„Freue mich wie ein kleines Kind“
ERC Ingolstadt: Ex-Sportdirektor Larry Mitchell ist Co-Trainer von Team Canada beim Spengler-Cup

25.12.2023 | Stand 25.12.2023, 5:00 Uhr

Seinen Ex-Klub ERC Ingolstadt verfolgt Larry Mitchell noch genau: „Es waren fünf gute Jahre dort“, sagt der 56-Jährige. „Man wirft ein besonderes Auge auf die Spieler, die man verpflichtet hat, und freut sich, wenn sie Erfolg haben“, meint der Deutsch-Kanadier über die Ingolstädter Vizemeisterschaft 2023. Foto: Imago Images

Große Ehre für Larry Mitchell: Der ehemalige Sportdirektor des ERC Ingolstadt (2017 bis 2022) ist vom kanadischen Eishockey-Verband als Co-Trainer des Team Canada für den Spengler-Cup in Davos berufen worden.

Am 26. Dezember (20.15 Uhr/alle Spiele bei Sportdeutschland.TV) startet die Allstar-Auswahl kanadischer Profis in Europa gegen die Schweden von Frölunda Göteborg ins Turnier. Die weiteren Teilnehmer sind Gastgeber HC Davos, Titelverteidiger HC Ambri-Piotta/Schweiz, Dynamo Pardubice/Tschechien und Kalpa Kuopio/Finnland (mit Ex-ERC-Goalie Ilpo Kauhanen als Torwarttrainer). Im Hauptjob ist Mitchell Sportdirektor des Schweizer Erstligisten EHC Kloten, den er seit einem Monat interimsweise auch trainiert.

Herr Mitchell, wie fühlt es sich an, erstmals als Trainer das Ahornblatt auf der Kleidung zu tragen?

Larry Mitchell: Für mich ist das eine Riesenehre. Ich freue mich wie ein kleines Kind an Weihnachten. Es kam überraschend, weil ich bis vor viereinhalb Wochen kein Trainer mehr war.

Bewirbt man sich bei Hockey Canada, oder wird man berufen?

Mitchell: Bei mir war es so, dass mich der Verband kontaktiert hat. Allerdings musste ich erst mit Kloten sprechen, ob sie mir das erlauben. Ich bin dort ja sehr eingebunden. Aber der Klub hat mir sehr schnell gesagt, dass ich das machen muss (lacht).

Ex-NHL-Coach Bruce Boudreau fungiert als Cheftrainer, General Manager ist Eishockey-Legende Joe Thornton. Kennen Sie die beiden persönlich?

Mitchell: Ich kannte sie persönlich nicht. Wir hatten aber zwei Videocalls, wo wir uns als Trainer- und Betreuerteam gegenseitig vorgestellt haben. Bruce ist der Chef und bestimmt, was gemacht wird, aber er kennt die meisten Spieler gar nicht. Da muss er sich auf mich und den anderen Co-Trainer Jeff Tomlinson verlassen.

Was bedeutet der Spengler-Cup für Sie persönlich?

Mitchell: Ich habe den Spengler-Cup schon als Kind angeschaut und bezeichne ihn als weltberühmtestes Eishockey-Turnier (lacht). Mich haben Nachrichten von Leuten erreicht, zu denen ich nicht mehr viel Kontakt habe, die aber jetzt noch genauer hinschauen wollen. Der Cup hat wirklich einen hohen Stellenwert, auch in Kanada.

In Kloten geht es klar aufwärts, seit Sie als Trainer für Gerry Fleming übernommen haben. Was haben Sie verändert?

Mitchell: Zunächst: Ich habe eine sehr gute Unterstützung der anderen Coaches. Wir waren der Meinung, dass das Team eine neue Stimme brauchte. Es ist sicher auch kein Nachteil, dass ich Deutsch spreche. Taktisch haben wir ein paar Anpassungen vorgenommen.

Zuletzt standen Sie 2017 nach der Entlassung von Tommy Samuelsson als Interimstrainer des ERC ein paar Wochen auf dem Eis. Offenbar macht Ihnen der Job als Coach wieder viel Spaß, auch die Fans sind zufrieden. Bleibt es also bei der Doppelfunktion?

Mitchell: Es macht mir sehr viel Spaß, das hatte ich nach sechs Jahren fast vergessen. Der Plan ist, dass ich den Dezember auf jeden Fall noch als Trainer komplettiere. Mit unserem Klub-Berater Jeff Tomlinson suche ich nach Trainerkandidaten. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass ich bis Saisonende Coach bleibe.

Die Budgets der Schweizer Vereine sind auch dank des millionenschweren TV-Vertrags höher als die der DEL-Klubs. Wie groß ist der Unterschied genau?

Mitchell: Mein Budget ist höher als bei den DEL-Klubs, bei denen ich gearbeitet habe. Was uns allerdings zu schaffen macht: Die Spanne zwischen den Adlern Mannheim und dem kleinsten DEL-Klub ist deutlich geringer als in der Schweiz zwischen Kloten und Zürich. Nach oben hin geht es ziemlich weit, wir sind einer der drei kleinsten Klubs.

Die DEL wird in der Schweiz etwas belächelt. Haben Sie sich bei Ihrem Amtsantritt in Kloten im Oktober 2022 als Exot gefühlt – und sich nach Platz neun 2023 nun spürbar Respekt erarbeitet?

Mitchell: Ich hoffe schon. Die Kritik war schon sehr laut, als man mich verpflichtet hat. Und genauso laut, als ich Tyler Morley aus der DEL geholt habe.

Den auch Ingolstadt wollte.

Mitchell: (lacht) Er hatte viele Angebote. Die DEL hat nicht so einen hohen Stellenwert, wie sie es verdient hätte. Ich muss schon zwei-, dreimal überlegen, wenn ich einen DEL-Spieler hole, denn einen Fehlgriff aus Deutschland darf man sich nicht leisten.

Der Spengler-Cup im Schweizer Kurort Davos ist das älteste internationale Eishockey-Turnier der Welt. 1923 stiftete der Arzt Carl Spengler die Trophäe, um seinen geliebten HC Davos zu unterstützen, aber auch um – wie es in der Stiftungsurkunde heißt − den nach dem Ersten Weltkrieg verfeindeten Nationen Gelegenheit zu bieten, „das gegenseitige Verständnis und Vertrauen in fairem, freundschaftlichem Kräftemessen wiederzufinden und kameradschaftlich die Hand zu reichen“. In diesem Jahr feiert der Spengler-Cup, der traditionell zwischen Weihnachten und Neujahr ausgetragen wird, demnach das 100-jährige Bestehen. Rekordsieger des Einladungsturniers im Kanton Graubünden, das großes Renommee genießt und selbst in Nordamerika live im TV übertragen wird, ist das Team Canada mit 16 Triumphen vor Gastgeber HC Davos (15). Letzter deutscher Sieger sind die Kölner Haie (1999), letzter deutscher Teilnehmer die Nürnberg Ice Tigers (2018). Der ERC Ingolstadt wurde bei seiner einzigen Teilnahme 2008 mit nur einem Sieg Fünfter und damit Letzter.