BFV-Präsident in Ingolstadt
Christoph Kern will Schiedsrichter stärken: „Müssen eine Willkommens-Kultur schaffen“

28.10.2023 | Stand 28.10.2023, 11:00 Uhr

Freuten sich über einen gelungenen Abend (von links): Der ehemalige Ingolstädter Bundesliga-Schiri Werner Roß, BFV-Präsident Christoph Kern, der Ingolstädter Obmann Hans Kroll und die Kreisvorsitzende Elisabeth Bauer. Foto: Enzmann

Ein „Austausch auf Augenhöhe“ war der Besuch von Christoph Kern bei der Schiedsrichter-Gruppe Ingolstadt. Der Präsident des Bayerischen Fußball-Verbands gab sich vor den rund 80 Unparteiischen und einigen Vereinsvertretern im Vereinsheim der DJK Ingolstadt nahbar und zugänglich.

„Gekommen bin ich heute Abend als euer Präsident, aber im Inneren bin ich einer von euch: nämlich Schiedsrichter mit Leib und Seele“, sagte der 40-jährige promovierte Jurist zu Beginn seines Vortrags.

Der Präsident sammelte schnell weitere Pluspunkte, als er erklärte, dass es zwischen ihm und Ingolstadt schon eine Verbindung gäbe. Als Kern, selbst 26 Jahre lang Schiedsrichter bis zur Landesliga, noch in seinen Anfängen als Unparteiischer steckte, lernte er bei einer Sitzung seiner Gruppe Miltenberg (Raum Aschaffenburg) den ehemaligen Ingolstädter Bundesliga-Schiedsrichter Werner Roß kennen, seinerzeit Mitglied im Verbands-Schiedsrichterausschuss, und war schnell beeindruckt: „So wichtige Werte wie Respekt, Wertschätzung und einfach mal Danke sagen habe ich auch von Werner Roß gelernt“, sagte er und gab ein Stück Wertschätzung direkt an die Ingolstädter Unparteiischen weiter. Kern bat mit dem 87-jährigen Sebastian Heigl (SV Eitensheim) den ältesten, mit dem 14-jährigen Johannes Schmidtner (SV Schwaig) den jüngsten und mit Stefan Brandl (FC Fatih Ingolstadt) den derzeit am meisten pfeifenden Schiedsrichter der Gruppe heraus und überreichte ihnen als Dank für ihren Einsatz an der Pfeife ein Trikot von der deutschen Nationalmannschaft.

„Leider“, so Kern, „zeigen viele Vereine den Schiedsrichtern oft nicht die Wertschätzung, die sie verdient haben“, führte der Präsident aus und präsentierte Fotos von Umkleiden für Unparteiische. Das eine zeigte eine Kabine, die einer Putzkammer glich. Klar, dass ein Schiedsrichter da schon die Lust verliere. „Wir müssen in den Vereinen eine Willkommens-Kultur schaffen“, sagte Kern und nannte neben einer ordentlichen Umkleide „weitere kleine Zeichen“ des Respekts wie das Bereitstellen von Wasser oder einen freundlichen Empfang. Auch Trainer und Spieler ließen noch zu oft den Respekt vermissen, wie Kern feststellte. „Darum haben wir jetzt die persönlichen Strafen gegen die Trainer eingeführt, damit die Unparteiischen hier auch ein Sanktionsmittel haben“, sagt Kern. Bewährt habe sich auch die Einführung der Zehn-Minuten-Strafe: „Selbst Vereine, die anfangs skeptisch waren, haben mir eine positive Rückmeldung gegeben. Der Unruhepol ist damit für zehn Minuten aus dem Spiel und das hat oft eine große Wirkung.“

Der Verband hat gegenüber den Schiedsrichtern auch nochmal ein deutliches Zeichen der Wertschätzung gesetzt. „Zur Saison 2023/24 haben wir eine deutliche Erhöhung der Spesen beschlossen“, sagt Kern. Auch mit „Danke Schiri“ und weiteren Ehrungs-Veranstaltungen wolle der Verband die Arbeit der Schiris anerkennen. Kern hofft, dass die Spesenerhöhung Früchte trägt. „Denn die Corona-Pandemie hat uns maximal geschadet. Die älteren Unparteiischen haben das Pfeifen nicht mehr vermisst und viele junge haben aufgehört.“ Zumindest sei nun in Bayern wieder ein leichter Aufwärtstrend bei den Schiedsrichter-Zahlen erkennbar, doch längst könnten noch nicht alle Spiele mit Unparteiischen besetzt werden. Immerhin: Die Gruppe Ingolstadt sieht Obmann Kroll gut gerüstet. „Ich bin froh, dass wir zu jedem Spiel einen Unparteiischen schicken können und auch die Altersstruktur in der Gruppe passt. Wir haben eine gute Mischung aus erfahrenen und jungen Unparteiischen. Auch freut mich, dass alle Schiedsrichter aus dem letzten Neulingskurs noch dabei sind“ Für den von 26. bis 28. Januar stattfindenden nächsten Kurs gäbe es überdies schon einige Anmeldungen.

Beim Thema Schiedsrichter-Gewinnung nahm der BFV-Präsident aber auch die Unparteiischen selbst in die Pflicht. „Wenn ich sehe, was unsere Schiedsrichter in den Sozialen Medien verbreiten, dann sind das oft negative Vorfälle. Berichtet doch auch mal über das Positive.“ Ein Beispiel hatte der Ingolstädter Obmann, der sich freute, dass die noch sehr jungen Unparteiischen Farin Münchhoff (16, Gaimersheim), Johannes Haag (18, Gaimersheim) und Tristan Pawlitschek (16, Stammham) die Kreisliga-Partie SV Hundszell - TSV Oberhaunstadt „reibungslos und mit nur drei Gelben Karten“ über die Bühne brachten.

Natürlich habe jeder Vorfall von Gewalt oder Diskriminierung abschreckende Wirkung, wie Kern feststellte. Von drei Fällen im Kreis Donau/Isar berichtete Kroll (siehe Kasten). Und auch wenn sich die Anzahl solcher Negativerlebnisse in Bayern in der Saison 2022/23 auf weit unter ein Prozent (476 von 185281 ausgetragenen Spielen) belaufe, sei „jeder Vorfall einer zu viel“, stellte Kern klar. „Wir fahren hier eine klare Null-Toleranz-Politik und ich kenne keinen Verein, der diesen Weg nicht mitgeht“, sagte Kern. Um entgegenzuwirken hat der Verband die Strafen erhöht. Für junge Schiedsrichter gibt es ein Paten-System. Wichtig sei aber auch der Austausch mit den Vereinen. „Und es sind sich ja alle einig: Gewalt hat im Fußball nichts verloren.“

DK