Geisenfelder Bockerl als Vorzeigemodell

Eisenbahn-Fan Werner Dauner plant maßstabsgerechten Nachbau – Schorsch Krämer auf letzter Fahrt dabei

14.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:14 Uhr

Modellbauer Werner Dauner, hier in seinem Laden in der Augsburger Straße, will die Bahnstrecke des „Geisenfelder Bockerl" nachbauen und die legendäre V100 dabei im Miniaturformat wieder aufs Gleis setzen. Foto: Zurek

Von Maggie Zurek

Geisenfeld – Bald soll es wieder zwischen den Bahnhöfen Rohrbach-Ilm und Geisenfeld tuckern, das „Bockerl“. Doch die gute Nachricht hat leider einen kleinen Haken: Auf die Schiene gebracht wird das Gefährt nur im Miniaturmaßstab – sobald Eisenbahnfans wie Werner Dauner ihr ehrgeiziges Projekt in die Realität umgesetzt haben.

Vor drei Jahren ist der gebürtige Ebersberger nach Geisenfeld gezogen, wo er in der Augsburger Straße einen Laden für Modellbauer eröffnet hat. Als er hörte, dass vor Jahren am Ort eine Bahnstrecke stillgelegt worden ist, erwachte der Forscherdrang des 69-Jährigen und zwar vor allem, „weil Endbahnhöfe technisch immer ganz besonders interessant sind“. Und so spukten bald zahlreiche Fragen in seinem Kopf herum. Wo könnte ich Informationen herbekommen? Hat vielleicht noch jemand Fotos in der Schublade, die einen visuellen Eindruck der Anlage vermitteln? Gibt es einen Gleisplan und vielleicht sogar Anekdoten rund um die Ortsverbindungsbahn, die es zu bewahren lohnt?

„Ich bin halt von Kindesbeinen an fasziniert von allem, was mit der Eisenbahn zu tun hat“, gesteht der Elektromechanikermeister. Das Thema begleite ihn „mal mehr mal weniger“, seit er mit sieben Jahren seine ersten Miniloks gebaut hat. An seinem einstigen Wohnort gründete Dauner 1993 den Modellbauclub Poing, dem er lange Jahre vorstand und er ist Mitglied in zahlreichen Organisationen, die das Hobby fördern. „Besonders am Herzen liegt es mir, die Faszination an die junge Generation weiter zu geben“, betont Dauner, der bis 2017 vier Jahre lang an der Adalbert Stifter Realschule München-Haidhausen das Wahlfach Modellbau unterrichtet hat. Doch zurück nach Geisenfeld. „Auf der Suche nach Antworten auf meine Fragen und nach Mitstreitern für mein Projekt habe ich meine Fühler in den sozialen Medien ausgestreckt“, erzählt der Modellbauer, der aus Erfahrung weiß: „Allein hätte ich so ein Vorhaben nicht im Kreuz“.

Tatsächlich meldete sich mit Schorsch Krämer schon bald jemand auf seinen Aufruf. Der einstige Lokführer erwies sich als „Glücksgriff“ und sprudelnder Quell an Geschichten (siehe unten) über die bis 1987 auf der Strecke zwischen Wolnzach Bahnhof und Geisenfeld mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern durchs Ilmtal tuckernden Züge.

Und so ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis besagte Strecke der Normalspurweite 1435 Millimeter in Modulen à ein Meter – „also so, dass man das spätere Modell flexibel an das Platzangebot bei Ausstellungen anpassen kann“ – zum Leben erweckt werden wird. Alles maßstabsgerecht im Verhältnis 1:120 nach der Norm Europäischer Modellbauer NEM, damit die Einzelteile am Ende perfekt zusammenpassen.

