Visuelles Abenteuer

Das Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt zeigt die faszinierende Ausstellung „Reflections – Spiegelwelten“

10.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:44 Uhr

Optische Täuschungen: Blick auf die Werke von Claudia Wieser, Hellmut Bruch, Gerold Tagwerker und Julia Schewalie. Foto: Weinretter

Von Katrin Fehr

Ingolstadt – Da schimmert, schillert, glänzt, leuchtet es. Da bricht sich das Licht effektvoll in kleinsten Aluminiumwaben oder spiegelt sich einfach in Wasserpfützen. Da wabern Seifenblasen und drehen sich Lichtröhren. Da werden Ausstellungskojen – extra in unterschiedlicher Wandfarbe bemalt – zu Illusionsräumen und Räume zu so etwas wie Infinity-Landschaften. „Reflections–Spiegelwelten“ heißt die neue Ausstellung im Museum für Konkrete Kunst (MKK) in Ingolstadt. Die erste von Mathias Listl als Kurator am MKK und als Premiere gleich ein Meisterstück.

Aus dem gut und bedeutend bestückten Sammlungsdepot und mit zahlreichen Leihgaben von Galerien und Privatsammlern hat Listl eine Schau konzipiert, die dem Thema in ästhetischer, in künstlerischer, inhaltlicher und philosophischer Hinsicht nachspürt. Die das unterschiedliche, aber stets schimmernde Material, die mehr als 30 Künstlerinnen und Künstler, deren Werke – und nicht zuletzt das Museum und die Besucher effektvoll in Szene setzt. Da ergeben sich unerwartete Ansichten. Unbedingt auch mit dem Aufzug fahren! Da wird mit den Räumlichkeiten gespielt ebenso wie mit der Sinneswahrnehmung der Besucher, deren Blick geschärft werden soll, und die zu einem wichtigen Teil der Kunstwerke werden. Damals bereits in einer analogen Zeit – und heute mit dem Smartphone in der Hand umso mehr. Gedoppelt sozusagen. Der Betrachter im Werk und nun im Werk auf einem Foto. Was will man als Kunstfreund, als Selfie-Fan mehr!

Listls umfassender Blick auf die spiegelnden Kunstwerke reicht von Ende der 50er Jahre bis in die Gegenwart, beginnt mit den Pionieren, wie Heinz Mack, Getulio Alviani oder Christian Megert, die schimmernden Materialien als eingenständige Werkstoffe und konzeptuellen Ausgangspunkt für ihre Werke etablierten.

Enorm ist die Bandbreite an Materialien durch die Jahrzehnte: Spiegelfolie und Acrylglas (Ludwig Wilding), Kunststofffolie (Rolf Glasmeier), glänzende Autolacke (Camill Leberer und Christoph Dahlhausen), PMMA, transparenter thermoplastischer Werkstoff, (ein in allen Farben leuchtendes Objekt von Sali Muller), Hohlspiegel (Adolf Luther), eingefärbtes Glas (Bettina Bürkle), Smartphones (Hubertus Hamm) oder CD-Rohlinge (Julia Schewalie).

Die perfekte Illusion gelingt Getulio Alviani mit „Cerchi virtuali“, zwei Halbformen, die erst im Spiegelbild zu einem Ganzen werden. Der Fotografie ist ein eigenes Kapitel gewidmet, weil diese, selbst oft ein Spiegel der Welt, noch zusätzlich mit optischen Reizen und Lichtreflexionen spielt.

Herzstück der Schau ist der schwarze Raum mit den Werken von Heinz Mack. Der Mitbegründer der Künstlergruppe Zero ist unter anderem mit seiner gigantischen und beeindruckenden Werk „Paravent für Nanette“ vertreten. Mit Aluminiumnetzen und Acrylglasscheibe gelingt ihm eine verblüffende und changierende Dynamisierung des Lichts.

Im oberen Stockwerk adelt Jan Schmidt mit 30000 Glasträgern im Fischgrätenmuster den schnöden Kunststoffboden. Verwandelt ihn in ein mal schwebendes, mal schwimmendes Parkett, schafft einen sphärischen Raum, in dem sich Tageszeit und Jahreszeiten spiegeln. So gar nicht königlich fühlt sich der Betrachter aber vor Hubertus Hamms „Portrait IV“, einer spiegelnden Platte aus reinem Gold. Das Edelmetall ist nicht blank poliert.

Und so geht es in dieser umfassenden Schau um Schein und Sein, um Verzerrung und Fragmentierung der von uns wahrgenommen Realität, um Illusion und die Verneinung derselben, um Selbstbespiegelung und Eitelkeiten. Um den Blick zurück, reflektierend, selbstvergewissernd. Aber auch um neue Perspektiven.

DK


Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt: bis 5. März 2023, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr.