Diskussion mit Seehofer
Es muss nicht immer ein Neubau sein

Zweites Nachhaltigkeitsgespräch: Professorin, Ex-Ministerpräsident und Bauunternehmer geben Einblicke

12.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:28 Uhr

Die zweite Runde: Moderator Bernhard Mahler (rechts) begrüßte zum Thema nachhaltiges Bauen Bauunternehmer und Stadtrat Hans Mayr (von links), Dekanin und Professorin Jana Bochert sowie den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten und Bundesinnenminister Horst Seehofer. Foto: S. Hofmann

Von Sebastian Hofmann

Neuburg – Was ist nachhaltiges Bauen? Drei verschiedene Sichtweisen zu dieser und zahlreichen ähnlichen Fragen gaben Jana Bochert, Professorin für nachhaltiges Bauen, Bauunternehmer und Stadtrat Hans Mayr sowie der frühere bayerische Ministerpräsident und Bundesinnenminister Horst Seehofer (beide CSU). Das Trio bestritt unter der Moderation von Bernhard Mahler das zweite Nachhaltigkeitsgespräch auf dem Neuburger Campus der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI). Diese Serie entspringt dem Projekt „Mensch in Bewegung“, einer Kooperation der THI mit der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Dass ausgerechnet Horst Seehofer und Hans Mayr die Gründungsdekanin bei dieser Veranstaltung flankierten, hatte gute Gründe, denn die beiden Männer waren Anschieber für den THI-Ableger in der Ottheinrichstadt. Dies betonte Walter Schober, Präsident der der Hochschule, in einem kurzen Grußwort. Neben Schober befanden sich im diskussionsfreudigen Publikum erneut einige bekannte Gesichtern. So hatten sich Landrat Peter von der Grün (FW), die beiden Neuburger Bürgermeister Johann Habermeyer (FW) und Peter Segeth (CSU) und Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern, im Hörsaal eingefunden.

Mehr in die Höhe bauen

Die Örtlichkeit inspirierte Moderator Mahler zu einer beispielhaften Einleitung: Nachhaltigkeit werde mit dem Campus gelebt, denn dieser entsteht ja auf dem Gelände und teils in den alten Gebäuden des früheren Fünfzehner-Regiments. „Man ist mit dem Campus nicht auf die grüne Wiese gegangen, sondern hat diesen Standort in der Innenstadt reaktiviert.“ Seehofer schlug zu diesem Stichwort einen weiten Bogen zurück in die 80er, als man von einem aussterbenden weil schrumpfenden Deutschland gesprochen habe.

Der frühere Landesvater ging dabei auf die Dynamik in der Bevölkerungsentwicklung ein, die sich meist anders entwickelt habe als zuvor prognostiziert. In den 80er-Jahren habe niemand über nachhaltiges Bauen gesprochen, als Wohnungsbedarf entstand. Aber: „Ohne nachhaltiges Bauen ist der Klimawandel nicht zu schaffen.“ Er habe dazu seine ganz eigene, der Forstwirtschaft entliehene Definition: Man solle so leben, dass die Lebensgrundlage für die nächste Generation nicht beeinträchtigt oder zerstört wird. „Da haben die Grünen – und das muss man neidlos sagen – seit den 80er-Jahren sowas wie den Leitwolf gemacht“, so Seehofer.

Nachhaltiges Bauen bedeute für ihn vor allem, dass mehr in die Höhe gebaut werden muss, damit kein weiterer Grund versiegelt wird. Zudem müsse die bestehende Substanz besser genutzt werden, Seehofer nannte in diesem Zusammenhang 1,5 bis zwei Millionen leerstehende Wohnungen in deutschen Ortskernen. „Das zu reaktiveren, das geht nicht ohne massive staatliche Förderungen.“

Neue Fenster und moderne Heizsysteme

Ähnliche Ansichten vertrat Professorin Bochert, die sich für Sanierungen stark machte. Es müsse nicht immer ein Neubau sein, Modernisierungen bestehender Gebäude durch Austausch der Fenster und modernere Heizungssysteme könnten finanziell ebenso interessant sein. „Man muss auch den Lebenszyklus eines Gebäudes betrachten und beim Bau darauf achten, dass es irgendwann schonend wieder abgebaut werden kann, wenn es seinen Zweck erfüllt hat.“

Die Fachfrau betonte dazu, dass ein Augenmerk auf die Baumaterialien gelegt werden solle und warb für Holz als nachwachsenden Rohstoff. Auch Mieter hätten Möglichkeiten, sich um Nachhaltigkeit zu bemühen. „Als Einzelperson muss ich mich zum Beispiel fragen: Muss ich eine 90-Quadratmeter-Wohnung beziehen?“. Seehofer fügte dazu an, dass Vermieter, die ihre Objekte nicht modernisieren wollen, an den höheren Heizkosten ihrer Mieter beteiligt werden sollten.

Für Mayr steht fest, dass im Baugewerbe nachhaltig agiert werden muss. „Grundsätzlich versucht man immer, die Preise niedrig zu halten“, so der Stadtrat und Unternehmer. Die derzeitige Situation mit explodierenden Material- und Rohstoffpreisen sei allerdings zum Verzweifeln. Den abrupten Stopp der KfW-Förderung durch Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) kritisierte Seehofer in diesem Zusammenhang stark. „Das hatte eine verheerende Wirkung auf die Bauwilligen.“ Er plädierte dafür, dass die Ungereimtheiten des Marktes durch Fördersysteme des Staates ausbalanciert werden müssen.

Denkanstöße lieferte auch Handwerkskammer-Präsident Peteranderl: „Müssen Kellerwände 30 Zentimeter stark sein? Statisch würden 20 Zentimeter reichen und man würde ein Drittel Beton einsparen“, sagte er.

DK