Köln/Pfaffenhofen
Der Kölner Sung Un Gang will die Hornbach-Werbung stoppen

Tausende Asiatinnen und Asiaten haben bereits die Petition unterschrieben

05.04.2019 | Stand 02.12.2020, 14:17 Uhr
Ihre Wut auf den Werbespot hat Tatjana Lee visuell verarbeitet: "Als Deutsche mit koreanischem Hintergrund und als Mutter dreier Töchter finde ich den derzeitigen Hornbach Werbespot „So riecht der Frühling“ absolut geschmacklos. Ich frage mich nicht nur, welchem krankem Werberhirn solch ein rassistischer und sexistischer Schwachsinn entsprungen ist, sondern auch welche Art von Zielgruppe Hornbach damit ansprechen will und warum der Spot immer noch ausgestrahlt wird", schreibt die Künstlerin dazu auf Instagram. −Foto: Tatjana Lee

Köln/Pfaffenhofen (DK) Die Unterschriftenliste wächst und wächst. Eine internationale Petition will die neueste Kampagne des Baumarkts Hornbach stoppen. Einige Asiatinnen und Asiaten fühlen sich beleidigt. Der Spot manifestiere Deutschlands Rassismus-Problem und trage ihn in die Welt. Der Donaukurier hat mit dem Gründer der Petition, Sung Un Gang, gesprochen. Die Pfaffenhofener Künstlerin Tatjana Lee unterstützt die Petition.

Wie der Donaukurier bereits berichtet hat, verlangt die Petition "Wir stehen gegen das rassistische und frauenverachtende Unternehmen HORNBACH" unter anderem einen sofortigen Stopp der Werbekampagne "So riecht das Frühjahr", das die Werbeagentur Heimat Berlin konzipiert hat. Denn den im Garten arbeitenden weißen Männern des Spots wird eine junge Asiatin in einer Großstadt gegenüber gestellt. Sie erwirbt ein verschwitztes Wäschestück der Männer aus einem Automaten und schnuppert berauscht daran, als ob sie der Geruch sexuell erregen würde. 

Der Kölner Sung Un Gang, Doktorand der Medien- und Kulturwissenschaft und Deutschland-Korrespondent für ein Nachrichtenmagazin in Südkorea, hat die Petition ins Leben gerufen. Mittlerweile hat er dafür über 32.000 Unterschriften gesammelt. Besonders in Südkorea und Japan ist man empört über die Darstellung.

Herr Gang, was genau missfällt Ihnen am Werbespot? 

Sung Un Gang: Alle Asiatinnen, die länger in Deutschland gelebt haben, sehen das Problem an der Werbung sofort. Die asiatische Frau steht im krassen Gegensatz zu den anderen Protagonisten. Sie wird als die "Andere" dargestellt, auch weil sie eine andere Kulisse, nämlich die asiatische Stadt, hat. Hornbachs Zielgruppe sind die Männer im Garten. Die Frau wird als Sexobjekt herabgewürdigt. Es ist eine komische Mischung aus Sexismus und Rassismus, die asiatische Frauen sehr oft in Deutschland erleben. Dass sie einer unterrepräsentierten Minderheit angehören hat Hornbach ausgenutzt. 

Wie meinen Sie das?

Sung Un Gang: Ist das eine würdevolle Darstellung? Man kann sich anstelle der Asiatin keine Muslima oder Jüdin oder etwa ein Kind vorstellen. Bei jeder anderen Minderheit hätte dieser Werbespot einen Riesenskandal ausgelöst. Aber der Gedanke, dass Asiatinnen Ziel von Rassismus sein könnten, fehlt in Deutschland komplett, auch in den Medien. Die haben viel nachzuholen. Dabei ist die deutsche Mehrheitsgesellschaft multitaskingfähig, was Rassismus angeht. Da hat Deutschland ein sehr großes Problem. Freundinnen von mir sind auf offener Straße belästigt worden. Und diese Werbung verstärkt das noch.

Wie kam es dazu, dass Sie die Petition gestartet haben?

Sung Un Gang: Eine Freundin hat es mir vorgeschlagen. Davor hatte ich schon Kontakt mit Hornbach, aber zu einem gewissen Zeitpunkt haben sie aufgehört, mir zurückzuschreiben. Ich hatte erst offen über Twitter mit Hornbach kommuniziert. 

Worum ging es da genau?

Sung Un Gang: Ich hatte zwei konkrete Fragen. Zum einen hat Hornbach ja auf Twitter behauptet, es ginge nicht explizit um diese Asiatin, sondern der "Frühjahrsgeruch" wäre für alle Menschen gedacht. Es gibt zwar eine andere Version, aber da fehlt komplett der Kontext. Statt schweißgebadeten Männern, Automat, und einer grauen Stadt sieht man nur drei weiße Menschen in Nahaufnahme, wie sie an etwas riechen und dabei glücklich lächeln. Nicht mal der Werbespruch ist drin. Man zeigt gar nicht, ob das, an was sie da schnüffeln, eine verdreckte Unterwäsche ist. Die andere Version läuft auch nur auf Facebook, so dass weniger als 10.000 Menschen sie auf Facebook gesehen haben. Zum anderen habe ich gefragt, warum bei dem Testscreening für den Spot kein einziger Mensch ein Problem damit hatte. War da keine asiatische Person bei dem Testscreening anwesend? 

