Hoffnung auf EM
Pascal Groß gelang über den FC Ingolstadt der Sprung nach England und ins Nationalteam

23.12.2023 | Stand 23.12.2023, 11:14 Uhr

Pascal Groß: Beim FC Ingolstadt schaffte der Mannheimer einst den Durchbruch und führte die Schanzer in die Bundesliga. Mit 32 Jahren wurde der vielseitige Mittelfeldspieler nach langer Geduldsprobe mit seinen ersten Länderspielen belohnt. Jetzt hofft er auf die Heim-EM. Foto: Imago Images

Wenn Stephan Groß im Fußball je etwas von seinem Sohn Pascal erhofft oder gar erwartet hat – er hat es längst übertroffen. Vom kleinen Mannheimer Stadtteilverein VfL Neckarau, bei dem der 113-fache Ex-Bundesliga-Profi des Karlsruher SC seinen Filius einst in der Jugend trainierte, schaffte dieser über den FC Ingolstadt den Sprung zu Brighton & Hove in die Premier League und nun sogar in die deutsche Nationalmannschaft.



Die Krönung aber steht womöglich noch bevor – bei der Heim-EM im kommenden Jahr. Die Chancen, dass Pascal Groß bei der EM spielt, stehen nach den jüngsten Äußerungen von Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht schlecht. „Wir hatten bei den letzten Spielen einfach einen Tick zu viel offensiv denkende Spieler und zu wenig defensiv denkende“, bekannte Nagelsmann in seinem denkwürdigen „Sportstudio“-Auftritt. Das eröffnet Perspektiven für den kampfstarken Allrounder Groß, der im namhaften deutschen Mittelfeld als Absicherung für Ilkay Gündogan mit einem möglichen Partner Toni Kroos oder Leon Goretzka auf der Doppelsechs spielen könnte. Bei der USA-Reise hat er dies bereits nachgewiesen.

Dass der FC Ingolstadt in Groß’ Karriere als entscheidendes Sprungbrett diente, ist für die Schanzer gerade im Jubiläumsjahr eine schöne Begleiterscheinung. Vor allem auch deswegen, weil Groß, der 2012 vom Karlsruher SC zum FCI kam und erst 2017 nach dem Bundesliga-Abstieg wieder ging, die Schanzer stets im Herzen behielt und immer noch den Kontakt hält. „Ich verfolge den FCI jedes Wochenende und würde das auch in der Regionalliga tun. Ich bin im Bilde und drücke die Daumen. Es ist schön zu sehen, dass sich wieder etwas entwickelt, aber man muss geduldig sein“, sagt Groß.

Mit dem FC Ingolstadt verbunden

Seine Denkweise spiegelt sich auch in seinem Werdegang wider. Obwohl er seit fast sieben Jahren seine Klasse in der Premier League zeigt, musste sich der 32-Jährige bis zum Herbst 2023 gedulden, um zur Nationalmannschaft eingeladen zu werden. Dabei rangiert der vielseitige Rechtsfuß, der in Brighton vom Rechtsverteidiger über die Sechser- und Achterposition bis hin zum Spielmacher hinter den Spitzen nach Bedarf alles spielt, auf Topplätzen in den Ranglisten der 80 deutschen England-Legionäre. Nach Einsätzen liegt er mit 208 Spielen nur noch hinter Robert Huth (322) und Dietmar Hamann (268), in der Scorerwertung belegt er mit 70 Punkten (29 Tore, 41 Vorlagen) hinter Mesut Özil (33/59) Platz zwei.

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Aber Groß hadert nicht damit, dass er so lange unter dem Radar lief. „Für mich ist ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Ich habe mich riesig gefreut“, erzählt der Ex-Schanzer im Rückblick auf sein überraschendes Länderspieldebüt gegen Japan, auf das er auch im fortgeschrittenen Alter noch gehofft hatte. „So lange ein Prozent Chance besteht, hofft man immer“, beschreibt Groß seine Gedanken, lehnt sich bezüglich seiner EM-Chancen aber nicht aus dem Fenster. „Deutschland ist ein gesegnetes Land und hat sehr viele gute Fußballer“, meint der Mannheimer. „Ich kann nur meine Leistung im Verein beeinflussen, und das versuche ich jeden Tag. Ich liebe meinen Sport und bin froh, dass ich meine Leidenschaft als Job ausüben kann.“

Marvin Matip: Sein Siegeswille ist außergewöhnlich

Einstige Weggefährten drücken ihm die Daumen. „Ich wünsche es ihm sehr, dass er bei der EM dabei ist, und gehe auch davon aus, obwohl es die schwierigste Position im deutschen Team ist, wenn man die Konkurrenz ansieht. Aber jetzt wird endlich darauf geschaut, wer wirklich Leistung bringt“, meint Ex-FCI-Kapitän Marvin Matip und hebt Groß’ besondere Stärken hervor. „Sein Siegeswille ist außergewöhnlich, er kann einfach nicht verlieren. Dazu läuft er 15 Kilometer im Spiel, hat einen sehr, sehr guten rechten Fuß und ist gerade auch in den wichtigen Spielen immer da. Er ist einfach ein geiler Typ, es hat sehr viel Spaß gemacht mit ihm im Team“, erinnert sich Matip an die gemeinsame Zeit beim FCI.

Trainer Ralph Hasenhüttl war sein großer Förderer

Auch sein größter Förderer, Ralph Hasenhüttl, sah früh das Potenzial: „Pascal ist ein Mentalitätsspieler und hat alle Anlagen, mal ein richtiger Stratege zu werden“, urteilte der Ex-FCI-Trainer bereits 2014. Noch davor war der frühere FCI-Geschäftsführer Harald Gärtner, der den damaligen Karlsruher mehrfach vor seinem Wechsel beobachtet hatte, von Groß überzeugt. „Er war sehr ehrgeizig und hat immer den Ball gefordert“, erinnert sich Gärtner. Der damals ablösefreie Groß dankte es den Schanzern mit einer überragenden Zweitliga-Saison 2014/15, in der er als Taktgeber die Schanzer mit 7 Toren und 23 Vorlagen zum Aufstieg führte. Nach zwei Jahren in der Bundesliga mit vielen Erinnerungen (Groß: „Das ist bei mir alles noch sehr präsent“) wechselte er nach England und bescherte dem FCI die damalige Vereinsrekordablöse von drei Millionen Euro.

Pascal Groß: Das Wichtigste ist die Einstellung

Aber nicht nur Erinnerungen, sondern auch Freundin Sina nahm Groß mit in das Seebad Brighton. Nach der Hochzeitsfeier am Gardasee, an der auch Ingolstädter, darunter sein bester Freund, Benjamin Hübner, teilnahmen, wuchs die Familie. Sohn Leo wird im Januar drei Jahre. Alt genug, um möglicherweise Papas größten Erfolg mitzuerleben. „Jeder deutsche Fußballer ist heiß auf diese EM. Das Wichtigste ist die Einstellung. Es ist eine Riesenehre für Deutschland zu spielen“, sagt Groß, für den selbst an Weihnachten der Fußball nur kurz ruht. Bereits am Donnerstag gastiert Tottenham Hotspur in Brighton, und Groß, dem die Seagulls-Fans sogar einen eigenen Song widmeten, wird wieder sein Herz auf dem Platz lassen.

DK