„Am schönsten wäre es, wenn sich ein ganzes Team finden würde, das sich regelmäßig trifft, um Abschnitt für Abschnitt zu gestalten“, träumt der Bastler von zukünftigen Aktionen. Wobei er „für Vorschläge potenzieller Mitstreiter offen ist“. Seine Vision: Eines Tages mit dem Gemeinschaftswerk an bundesweiten Ausstellungen teilnehmen und so ein Stück Eisenbahn-Geschichte auch anderen Fans bildlich vor Augen führen zu können. Was ja als „Nebeneffekt“ zugleich eine schöne Außenwerbung für seine neue Wahlheimat im tertiären Hügelland der Hallertau wäre.

Schorsch Krämer: Vorneweg neben dem LokführerGeisenfeld – Vier Smileys mit Herzchen hat Schorsch Krämer seiner Antwort auf den Beitrag Werner Dauners in Facebook hinzugefügt. Weil das Thema „Geisenfelder Bockerl“ bei ihm jede Menge Emotionen auslöst. Schließlich durfte er 1987 die letzte Fahrt begleiten – und das nicht im Abteil sondern „vorneweg“ in der Lokomotive, direkt neben dem Lokführer.

Doch wie kam der heute 70-Jährige zu der Ehre? Mit seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr nach zwölf Jahren Dienst stand ihm das Recht zu, eine Berufsausbildung mit Beamtenstatus in spe anzufangen. „Und ich hab mir halt den Lokführer ausgesucht und zwei Jahre lang bei der Deutschen Bundesbahn meine Ausbildung absolviert.“ Bis 1991 war Krämer in ganz Bayern auf der Schiene unterwegs.

Offenbar kannte man bei der Bahn den passionierten Mitarbeiter aus Geisenfeld und lud ihn ein, den letzten Tag des Bockerl vor dessen Stilllegung am 31. Dezember 1987, zu begleiten – im Beisein eines Lehr-Lokführers. „Das war schon eine besondere Ehre für mich“, erinnert sich Krämer an die Fahrt auf der 9,34 Kilometer langen Strecke. Vorbei an den ungesicherten Bahnübergängen in Burgstall, Königsfeld und Niederlauterbach, an denen der jeweils zuständige Zugführer mit Fahne gewappnet aussteigen und den Verkehr auf der Straße sichern musste, bis der Zug im Schritttempo vorbeigezogen war und diesen wieder „aufgabelte“. Lediglich die Haltestelle im Bereich der Firma Wolf war damals mit einer kontaktgesteuerten Blinklichtanlage gesichert.

Dass die Nebenstrecke mit der Nummer 5384 zunächst ab 1953 für den Personen- und dann ab 1987 auch für den Güterverkehr stillgelegt und sogar die Gleise entfernt wurden, ist für Krämer „nicht nachvollziehbar“ und aus heutiger Sicht ein „besonders trauriges Kapitel“. Sicher seien die Schwellen marode und eine kostspielige Sanierung nötig geworden, deren Wirtschaftlichkeit strittig war. „Aber es wäre eine Investition in die Zukunft gewesen“, ist der Rentner überzeugt, der dabei an die potenzielle Reduzierung des Lkw-Verkehrs aber auch eine bessere Anbindung des ÖPNV an das Bahnnetz denkt.

Aber weil es halt nun „so ist, wie es ist“, möchte der einstige „Eisenbahner“ einen Beitrag zum Erhalt der Geschichte(n) leisten. „Ich sammle ja seit Jahren Informationen“, betont er unter Verweis etwa auf die kompletten Gleispläne, die er sich über das DB-Archiv in München gesichert hat, weil er mal mit dem Gedanken spielte, im Heimatmuseum ein Diorama – eine Art Schaukasten – der Strecke zu bauen. Die lagen seit dem Auszug des Vereins aus dem Historischen Rathaus auf Eis. Nun sind sie allerdings „wiedererwacht“ – wenn auch in anderer Gestalt. Und so freut sich der Tüftler stattdessen auf die Zusammenarbeit mit Dauner und ist „gespannt, was dabei am Ende rauskommen wird“.

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