Serie zu 20 Jahre FC Ingolstadt
ESV und MTV prägten einst die Ingolstädter Fußballgeschichte – mit extremen Höhen und Tiefen

08.08.2023 | Stand 12.09.2023, 23:57 Uhr

Horst Blechinger (hinten) in Aktion: Der bereits verstorbene ehemalige ESV-Spieler, der später in der Bundesliga für den FC Schalke 04 aktiv war, zählte zu den Ingolstädter Fußballgrößen in den 1960er Jahren. Foto: DK-Archiv

Der FC Ingolstadt bestreitet seine 20. Saison. Seit der Gründung am 5. Februar 2004 haben die Schanzer viel erlebt, darunter fünf Aufstiege bis in die Bundesliga, aber auch vier Abstiege. Für uns ein Anlass, noch einmal auf die Entwicklung des Vereins zurückzublicken, der einst aus der Fusion der Fußballtraditionsklubs ESV und MTV hervorging. In diesem Teil unserer Serie beleuchten wir die Historie des Ingolstädter Fußballs.

Bei seinem neuesten Hit hat Udo Lindenberg wahrscheinlich nicht an den Ingolstädter Fußball gedacht. „Wie ein Komet, der zweimal einschlägt“, nuschelt der inzwischen betagte Panikrocker früherer Tage in einer Liedzeile und beschreibt damit unwissentlich den Werdegang des FC Ingolstadt, der an diesem Sonntag (19.30 Uhr/Magenta Sport) beim FC Erzgebirge Aue in seine Jubiläumssaison startet. Exakt am 5. Februar 2024 vollenden die Schanzer ihren 20. Geburtstag.

Trotz einiger Turbulenzen können die Rot-Schwarzen, die aus dem Niedergang der Schwarz-Weißen (ESV) und Lila-Weißen (MTV) hervorgingen, von sich behaupten, dass sie die konstanteste und erfolgreichste Ära im Ingolstädter Fußball prägen. Davor waren das Auf und Ab, Aufstieg und Niedergang weitaus heftiger.

Ingolstadt spielte schon von 1936 bis 1938 in der höchsten Liga

Schon von 1936 bis 38 spielte der VfB Ingolstadt-Ringsee in der damals höchstmöglichen Klasse mit Bayern München, dem 1. FC Nürnberg, BC Augsburg, 1860 München und der SpVgg Fürth in der Gauliga Bayern. Mit Profifußball hatte das noch nichts zu tun, auch wenn Fritz Reibel dem VfB vor 8000 Zuschauern einen 1:0-Überraschungssieg gegen den Club bescherte.

1963 hätte sich der ESV mit Platz zwei in der 2. Liga Süd rein sportlich für die Oberliga Süd (und damit höchste Spielklasse) qualifiziert – doch die Einführung der Bundesliga verhinderte dies. So landeten die „Eisenbahner“, wie der Verein auch genannt wurde, nach zwei Aufstiegen in Folge mit den damaligen Protagonisten Ernst Apfelbeck, Leo Sperr, Josef Bauerschmidt, Alfred Riedel oder Manfred Mack in der Regionalliga Süd. Legendäre Heimspiele wie der 2:1-Sieg über Bayern München 1965, das 2:0 gegen Jahn Regensburg 1968, als 13000 Fußballanhänger ins ESV-Stadion pilgerten (darunter 5000 Gästefans) oder die Rekordkulisse von 15000 Zuschauern gegen den abgestiegenen Rekordmeister 1. FC Nürnberg begründeten eine neue Fußballeuphorie. Acht Jahre waren die Ringseer zwischen 1962 und 1972 zweitklassig.

Das Stadtderby zwischen dem ESV und MTV

Bis dahin meist im Schatten des populäreren Vereins südlich der Donau mauserte sich der MTV zum Herausforderer. Zwischen der Anhängerschaft der „Staderer“, wie der MTV gerne von „denen da draußen“ (ESV) tituliert wurde, herrschte eine tiefe Abneigung. 88 meist hitzige Stadtduelle gab es, und dass die Bilanz mit 34:31 Siegen nur knapp zugunsten der Schwarz-Weißen ausfiel, lag an deren rasanten Niedergang nach 1981. Davor dominierte der ESV, blieb zwischen 1950 und 1978 sogar in 24 Spielen in Folgeungeschlagen. „Dass ich nie ein Derby verloren habe, war für mich der schönste Erfolg meiner Karriere“, sagte der langjährige ESV-Kapitän Max Zimmermann einmal. Selbst mit zehn Mann triumphierten die Ringseer in der Skandalsaison 1956/57. Obwohl nach einem 3:2-Sieg im Hinspiel ESV-Stürmer Hans „Tom“ Braun im Rückspiel bereits nach sechs Minuten vom Platz flog, gewannen die „Eisenbahner“ 2:1. Der MTV beklagte aus beiden Duellen fünf Verletzte und brach daraufhin die sportlichen Beziehungen ab – man traf sich erst vor dem Sportgericht wieder.

Kuriose Aufstiege mit Spielertrainer Horst Pohl

Sportlich übernahmen nun die Lilaweißen das Kommando und stiegen mit Spielertrainer Horst Pohl 1978 in die 2. Bundesliga Süd auf. Kurios: Weil der Erfolgscoach als Spielertrainer weitermachen wollte, dies aber nach den Regularien der Zweiten Liga nicht erlaubt war, wechselte er zum ESV, wiederholte den Aufstiegscoup und wurde obendrein mit dem Team um Kapitän Walter Zieglmeier 1979 als einziges bayerisches Team der Geschichte Deutscher Amateurmeister – ein großer Prestigeerfolg.

Kometenhafter Neustart mit dem FC Ingolstadt

Geholfen hat das letzte Erfolgskapitel beiden Klubs nicht. Der Wille zur Zusammenarbeit war trotz einiger Versuche nicht da, es folgte ein schleichender Niedergang – bis der drohende finanzielle Kollaps den fußballbegeisterten Unternehmer Peter Jackwerth auf den Plan rief und dieser den FC Ingolstadt gründete. „Ursprünglich wollte ich nur dem ESV auf die Beine helfen, doch dann kamen bald Alfred Lehmann (damals Oberbürgermeister, Anm. d. Red.) und Heribert Fastenmeier (MTV-Abteilungsleiter, Anm. d. Red.) mit zwei dicken Ordnern auf mich zu und stellten mir das Projekt Fußball IN 2002 vor. Danach kam die Idee von der Fusion auf“, erzählt Jackwerth von den Anfängen. Mit dem damaligen Bundestagsabgeordneten Horst Seehofer und Audi im Boot trieb er den neuen Verein schnell voran ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der geschrumpften Anhängerschaft. Nach einem holprigen und arbeitsreichen Beginn, einem euphorischen Höhenflug und fast ebenso rasanten Abschwung meint Jackwerth heute: „Wir sind gut aufgestellt. Wir sind mit unseren Jugendmannschaften in den höchsten Ligen, und die Frauen spielen in der 2. Bundesliga. Jetzt hoffe ich, dass wir auch mit den Profis wieder in die Zweite Liga kommen, da gehören wir einfach hin.“ Schaut man sich die Geschichte an, ist das aber so selbstverständlich nicht. Der Komet FCI sucht noch seine stabile Umlaufbahn.

DK