„Teufel, Mädchen, Blues und ich“

Stephan Zinner rockt mit neuem Programm das ausverkaufte Theater in Neuburg

04.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:58 Uhr

Stephan Zinner (rechts) kam mit Verstärkung – Peter „Pete Lightning“ Pichler mit Lonesome-Cowboy-Pokerface unterstützte mit einer ganzen Palette an Instrumenten. Foto: Budke

Von Heidrun Budke

Neuburg – Wer denkt, bei dem Stichwort „Blues“ wird es traurig in Stephan Zinners neuem Programm, der liegt ziemlich komplett daneben – wie könnte es auch, wenn der Kabarettist seine Heimatstadt sogar in „Trosttown“ umbenennt? Unzählige Themen des gesellschaftlichen Lebens nimmt Zinner sympathisch aufs Korn und wenn Worte nicht mehr reichen, singt er einfach einen Blues.

Dass Musik die Hauptrolle spielt in Stephan Zinners neuem Programm, das erst vor wenigen Tagen Premiere hatte, wird den Zuschauern im ausverkauften Neuburger Theater schon klar, bevor der Kabarettist die Bühne betritt: Eine Handvoll Gitarren wartet dort ebenso wie ein Schlagzeug, Banjo, Keyboard und ein ganzer Stapel Percussion-Instrumente. Bekannt ist Zinner als Double von Markus Söder, den er 15 Jahre lang auf dem Nockherberg verkörperte. Man kennt ihn als Metzger Simmerl in den Eberhofer-Krimis oder als Co-Ermittler Dennis Eden im Münchener „Polizei-Ruf“.

Aber dass er auch ein fantastischer Musiker und Sänger ist, das beweist er spätestens jetzt.
Gut gelaunt betritt er die Bühne und startet einen ersten Versuch, sich im Neuburger Theater beliebt zu machen: „Das Dienstags-Publikum muss extrem gut sein.“ Ein paar Sätze später und kaum zwei Lieder weiter, braucht es keine charmanten Schmeicheleien mehr, denn Zinner hat die Gäste bereits überzeugt: Das kann nur ein guter Abend werden. Und genau das wird er dann auch. „Heute ist Blues-Night“, stellt Zinner fest und versucht, im ersten Song das Gefühl zu erklären: „Wenn du den ganzen Monat nur Ravioli isst.“ Wie er am Mikro sitzt, seine lässige Kleidung in schlabberiger Hose, ausgewaschenem T-Shirt, offenem Hemd und Kappe – das ist Blues-Musiker-Outfit und seine Stimme, die Art, wie er singt, das ist Blues-Musik. Unterstützt wird er dabei von „Pete Lightning“ Peter Pichler, der seinen Spitznamen trägt, weil er laut Zinner immer blitzschnell beim Catering ist. Jedenfalls ist Pete ein Percussionist erster Güte und beherrscht auch sonst alle möglichen Instrumente von Mundharmonika bis Banjo. So gibt es eben nicht nur Blues bei Zinner, sondern auch Country oder Cajun – mit Akkordeon von Pete.

Die Songs reißen mit, manche Rhythmen wirken nicht nur bekannt, sie sind es auch: „Boom Boom“ von John Lee Hooker wird zum Egomanen-Song, in dem es um Klopapier und Sonnenblumenöl geht: „Ich, ich, ich, ich. Mein, mein, mein, mein.“ Auch „Black Betty“ wird umgedichtet oder „Sex Bomb“ von Tom Jones: „Shitstorm, shitstorm.“ Die Themen sind die, die alle Menschen kennen – Zinner bringt sie als Song, wenn ihm die Worte nicht mehr reichen. Denn im Blues, da geht es um Frauen, den Teufel und die Cross-Roads des Lebens –auch wenn die inzwischen selbst in seiner Heimatstadt Trostberg, genannt „Trosttown“, zu Kreisverkehren werden.

Zwischen den Songs erzählt Zinner über Schlager, Schwiegereltern und Banken oder über die Familie, wie etwa den Sohn, „der ausgezogen wurde. Der hat auch sehr viel Strom verbraucht.“ Über die Sitzheizung oder den Freund der Tochter, der unglaublich viel isst. Er wundert sich, wie sich heute Leute über Tinder kennenlernen und beim ersten Date nur über sich reden. Darüber, dass in Kochsendungen nie jemand aufräumt oder über seine Töchter oder deren Meerschweinchen, die dank Home-Schooling so intelligent sind, weil sie dem Unterricht zwangsläufig zuhören mussten: „Ich weiß nicht, wie viele Meerschweinchen die Lehrer unterrichtet haben“, meint er und man hat die putzigen Tiere vor Augen, die vor den Laptops sitzen, weil ihre Besitzerinnen längst mit etwas anderem beschäftigt sind.

„Ich weiß, ich schweif immer mal ab“, gibt er zu, während selbst dem coolen Pokerface von Pete Lightning ab und an ein Lächeln auskommt. Es gibt Storys über Diäten, Fahrradfahrer und Food-Blogger, die „a dode Anten“ fotografieren, obwohl die ja „gar nix macht“, während er sich bei seinen Shootings voll ins Zeug legt. Einmalig, wie er Modellmimik und -körpereinsatz imitiert oder selber mal auf der Bühne einen total verrückten Tanz abliefert.

Wenn Stephan Zinner erzählt, lachen die Leute von Herzen. Wenn er singt, ist das echter Blues mit einer gewissen Ironie, einer sensiblen Seite und schon mal so genuschelt, dass man nicht jedes Wort versteht – das macht nichts, schließlich geht es ja um das Gefühl. Die Zuhörer klopfen im Takt mit Händen auf dem Oberschenkel oder Füßen auf dem Parkett.

Belohnt werden Zinner und Pichler mit reichlich Applaus, auch wenn Pete Lightning da schon wie der Blitz verschwunden ist und nur noch kurz aus dem dunklen Bühnenhintergrund zum Abschied winkt. Doch Stephan Zinner lässt sich zu Zugaben überreden und spielt zuletzt einen älteren Song, der eine Hymne für alle Kleinpferde-Besitzer sein könnte: „Pony, lauf“. Ein toller Abend in einem endlich wieder ausverkauften Theater, mit Pause, Getränken, Anstehen an der Garderobe und allem, was dazu gehört – ein perfekter Start in die neue Spielsaison.

DK