Spitzentennis ohne Aberglaube und Musik

25.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:33 Uhr
Seit vielen Jahren gemeinsam erfolgreich: Die Damen 50 des TC Scheyern vertrauen auch in der aktuellen Bayernliga-Saison auf eine fest eingespielte Mannschaft. −Foto: TC Scheyern

Die Umkleidekabine ist für Sportler mehr als der Ort, an dem man Straßenklamotten gegen Trikot tauscht. Hier werden zusammengewürfelte Athleten zu Mannschaften, hier kann Anspannung förmlich aus der stickigen Luft geschnitten werden, hier werden Trauer geteilt und Siege gefeiert. Teil 4 der PK-Serie "Kabinengeheimnisse" öffnet die Tür zu den heiligen Hallen der Bayernliga-Tennisspielerinnen der Damen 50 des TC Scheyern.

 

Scheyern - Die Scheyrer Damen 50 spielen seit mehr als 25 Jahren fast komplett in ihrer derzeitigen Besetzung. Diese Saison tritt man in der Bayernliga an, die Mannschaft spielte aber auch schon eine Ebene höher in der zweitklassigen Regionalliga. Der Grund, warum die Scheyrerinnen die Übergangssaison verhalten angehen, sind die hohen Anforderungen durch die Hygienevorschriften. Barbara Solyom-Türk und Mannschaftsführerin Eva Hirsch berichten über Rhythmen und Rahmenbedingungen ihrer Mannschaft.

AusstattungIm Vergleich zu anderen Sportarten hat die Umkleidekabine beim Tennis als Ort von Gemeinschaftlichkeit, Teambuilding und Geselligkeit keine große Bedeutung. Das liegt zum einen daran, dass es bei Tennis-Mannschaftswettkämpfen nicht wie bei Team-Sportarten einen gemeinsamen Anpfiff gibt. Zum anderen müssen Tennisspieler sich nicht mit anderen Vereinen unspektakuläre Mehrzweckturnhallen teilen, sondern wissen zumeist ein schicke Anlage samt Klubheim ihr Eigen - im Fall von Scheyern idyllisch gelegen am Klosterberg. Dementsprechend genießen die Damen-50-Spielerinnen hier nicht nur das Sportliche, sondern auch das Ambiente. Nach Heimspielen wird, wie es üblich ist, die Gastmannschaft bewirtet. "Wir haben einen Grillmeister, machen selbst Kuchen, Salate und andere Beilagen", sagt Solyom-Türk. "Die Gäste sind immer begeistert von der Verpflegung." Doch auch das eigene leibliche Wohl darf nicht zu kurz kommen. "Wenn wir mit einem Bus zu Auswärtsspielen fahren, trinken wir auf der Hinfahrt ein Gläschen Sekt und auf der Rückfahrt den Rest", sagt Mannschaftsführerin Hirsch. Und Solyom-Türk ergänzt: "Unabhängig davon, ob wir gewinnen oder verlieren." Stärkung, Proviant, Verpflegung nach dem Spiel - alles Team-Aufgabe. Hinsichtlich der sportlichen Ausrüstung organisiert sich jede Bayernliga-Spielerin selbst.

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Spitzentennis ohne Aberglaube und Musik

MusikIn anderen Sportarten ist laute Musik nicht wegzudenken. Als Rahmenprogramm vor und nach den Spielen, in der Umkleidekabine zu Motivationszwecken oder auf der Auswärtsfahrt um in den sprichwörtlichen Tunnel zu kommen. Das ist beim Tennis anders. "Man möchte da wegen der Konzentrationsfähigkeit keine Außengeräusche", sagt Solyom-Türk. Und deshalb sind die Damen 50 auch gar nicht neidisch auf andere Sportarten bei denen noch immer irgendjemand mit "Seven Nation Army" die Sportanlage beschallt. "Das ist beim Tennis nicht üblich und wäre ungewohnt", sagt Hirsch. "Bei uns geht es mehr um Geselligkeit und Unterhaltung." Selbst auf den Fahrten zu Auswärtsspielen oder dem Heimweg nach Siegen wird nicht gegröllt. Würde ja auch nicht zum Image dieses vornehmen Sports passen.

RitualeWiederkehrende Rhythmen passen dagegen schon. Und das geht über das gemeinsame Grillen nach dem Mannschaftswettkampf oder Kaffee und Kuchen nach den Einzeln hinaus. Die Damen 50 des TC Scheyern vertrauten jahrelang eingespielten Doppelpaarungen, doch weil Spitzenspielerin Lucia Eberle wegen Schulterproblemen den Wettkampfsport aufgeben musste, müssen sich die Scheyrerinnen neu sortieren. Den Feinschliff vor einer Saison holen sich die TCS-Spielerinnen jährlich in einem Trainingslager in Österreich. Vier Tage verbringt die Mannschaft in einem schicken Hotel mit erstklassiger Verpflegung. Zweimal täglich wird trainiert, der Rest der Zeit mit Wellness verbracht. Eine gewissenhafte Vorbereitung ist bei den Scheyrer Damen 50 also Standard, der in manch anderer Sportart verbreitete Aberglaube ist beim TCS dagegen weniger verbreitet. Auch das Berühren von Ohren, Nase, Schultern und Hose in der immer gleichen Reihenfolge vor Aufschlägen, wie es der spanische Tennis-Superstar Rafael Nadal betreibt, ist den Scheyrerinnen fremd. Einziger Glücksbringer: "Einmal links und einmal rechts über die Schulter spucken vor dem Einzel", erzählt Solyom-Türk. Aber wegen Corona geht auch das nicht mehr.

AufgabenNachdem Spitzenspielerin Eberle mehr als 30 Jahre lang Mannschaftsführerin des erfolgreichen Frauen-Teams war, hat seit dieser Saison Hirsch dieses Amt inne. "Solche Jobs fliegen einem zu", sagt sie und lacht. Damit einher gehen Aufgaben wie die Einteilungen der Spielerinnen für die Partien sowie organisatorische Themen wie Fahrdienste oder Trainingszeiten. Außerdem verwaltet Hirsch die Mannschaftskasse. "Um die Verpflegung bei den Spielen kümmert sich das ganze Team", sagt Hirsch. Solyom-Türk ist im Verein zudem als Trainerin tätig, Tilly Grubwinkler als Vorsitzende des Vorstands beim TC Scheyern aktiv.

StrafenkatalogWer so lange auf so einem hohen Niveau zusammenspielt, braucht nicht zwangsläufig einen Strafenkatalog. "Wir sind sehr brav und diszipliniert", sagt Hirsch und meint damit nicht nur die Disziplin, sondern auch die Trainingsmoral. Denn selbstverständlich haben die Damen 50 des TC Scheyern einen Trainer, mit dem auch spezifische Übungsformen absolviert werden. "Den angrenzenden Weinberg rennen wir aber nicht mehr rauf und runter", sagt Mannschaftsführerin Hirsch. Eine Sache wird bei den Scheyrerinnen aber doch sanktioniert. "Wenn man einen Satz zu null gewinnt oder verliert, muss man schon mal eine Flasche Sekt spendieren", sagt Hirsch.

PK

 

Christian Missy