Pfaffenhofen
Kein Thema von gestern

Sudentendeutsche Landsmannschaft trifft sich zum Tag der Heimat

12.09.2022 | Stand 25.10.2023, 10:23 Uhr

Viele Ehrengäste, wenig Besucher – obwohl eigentlich jeder dritte Pfaffenhofener eine Vertriebenen-Biografie aufgrund seiner Vorfahren hat: Kreisobmann Stefan Heinl (rechts) begrüßte die Gäste zum Tag der Heimat im Hofbergsaal. Fotos: Herchenbach

Von Albert Herchenbach

Pfaffenhofen – Eigentlich hätte der Hofbergsaal aus allen Nähten platzen müssen. Zum Tag der Heimat, der seit 1950 alljährlich an die Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert, hatte die Sudentendeutsche Landsmannschaft zu einer Gedenk- und Feierstunde eingeladen. Immerhin hat hochgerechnet jeder dritte Pfaffenhofener eine Vertriebenen-Biografie, weil seine Vorfahren etwa aus Schlesien, Pommern oder der Tschechoslowakei fliehen mussten. In Pfaffenhofen, das 1946 gut 5000 Einwohner zählte, kamen in der Spitze 4000 Flüchtlinge an, im gesamten Landkreis 16500. Jetzt konnte man im Hofbergsaal die Besucher an vier Händen abzählen.

Gemessen daran waren die Ehrengäste mit dem Landtagsabgeordneten Karl Straub (CSU), Landrat Albert Gürtner (FW), Bürgermeister Thomas Herker (SPD), vier Stadträten und dem Festredner, dem ehemaligen EU-Parlamentarier Bernd Posselt (CSU), überproportional vertreten. Sie wurden begrüßt von Stefan Heinl, dem neu gewählten Orts- und Kreisobmann der Landsmannschaft. Stellt sich die Frage: Hat sich das Thema erledigt?

Die Redner waren da ganz anderer Meinung. Herker, der von der „entscheidendsten Zäsur in der Stadtgeschichte“ sprach, als sich die Einwohnerzahl fast verdoppelte, stellte fest, dass aus den anfänglichen Vorbehalten, die es auf beiden Seiten gab, eine lebendige Gemeinschaft entstand, „weil man miteinander leben und arbeiten musste“. Und auch wenn die Vertriebenen in Pfaffenhofen eine neue Heimat gefunden haben, dann sind doch bei den nachfolgenden Generationen, vielleicht auch unbewusst, die Wurzeln ihrer Herkunft lebendig.

Möglicherweise sind die Erfahrungen der Vertreibung auch ein Grund dafür, dass im Landkreis 1400 ukrainische Flüchtlinge in Privatunterkünften eine Bleibe gefunden haben. Niemand, erklärte Landrat Gürtner, musste in einer Turnhalle untergebracht werden. Und deshalb sei er sehr stolz auf die Menschen, gerade jetzt am Tag der Heimat. „Denn Heimat ist eine soziale Gemeinschaft, etwas, wo man zusammenhält.“

Straub, dessen Mutter aus Schlesien stammt, ist für die CSU-Fraktion im Landtag für die Themen Asyl und Integration zuständig. Er weiß: „Niemand gibt gern seine Heimat auf – aus welchen Gründen auch immer er sie verlassen hat.“ Straub wünscht sich einen respektvollen Umgang mit Geflüchteten.

Posselt sieht die die Sudetendeutschen, die mit 2,7 Millionen Menschen die zweitgrößte Gruppe der rund 15 Millionen Vertriebenen ausmacht, als die „Gralshüter des Friedens, der Freiheit und der Menschenrechte. Und deshalb ist das Thema ungebrochen aktuell. Wir haben eine europäische Verpflichtung, den Menschen zu helfen, für die Menschenrechte und das Recht auf Heimat zu kämpfen – und den Zusammenschluss Europas in friedlichen Geist voranzutreiben.“ Und deshalb seien Tage der Heimat kein Thema von gestern, sondern eine Herausforderung von morgen.

PK