Aufregende Profi-Tenniskarriere
Ingolstädterin Miriam Schnitzer erzählt – vom Kartenspiel mit Edberg und Fish and Chips in Wimbledon

27.01.2024 | Stand 27.01.2024, 11:00 Uhr

Neun Jahre tourte die ehemalige Ingolstädterin Miriam Schnitzer als Tennis-Profi durch die ganze Welt. Zwischen 1993 und 2002 nahm die heute 47-Jährige, die inzwischen in Rosenheim lebt, an sieben Grand-Slam-Turnieren teil. Foto: Imago Images

Miriam Schnitzer ist wahrlich keine Frau, die schlechte Stimmung verbreitet. Ganz im Gegenteil. Sie ist eine Frohnatur. Wer sich mit der ehemaligen Profitennisspielerin unterhält, der wird schnell in ihren Bann gezogen.

Hier, im neugebauten Teil der Tennishalle des Tennisclubs Rot-Weiß Ingolstadt, schlägt die 47-Jährige ein paar Bälle. Verlernt hat sie ihren Lieblingssport offensichtlich nicht. Ein paar gezielte Schläge von der Grundlinie cross, ein paar longline, dann ein paar Punkte ausspielen. Das Tempo ist hoch, die Sicherheit ist da. Man merkt: Miriam Schnitzer ist immer noch fit. Kein Wunder, der Tennisschläger gehört nach wie vor zu ihrem Leben.

In Gerolfing ist sie aufgewachsen. Seit vier Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Rosenheim. Berufsbedingt, ihr Ehemann, der Ingolstädter Markus Winkler, trat dort eine neue Stelle an. Ihn hat sie 2018 geheiratet, seither heißt sie Winkler-Schnitzer. Immer wieder ist sie in Ingolstadt, vor allem, um ihre Familie zu besuchen. Die ist es auch, die einen hohen Stellenwert in ihrem Leben einnahm – gerade während ihrer Zeit im Nachwuchskader, später im Profibereich – und immer noch innehat. Ihr hat sie viel zu verdanken. Ihre Mutter Gabi fuhr sie ab dem zwölften Lebensjahr alle zwei Tage von Ingolstadt aus nach Oberhaching ins Leistungszentrum des Bayerischen Tennis-Verbandes, heute bekannt als TennisBase. Im Auto hieß es dann: Hausaufgaben machen, abfragen, Ruhe finden. Damals trainierte Miriam Schnitzer zusätzlich bei ihrem Heimatverein, dem DRC Ingolstadt. Dort erhielt sie als Fünfjährige ihre ersten Trainerstunden bei Tennislehrer Theo Jakumeit. Miriam Schnitzers Vater Walter war ihr Förderer und Motivator, begleitete sie von Beginn an zum Training und zu den Spielen. Später unter anderem an ihrer Seite: die Stützpunkttrainer Stefan Ericson und Martin Liebhardt, während ihrer Zeit als Profi vor allem ihr persönlicher Coach Harald Bungsche.

Miriam Schnitzer war 13, als es hinaus in die weite Welt ging. Zum Beispiel mit dem deutschen Nachwuchskader zur Jugend-Weltmeisterschaft nach Japan. Am Ende wurde das Team Sechster. Mittendrin: Miriam Schnitzer. Das war 1990, als sie auch Bayerische Jugendmeisterin und so mancher Sponsor auf sie aufmerksam wurde. Spätestens ab da war für sie klar: Sie wollte unbedingt Tennisprofi werden. Nach dem Realschulabschluss mit 16 wurde sie es auch, versuchte zunächst bei Damenturnieren auf der Challenger-Tour auf allen Kontinenten Punkte zu sammeln, um sich für die WTA-Turniere, das Oberhaus, zu qualifizieren.

Das gelang, sie arbeitete sich Stück für Stück nach vorn. Irgendwann war sie konstant unter den Top-200 der Welt, im Sommer 1999 sogar auf Rang 109. Ihre beste Platzierung. Noch so ein Meilenstein: 2000 wurde die Ingolstädterin Deutsche Hallenmeisterin. Dann kam 2001, für Miriam Schnitzer „das prägendste und erfolgreichste Jahr“ in ihrer Tennislaufbahn.