Mittlerweile hat Hornbach ja Gesprächsbereitschaft signalisiert und zu einem "Dialog auf Augenhöhe" eingeladen. Auch nachdem der Hashtag #Ich_wurde_geHORNBACHt viral ging. Waren Sie dort? 

Sung Un Gang: Das war keine Einladung. Das hat Hornbach nur so aussehen lassen. Wir hatten weniger als 24 Stunden Zeit zu reagieren. Außerdem war dieses Gespräch nicht in einer deutschen Großstadt, sondern fand in Bornheim statt. Soweit ich weiß, waren drei Asiatinnen dann tatsächlich da. Aber Hornbach kennt sich in der deutschen Medienlandschaft besser aus als ich. So können sie kommunizieren: "Hornbach reagiert schnell und zeigt Haltung." 

Aber die Werbung läuft immer noch.

Sung Un Gang: Am Anfang habe ich noch gedacht, dass Hornbach den Fehler einsehen wird. Aber nach diesem angeblichen Gespräch wurden wir nur belehrt, dass wir die Werbung falsch interpretieren. Sowas brauchen wir nicht. Hornbach fehlt komplett das kritische Bewusstsein.

Wie geht es jetzt weiter?

Sung Un Gang:Es gibt mittlerweile auch genug Frauen, die bereit sind, mit ihren Erfahrungen in die Öffentlichkeit zu gehen. Mich hat die Werbung ja auch getroffen, aber ich habe nicht die gleiche Diskriminierung erlebt wie asiatische Frauen. Die Petition ist mittlerweile in sechs Sprachen übersetzt. Hornbach ist in Korea und Japan jetzt ein Begriff für deutschen Rassismus. 

Tatjana Lee (46) ist in Deutschland geboren und arbeitet Pfaffenhofen als bildende Künstlerin. Ihre Mutter kam in den 1970ern für ein Studium aus Korea. Sie unterstützt die Petition. 

Frau Lee, wie finden Sie den Werbespot? 

Tatiana Lee: Ich habe den Anfang erst nur im Internet mitbekommen, aber nicht weiter darauf geachtet. Abends im Fernsehen habe ich dann den ganzen Spot gesehen. Mir blieb der Mund offen stehen. Ich war schockiert, dass sowas im deutschen Fernsehen möglich ist. Das war ein wirklich komisches Gefühl. Die Message ist subtil rassistisch und sexistisch, der Spot hat eine explizit diskriminierende Seite. Auch meine Töchter waren total baff. Ich bin dafür, dass man sich aufregen sollte. Auf sachliche Art und Weise.

Wie sehen Sie die Erklärung von Hornbach, eine Asiatin ist eine rein zufällige Figur? 

Tatiana Lee: Die Leute von Hornbach und Heimat denken, das Thema ist gegessen, indem man den Asiaten erklärt, sie hätten die Werbung falsch verstanden und der Fehler läge bei ihnen. Dabei sprechen sie uns unsere Wahrnehmung der Realtität ab: "War doch nur Spaß." Gaslighting heißt das in der Psychologie. Im Internet haben sie nun Personen gezeigt, die sie wohl probehalber aufgenommen haben. Aber die sind nicht in der gleichen Kulisse und sie sehen auch nicht so sexuell berauscht aus. Die Stadt soll auch multikulturell sein, man erkennt aber deutlich, dass sie japanisch geprägt ist.

In Asien ist jetzt die Aufregung groß. 

Tatiana Lee: Die Wirkung in Asien wurde von Hornbach komplett unterschätzt. In den Medien in Korea, Japan und auch Taiwan ist das aber ein großes Thema. In Südkorea kam es schon in den PrimeTime News um 21 Uhr. Das wäre wie bei uns in der Tagesschau.

Deutsche haben aber Probleme, den Rassismus überhaupt zu erkennen. 

Tatiana Lee: Diese Klischee-Bilder, die manche Deutsche von Asiatinnen haben, werden wieder hervorgeholt: Die Asiatin als Sexobjekt, als Prostituierte oder  Heiratswillige. Viele verstehen die Idee hinter dem Spot auch nicht. In Japan gab es einmal einen Automaten, aus dem man sich gebrauchte Frauen-Höschen kaufen konnte. Der wurde aber schnell wieder verboten. Aber selbst wenn es ihn noch gäbe, ist es doch bizarr, zu behaupten, die Frau in der Werbung agiert selbstbestimmt. Eine Frau, die jemandem sexuelle Gewalt antut, würde man ja auch nicht als sexuell selbstbestimmt bezeichnen. 

Fördert die Werbung Rassismus gegen Asiatinnen? 

Tatiana Lee: Ich habe sexistischen Rassismus in Deutschland nicht selbst erlebt. Alltagsrassismus gegen meine Mutter hingegen schon. Sie wurde zum Beispiel oft später bedient als andere. Einmal hat sie mir eine Entschuldigung für die Schule geschrieben. Eine Lehrerin hat ihr dann gesagt, dass man in Deutschland nur ein "Dr." vor den Namen setzten darf, wenn man promoviert hat. Dabei hat meine Mutter erfolgreich Medizin studiert. Mit den Jahren haben sich die Vorurteile gebessert. Ich glaube auch, weil viele Asiaten zum Studieren nach Deutschland gekommen sind.

Werden Sie mittlerweile auf die Werbung angesprochen? 

Tatiana Lee: Es gibt auf instagram Kommentare. Dann erkläre ich, warum der Spot abwertend ist. Als Deutsche wollen wir ja auch nicht auf Bierbauch, schlechte Hygiene und fehlendes Feingefühl reduziert werden.