Fünf Freunde, zweite Bundesliga?
Schützen des SV Edelweiß Mendorf sichern sich Vizemeisterschaft der Bayernliga und dürfen an Aufstiegskämpfen teilnehmen

26.02.2024 | Stand 26.02.2024, 20:05 Uhr

In die Herzen der Dorfbewohner geschossen: Stefan Appelsmayer (von links), Vanessa Zieglmeier, Maskottchen Siegi, Sissi Veits, Melissa Zieglmeier und Sophia Scheringer ließen sich von den vielen Mendorfern am Sonntagnachmittag im Dorfgemeinschaftshaus feiern. Foto: Meyer

Der SV Edelweiß Mendorf schafft die Sensation und qualifiziert sich am letzten Wettkampftag der Bayernliga mit zwei souveränen Siegen als Vizemeister für die Aufstiegskämpfe der 2. Bundesliga. Für den kleinen Schützenverein ist es der größte Erfolg seiner Geschichte, er avanciert damit endgültig zum Aushängeschild des Gau Ingolstadt.

„Laden zum ersten Finalschuss“, lautet das Kommando von Schützenmeister Franz Jilke. „Achtung! Drei, zwo, eins – Start!“ Sissi Veits’ Augen richten sich konzentriert auf die Zielscheibe, ihr Fokus ist auf dem Höhepunkt. Wie immer lässt sie ihrer Gegnerin den Vortritt – und die legt gnadenlos vor. 10,5 schießt Diana Wallinger vom SV Isargrün Goben, mehr geht kaum. Doch Sissi Veits behält die Nerven und zieht nach. 10,7 im ersten Stechschuss, Ausgleich, Entscheidung vertagt. Auf zum zweiten K.-o.-Duell.

Ein Stockwerk darüber ist das Schützenstüberl des Dorfgemeinschaftshauses am Sonntagvormittag brechend voll. Die Mendorfer schauen gebannt auf die Leinwand, auf der die zehn Zielscheiben abgebildet sind und jeder einzelne Schuss übertragen wird. Sie verfolgen die Hochrechnungen und fiebern mit ihren fünf Luftgewehrschützinnen und -schützen mit. Diese hatten die Tabelle bis zum vorletzten Wettkampftag souverän angeführt, doch dann folgten gleich zwei Niederlagen und der Absturz auf Rang drei. Nur die beiden besten Mannschaften dürfen allerdings an den Aufstiegskämpfen zur 2. Bundesliga am 13. April in Hochbrück teilnehmen.

SV Edelweiß Mendorf stärkster Verein im Gau Ingolstadt



Für den kleinen Ort Mendorf in der Gemeinde Altmannstein ist schon die Bayernliga eine gewaltige Leistung, kein anderer Schützenverein aus dem gesamten Gau Ingolstadt ist so hoch angesiedelt. Die Teilnahme an den Aufstiegskämpfen, die sie im vergangenen Jahr noch knapp verpasst hatten, wäre eine Sensation. Doch um die Rückkehr auf einen der obersten beiden Tabellenplätze noch zu schaffen, müssen die Edelweißschützen am finalen Wettkampftag zweimal gewinnen.

Der Druck lastet deshalb gewaltig auf den fünf Mendorfer Schützinnen und Schützen. Sissi Veits ist schon am Tag zuvor total aufgeregt – und als der Wettkampf beginnt, läuft erst mal wenig zusammen. Während die Schwestern Vanessa und Melissa Zieglmeier, Sophia Scheringer und Stefan Appelsmayer gewohnt souverän mit 96er-, 97er- und 98er-Serien starten, endet Sissi Veits an Position drei mit 94 Ringen und rutscht in der zweiten Serie sogar auf 92 ab. Ihre Gegnerin Diana Wallinger liegt da schon fünf Ringe vorn. Immer wieder schüttelt sie den Kopf. „Sissi, was ist los, ist keine Luft mehr drin?“, fragt ein Zuschauer mehr mit Sorge als im Scherz.

