Ingolstadt
Notwehr ja, aber dennoch ein Totschlagsversuch

Nach tödlichen Schüssen in der Streiterstraße im Herbst erhebt die Staatsanwaltschaft doch Anklage gegen 46-Jährigen

26.06.2014 | Stand 02.12.2020, 22:32 Uhr
Der Tatort in der Streiterstraße im Ingolstädter Westen war nach dem tödlichen Streit zwischen einem Boxpromoter und seinem früheren Geschäftspartner großflächig abgesperrt. −Foto: Hauser

Ingolstadt (reh) Die Ermittlungen haben bei keinem anderen Fall aus der Ingolstädter Gewaltserie im vergangenen Herbst so lange gedauert wie bei den tödlichen Schüssen in der Streiterstraße.

Der Ingolstädter Staatsanwaltschaft liegen aber nun alle Gutachten zu dem blutigen Drama zwischen dem stadtbekannten 50-jährigen Boxpromoter und seinem ehemaligen Geschäftspartner vom 3. September des abgelaufenen Jahres vor. Daraus hat die Strafverfolgungsbehörde eine Anklage gegen den 46-Jährigen formuliert, dem sie versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorwirft. Das bestätigte der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter dem DK gestern auf Anfrage.

Der Vorwurf eines versuchten Totschlags, obwohl die Person tatsächlich gestorben ist, mag im ersten Moment verwirren, doch laut Walter lässt sich das einfach erklären: Der Schuss, der bei dem Gerangel zwischen dem Boxpromoter und seinem Geschäftspartner gefallen ist und den 50-Jährigen letztlich tödlich traf, könne durchaus von dem 46-Jährigen in Notwehr abgefeuert worden sein. „In der Gesamtschau lässt sich die Notwehr nicht wegdiskutieren, wir müssen sie sogar unterstellen“, sagt der Behördenchef, der sich unter anderem auf ein lange erwartetes Schusskanalgutachten berufen kann, das den Weg der abgefeuerten Kugel nachverfolgt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse lassen offenbar definitiv nicht den Schluss zu, dass es sich um einen gezielten Schuss gehandelt hatte.

Ihren Anklagevorwurf gegen den Beschuldigten, der nach wenigen Tagen in Untersuchungshaft im September wieder auf freien Fuß gesetzt worden war, zieht die Staatsanwaltschaft aus dem Geschehen unmittelbar nach dem Schuss. Wie unter anderem Alt-OB Peter Schnell als Augenzeuge beobachtet haben will, schlug der 46-Jährige dem Boxpromoter auf dem Gehsteig über ihn gebeugt mit Fäusten und Pistole massiv gegen den Kopf. Für die Anklagebehörde ist das ein Totschlagsversuch, „aber rechtlich gesehen ein untauglicher Versuch, weil der Kontrahent ja an der Schusswunde gestorben wäre beziehungsweise ist“, erklärt Walter.

Der Verteidiger des baldigen Angeklagten, Anwalt Klaus Wittmann (Levelingstraße), zeigte sich gestern auf Anfrage „sehr überrascht“ vom Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Ihm liege die Anklage noch nicht vor. „Ich muss nach Zugang erst den Inhalt studieren und werde dann eine Stellungnahme abgeben.“ Wittmann geht aber offenkundig weiter davon aus, dass sein Mandant für den blutigen Zwischenfall nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.