtfest haben wir auch Bekannte getroffen, die voller Vorfreude sind. Generell: Freunde und Familie werden es am Fernseher verfolgen und fragen auch schon immer, wo sie es sehen können (live auf Eurosport, Anm. d. Red.). Meine Eltern sind mit dem Camper vor Ort.

Bei der Spanien-Rundfahrt Anfang Mai schafften Sie mit Platz fünf den internationalen Durchbruch. Was haben Sie sich für die Tour de France vorgenommen?
Bauernfeind: Unsere Teamleaderin für die Tour ist Kasia Niewiadoma. Sie ist letztes Jahr schon Dritte in der Gesamtwertung geworden und hatte ihren Fokus die gesamte Saison über auf der Tour. Ihr Augenmerk lag nicht auf der Vuelta, und so hatte ich dort die Möglichkeit auf Gesamtwertung zu fahren. Jetzt sieht das ganze natürlich ein bisschen anders aus, auch weil die Tour von der Länge her nochmal härter und anstrengender ist. Mir fehlt da noch ein bisschen die Erfahrung. Ich hoffe einfach, dass ich Kasia für den Gesamt- und die anderen Teamkolleginnen für einen Etappensieg so gut es geht unterstützen kann und wir als Team große Erfolge feiern können. Vielleicht habe ich mal einen guten Tag und kann eine gute Platzierung einfahren – ein konkretes Ziel habe ich hier aber nicht.

Die Priorität liegt klar auf der Mannschaft. Wie lautet denn das übergeordnete Teamziel?
Bauernfeind: Unser Teamziel ist, das Ergebnis von Kasia mindestens zu wiederholen und auch wieder den ersten Platz in der Teamwertung einzufahren.

Ihre Stärken kommen vor allem bei langen Anstiegen zum Vorschein. Welchem Tour-Anstieg fiebern Sie am meisten entgegen?
Bauernfeind: Auf jeden Fall dem Col du Tourmalet am vorletzten Tag. Er hat eine relativ konstante Steigung und ist dadurch eigentlich gut zu fahren. Das mag ich lieber, als wenn es unregelmäßig ist. Die Etappe davor fahren wir noch den Col d’Aspin – der ist ähnlich, nur nicht so hoch. Die Tage zuvor flößen mir dagegen Respekt ein. Da fahren wir in einer ländlichen Region auf schmalen Straßen mit vielen Kurven und viel Auf und Ab. Da spielt die Position eine super wichtige Rolle, und manchmal habe ich noch zu viel Respekt, mich im Feld durchzuboxen. Deshalb werden die ersten Tage ein bisschen anstrengender.

Apropos anstrengend: Es ist Ihre erste Saison bei den Elite-Frauen. Dennoch studieren Sie Lehramt parallel weiter.
Bauernfeind: Genau. Ich schreibe aktuell meine Bachelorarbeit, habe sie aber zum Glück noch nicht angemeldet. Während der Tour-Vorbereitung kam es schon einmal vor, dass man ab und zu den Laptop aufgemacht und neue Studien gelesen hat, aber richtig in der Schreibphase bin ich nicht.

Ist eine solche Doppelbelastung üblich?
Bauernfeind: Vor zehn Jahren sah das noch etwas anders aus, weil man damals vom Frauen-Radsport absolut nicht leben konnte. Aber mittlerweile bin ich die Ausnahme.

Auf die Tour de France folgt die Straßen-WM in Glasgow. Was steht heuer sonst noch auf dem Programm?
Bauernfeind: Ich fahre noch eine Rundfahrt in Skandinavien und eine in der Schweiz. Und dann vielleicht die Europameisterschaft, aber die ist erst im September.

DK

Das Gespräch führteBenedikt Schimmer.