Ihr persönliches Highlight, neben dem Erreichen der zweiten Runde in Wimbledon, das waren die German Open in Berlin auf Sand. Mit einer Wildcard kam sie ins Turnier, meisterte die ersten drei Runden in der Qualifikation. Dann stand die damals 24-Jährige auf einmal im Viertelfinale, weil sie unter anderem die Französin Nathalie Tauziat, damals immerhin die Nummer zwölf der Weltrangliste, überraschend geschlagen hatte. Das Fernsehen und überregionale Tageszeitungen wurden auf sie aufmerksam. Eine der Schlagzeilen damals: „Venus raus! Miriam jetzt gegen Wiesel Justine.“ Gemeint waren Venus Williams und Justine Henin, die später 117 Wochen die Nummer eins der Welt werden sollte, gegen die sie in der Runde der letzten Acht in zwei Sätzen unterlag. Eine tolle Erfahrung, nicht zuletzt weil sie unter anderem vor 6000 Zuschauern auf dem Centre Court spielen konnte. Insgesamt nahm Miriam Schnitzer an sieben Grand Slams in der Qualifikation teil, einmal schaffte sie es bei den US Open (1998) in die zweite Runde, dreimal ins Hauptfeld von Wimbledon (1997, 1998, 2001).

Auch an die vielen schönen Momente abseits des Tennisplatzes erinnert sie sich gerne zurück: an die intensiven Sparrings etwa mit der „sehr nahbaren und geerdeten“ Monica Seles, genauso wie mit Gabriela Sabatini oder Mary Pierce. Oder an „die überragenden Fish and Chips, die natürlich in Wimbledon sein müssen“, an die Begegnung in der dortigen Players Lounge mit Stefan Edberg und Goran Ivanisevic. Beide baten ihr und ihrer Mutter einen Platz an und luden zum gemeinsamen Kartenspiel. Rommé müsste es gewesen sein, meint sie fast 25 Jahre danach: „Es war einfach witzig, wir haben uns mit Händen und Füßen verständigt und eine Menge Spaß gehabt.“ Miriam Schnitzers Schilderungen begleiten dabei immer eine gewisse Leichtigkeit. Sie sagt von sich selbst, dass sie nie vor Ehrfurcht erstarrt sei, auch nicht, wenn ihr Top-Spielerinnen wie Steffi Graf oder Lindsay Davenport begegneten.

Die bodenständige Ingolstädterin erzählt allerdings auch von schwierigen Zeiten. Zum Beispiel aus der Tennis-Bundesliga, als einzelne Vereinsvertreter bisweilen einen immensen Druck aufgebauten. Das führte schon mal dazu, dass sie sich nach Waldläufen vor dem Match übergeben musste. Und dann war da noch dieses übergeordnete Thema während ihrer gesamten neunjährigen Profizeit: das Heimweh, das Zurückwollen in die gewohnte Umgebung in Ingolstadt. Eigentlich, erzählt sie, sei sie zwischen 16 und 25 so gut wie nie zuhause gewesen. Gerade als Jugendliche, vor allem an ihren Geburtstagen oder denen ihrer Freundinnen zuhause, sei sie sehr unglücklich gewesen: „Da sitzt du in irgendeinem Hotelzimmer in England, Indien oder Australien, bist alleine und sollst dich an solchen Tagen zu 100 Prozent auf das bevorstehende Match konzentrieren.“ Heute meint sie, vielleicht habe sie dieser Umstand dahingehend gehemmt, dass es am Ende in der Weltrangliste nicht noch weiter nach oben ging. Hinzu kam: Sie hatte nie das Gefühl, in der Tennisblase eine echte Freundin gefunden zu haben: „Es waren Zweckgemeinschaften, mehr nicht.“

Nachdem sie sich mit 25 einen doppelten Bänderriss zugezogen hatte, entschied sie sich Ende 2002 – ohne langes Zögern und auf Platz 280 der Weltrangliste – mit dem Profitennis aufzuhören. Denn: „Ich wollte einfach ein normales Leben führen.“ Sie gründete eine Familie, bekam ihren Sohn Laurin. Ab Mitte der 2000er-Jahre war sie ein gern gesehener Gast bei regionalen Schaukämpfen, bis heute arbeitet sie als Trainerin in Tennisschulen. Zunächst holte sie Udo Ellermann für einige Jahre zum MTV Ingolstadt, zuletzt war sie, 2019 und 2020, beim STC RW Ingolstadt tätig.

Vor kurzem ist Miriam Schnitzer 47 Jahre alt geworden. Ihre große Leidenschaft neben dem Tennis ist bis heute die Mode. Wenn es mit der Tenniskarriere nicht geklappt hätte, meint sie, hätte sie am liebsten Modedesign studiert. In Rosenheim arbeitet sie in einem Geschäft für sportlich-elegante Damenmode und gibt als staatlich geprüfte Tennislehrerin in einer Bad Aiblinger Tennisschule ihr Wissen an Kinder und Jugendliche weiter. Im Herbst, erzählt sie, möchte sie wieder mal zu den US Open fliegen. Alleine schon wegen der Atmosphäre, sagt sie. Dort, wo Miriam Schnitzer bei ihren insgesamt sieben Grand-Slam-Teilnahmen den größten sportlichen Erfolg feiern durfte.

DK