50 Minuten haben die Schützen für 40 Schuss – und die Uhr tickt erbarmungslos. Während in der dritten Runde vor allem Sophia Scheringer zur Hochform aufläuft und mit einer 100er-Serie, darunter einer 10,9 mit einem 2-Teiler, die Zuschauer zum Jubeln bringt, hadert Sissi Veits mit ihrer Leistung. Doch gerade rechtzeitig startet sie mit einer 99er-Serie eine wilde Aufholjagd und schafft in der finalen Runde im Duell mit Diana Wallinger noch den Ausgleich von 382 Ringen, der zum Stechschuss berechtigt. „Da wirst ja hie“, sagt eine Zuschauerin und schnauft erst mal erleichtert durch.

Fünf Freunde, ein Team



Sissi Veits sorgt gerne mal für die Extraportion Dramatik. Als Riedenburgerin ist sie die einzige Nicht-Mendorferin in der ersten Mannschaft der Edelweißschützen, dabei wurde sie aber nicht, wie bei vielen anderen Vereinen, „eingekauft“. Das Team entstand vielmehr aus einer lange andauernden Freundschaft des Quintetts. „Uns gibt es wirklich nur zusammen“, sagt Sissi Veits. „Wir sind eine Mannschaft, wir ziehen alles zusammen durch.“ Gemeinsam schafften sie den Aufstieg in die Bayernliga, mussten gleich wieder eine Etage tiefer, kämpften sich erneut nach oben und träumen nun vom Aufstieg in die 2. Bundesliga. „Es war schon immer mein Ziel, einmal in der Bundesliga zu schießen“, sagt Sissi Veits. „Aber natürlich wird das schwierig.“

Seit 2018 schießt Sissi Veits, die mit zwölf Jahren mit einer Sondergenehmigung mit dem Sport begann und als Jugendliche oberbayerische Meisterin wurde, für die Edelweißschützen. Inzwischen haben die Dorfbewohner die Kinderkrankenschwester längst in ihr Herz geschlossen. „Du wirst so aufgenommen, als wärst du schon immer Mendorferin“, sagt sie. „Wir kämpfen nur so stark, weil jeder hinter dir steht und dich feiert, jeder findet’s cool.“

Auch am Sonntagvormittag kämpft Sissi Veits. Vor dem zweiten Stechschuss tariert sie noch einmal ihren Stand aus, versucht die Mitte auszupeilen, die Hüfte nicht zu verdrehen. Ihre Füße zittern, sie atmet tief durch, kaut auf ihrem Kaugummi. Der Werbesong „Yummy, yummy, yummy“ schwirrt ihr durch den Kopf, sie versucht wie immer alles um sie herum zu vergessen. 50 Sekunden Zeit haben die beiden Schützinnen für diesen einen Schuss, wieder beginnt Diana Wallinger. Doch diesmal schafft sie nur eine 8, der Vorteil liegt nun klar bei Sissi Veits. Die 24-Jährige legt das Gewehr an, drückt ab, der rote Punkt auf der Zielscheibe leuchtet auf – es ist eine 10. Jubelschreie und Applaus dringen aus dem Stüberl in den Schießstand. Damit geht auch der fünfte Punkt nach Mendorf.

Zwei souveräne Siege für Edelweißschützen



Mit dem souveränen Sieg im Rücken gelingt den Edelweißschützen auch im zweiten Kampf am Nachmittag ein nie gefährdeter Erfolg gegen den Tabellenletzten SG Obing. Damit sichern sie sich, punktgleich mit Spitzenreiter SG Endorf, die Vizemeisterschaft in der Bayernliga. „Wenn vor der Saison jemand gesagt hätte, wir werden am Ende Zweiter, hätte ich das nicht geglaubt“, sagt Schützenmeister Franz Jilke. „Ich bin superstolz auf meine Truppe. Das ist der höchste Erfolg in unserer Geschichte.“

Die Schützen selbst brauchen einige Minuten, ehe sie ihre Leistung realisieren. „Aber wir müssen das genießen, das ganze Dorf sitzt schließlich oben, und so was hat noch nie ein Mendorfer geschafft“, jubelt Melissa Zieglmeier. Sissi Veits ist einfach nur erleichtert. Am Ende tönt „Tage wie diese“ durch das Dorfgemeinschaftshaus, es gibt Wodka Brause als Siegertrunk und eine Polonaise zum Klassiker „Der Zug hat keine Bremse“. Und tatsächlich: Im Moment scheint niemand die Mendorfer Edelweißschützen aufhalten zu können.