Mann im Streit erschossen: Doch Anklage lautet nur auf versuchten Totschlag

14.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:48 Uhr
Der Tatort in der Streiterstraße im Ingolstädter Westen war nach dem tödlichen Streit zwischen einem Boxpromoter und seinem früheren Geschäftspartner großflächig abgesperrt. −Foto: Hauser

Ingolstadt (dpa) Das kommt nicht alle Tage vor: Ein Mann wird bei einer Rauferei auf offener Straße in Ingolstadt erschossen, doch vor Gericht verantworten muss sich der mutmaßliche Täter von diesem Donnerstag an nur wegen versuchten Totschlags. Denn der tödliche Schuss aus der Pistole des Opfers löste sich nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft versehentlich, außerdem geht die Anklagebehörde von Notwehr aus.

Warum es dennoch zum Prozess kommt: Der zur Tatzeit 45-Jährige schlug seinem bereits am Boden liegenden sterbenden Kontrahenten die Waffe nach dem unbeabsichtigten Schuss laut Anklage auch noch an den Kopf. Da der 50-Jährige dem Obduktionsergebnis nach an der Schussverletzung in den Oberkörper starb, dies seinem Kontrahenten aber nicht zur Last gelegt werden kann, lautet die Anklage vor dem Landgericht Ingolstadt lediglich auf versuchten Totschlag wegen der Schläge.
 
Täter und Opfer kannten sich vom Kickboxen. In der Nacht zum 3. September 2013 gerieten beide aneinander. Der Streit mündete in einer Rauferei, in deren Folge der 50-jährige Boxpromoter wohl die Waffe zog. Beim Versuch des Angeklagten, dem Bekannten die Pistole zu entreißen, löste sich ein Schuss. Im Prozess vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt werden zahlreiche Zeugen und Sachverständige gehört. Das Urteil soll nach elf Verhandlungstagen am 24. November verkündet werden.
 

Serie von Gewalttaten in Ingolstadt

 
Das Verbrechen an jenem Septembertag vor zwei Jahren war Teil einer Serie von Gewalttaten, die Ingolstadt in kurzer Zeit erschütterten. Im August 2013 hatte ein junger Mann im Rathaus mehrere Menschen stundenlang als Geiseln genommen. Erst ein Sondereinsatzkommando der Polizei beendete das Geiseldrama. Der vorbestrafte Täter wurde dabei angeschossen, die Opfer blieben unverletzt.

Eine Woche nach der jetzt angeklagten Tat wurde ein junger Obdachloser erschlagen vor einem Wohnhaus gefunden. Ein 18-Jähriger - auch er aus dem Obdachlosenmilieu - wurde als Täter gefasst, ist wegen einer seelischen Krankheit aber schuldunfähig. Im Oktober 2013 erschoss ein 43-Jähriger den Ex-Mann seiner Ehefrau und erschoss sich wenig später im Ingolstädter Polizeirevier selbst.