„Die Kunst ist, zur richtigen Zeit Prioritäten zu setzen“
Zurück in der 2. Bundesliga: Andreas Bichler schaffte im Kalenderjahr 2023 ein außergewöhnliches Comeback

03.01.2024 | Stand 03.01.2024, 12:11 Uhr

Mit dem Billardqueue ein Meister seines Fachs: Andreas Bichler aus Brunnen. Foto: kx

2023: Für Andreas Bichler war es das Jahr, in dem er wieder auf die große Bühne des Poolbillardsports zurückkehrte. Also dorthin, wo er sich vor rund drei Jahrzehnten schon einmal befunden hatte. Und wie bereits damals, sie gilt auch jetzt noch: Dem Mann aus Brunnen macht sein Sport unendlich viel Spaß.
Alt ist er immer noch nicht. Aber deutlich reifer geworden. Das einstige Riesentalent, das 1993 bei den Jugendlichen schnell mal den Vize-Europameistertitel sowie den Deutschen Meistertitel in seiner Paradedisziplin „8-Ball“ einfuhr: inzwischen ein stolzer Familienvater, gefestigt, geerdet, auch in beruflicher Hinsicht äußerst ambitioniert. Und trotzdem: Ohne Poolbillard geht’s für Bichler weiterhin nicht. Mit seinem Queue gekonnt Kugeln einzulochen: Es wird für ihn wohl für immer eine Art Lebenselixier bleiben.

Seit 2023 betreibt er sein Hobby nun eben wieder in der 2. Bundesliga Süd. Allerdings nicht mehr, wie einst, für den BSC Ingolstadt – sondern für den BSV Playhouse Fürstenfeldbruck. Und mit jenem führt der Mann aus dem Altlandkreis Schrobenhausen aktuell fast schon sensationell die Tabelle an. Ja, das macht Lust auf mehr. Oder, etwas anders ausgedrückt: Auch das Jahr 2024 könnte für Bichler ein richtig tolles werden.

Andreas, was bleibt Dir (hauptsächlich in sportlicher Hinsicht) ganz konkret vom vergangenen Jahr in Erinnerung?
Bichler: Zunächst natürlich die Tatsache, wieder in der 2. Bundesliga aktiv sein zu dürfen. Gerade der erste Spieltag auf dieser Ebene nach langer Abstinenz, das war schon ein richtig besonderer Moment für mich.
Aber auch auf meine Einzelbilanz in der Saison 2022/23 – mit 100 Prozent an gewonnenen Spielen in einer sehr starken Liga – schaue ich gerne zurück. Wenn mir das jemand vor zwölf Monaten vorhergesagt hätte, ich hätte ihn für komplett verrückt erklärt.

Gibt es eine Partie, die Dir am meisten im Gedächtnis geblieben ist?
Bichler: Da gibt es tatsächlich eine: Meinen wohl wichtigsten Sieg 2023 schaffte ich gegen Aygün Karabiyik, den Senioren-Europameister im 8-Ball aus dem Jahr 2019, als wir nach einem Fehlstart am ersten und zweiten Spieltag schon mit dem Rücken zur Wand in der 2. Bundesliga Süd standen – und gegen den BV Schwetzingen, den eigentlichen Topfavoriten auf den Aufstieg, auch schon mit 0:2 im Rückstand lagen. Hätte ich gegen Karabiyik verloren, hätten wir die Gesamtpartie wohl nicht mehr erfolgreich für uns entscheiden können und wären komplett im Tabellenkeller gelandet. Stattdessen haben wir nach meinem Sieg die Begegnung noch gedreht und mit 5:3 gewonnen. Also war mein persönlicher Überraschungserfolg an diesem 28. Oktober irgendwie auch der Punkt, an dem bei uns jener Positivlauf anfing, der jetzt, mit der Tabellenführung, seinen zwischenzeitlichen Höhepunkt erreicht hat. Auch wenn das wohl nicht mehr als eine schöne Momentaufnahme ist.

Wer sind Dein Sportler des Jahres 2023, Deine Sportlerin des Jahres 2023 sowie Deine Mannschaft des Jahres 2023 – und weshalb?
Bichler: Als Einzelperson will ich niemanden hervorheben. Die wahren Sportler des Jahres sind für mich nach wie vor die Trainer, Funktionäre sowie alle, die sich ehrenamtlich in den Vereinen engagieren – und das Jahr für Jahr, obwohl die Rahmenbedingungen immer schlechter werden. Sie sind es, die die Vereine am Laufen halten. Ohne diese Leute könnten die Sportler nicht ihrem Hobby nachgehen beziehungsweise erfolgreich sein. Großen Respekt habe ich auch vor den Sportlern in den sogenannten Randsportarten. Sie bringen Höchstleistungen, obwohl sie oftmals alles selbst finanzieren müssen, um ihre diversen Meisterschaften bestreiten zu können. Bei den Mannschaften des Jahres 2023 möchte ich unter anderem das Deutsche Basketball-Nationalteam nennen, das ja völlig überraschend Weltmeister wurde. Ebenfalls eine tolle Arbeit lieferten der FC St. Pauli, der VfB Stuttgart sowie Bayer Leverkusen in Sachen Fußball ab. Und als Fan des ERC Ingolstadt möchte ich natürlich nicht die Panther von der Donau vergessen, die trotz eines niedrigeren Budgets im Vergleich zur Konkurrenz immerhin Deutscher Vize-Meister in der DEL wurden.

Wenn Du die Möglichkeit hättest: Was würdest Du nun anders machen, als Du es 2023 getan hast?
Bichler: Nach der erfolgreichen Saison 2022/23 mit der Mannschaft und meiner sehr starken Einzelbilanz habe ich mir selber viel zu viel Druck für die neue Spielzeit gemacht. Meinen Kindern sage ich immer wieder, dass im Sport stets der Spaß und die Freude im Vordergrund zu stehen haben – und nicht der Erfolg. Ich persönlich bin dann aber trotzdem die Saison 2023/24 völlig falsch angegangen – was sich prompt auch negativ auf meine Leitung ausgewirkt hat.

Welche Ziele hast Du Dir für 2024 gesetzt? Gibt es irgendwelche guten Vorsätze für 2024 (muss nicht nur in sportlicher Hinsicht sein)?
Bichler: Da gibt’s mit Sicherheit ein ganz wichtiges Ziel: Familie, Beruf und Billard bestmöglich unter einen Hut zu bringen – was natürlich nicht immer einfach ist. Die Kunst hierbei ist, zur richtigen Zeit Prioritäten zu setzen. Wenn ich das im neuen Jahr einigermaßen auf die Reihe bekomme, dann habe ich mit Sicherheit ganz viel erreicht. Beim Sportlichen im Speziellen will ich wieder fitter werden und mehr Kondition aufbauen, um bei den anstrengenden Spieltag-Wochenenden mehr Ausdauer zu haben. Im spielerischen beziehungsweise taktischen Bereich konnte ich mir 2023 von den Gegnern das eine oder andere abschauen, was es nun in mein Spiel zu integrieren gilt.

Wie hat sich Deiner Meinung nach der Sport ganz allgemein im vergangenen Jahr entwickelt? Ärgert es Dich beispielsweise, dass „Sport“ gerade in der TV-Berichterstattung zunächst einmal rein mit „Fußball“ gleichgesetzt wird – und alles andere nicht die Beachtung bekommt, die es eigentlich verdient hätte?
Bichler: Gott sei Dank war 2023 – insbesondere für die kleineren Vereine und die Vereine, bei denen der Sport nicht an der frischen Luft betrieben werden kann – ein gutes Jahr, um sich nach der Corona-Pandemie wieder einigermaßen stabilisieren zu können. Ich hatte in der Tat schon Sorge, dass der eine oder andere Klub von der Bildfläche verschwinden wird. Bei der Berichterstattung im Fernsehen geht mir persönlich vor allem eines völlig gegen den Strich: Warum muss man in der Tagesschau Zusammenfassungen von Fußball-Bundesliga-Spielen bringen? Als ob es auf der Welt keine anderen Probleme geben würde... Tendenziell geht es bei der Sportberichterstattung der Schrobenhausener Zeitung in die richtige Richtung. Meiner Meinung nach bekommen hier die Sportarten neben dem Fußball immer mehr Platz – und das ist gut so!

Die Fragen stellte Roland Kaufmann