„Vielleicht tanzen die Leute ja auch“

Felix Glombitza und Masha Dimitrieva begeben sich auf eine Reise durch die Epochen: „Orgel rockt Piano“

11.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:20 Uhr

Im Zentrum des musikalischen Dialogs von Felix Glombitza und Masha Dimitrieva steht die Fantasie über das Studentenlied „Gaudeamus igitur“ des Ingolstädter Komponisten Igor Loboda. Foto: privat

Ingolstadt – Ein Konzert mit Orgel und Klavier hat man in Ingolstadt bisher wohl nur selten zu hören bekommen. An dieses außergewöhnliche Experiment wagt sich die Pianistin Masha Dimitrieva gemeinsam mit dem ehemaligen Musikpädagogen und Chorleiter Felix Glombitza im Rahmen des Jubiläums „550 Jahre Landesuniversität Ingolstadt“. Am Donnerstag, 14. Juli, präsentieren die Künstler um 19 Uhr in der Kirche St. Matthäus eine raffiniert ausgewählte Mischung zwischen den Musikstilen aus vergangenen Jahrhunderten und der heutigen Zeit unter dem Motto: „Orgel rockt Piano“.

Herr Glombitza, wie kam es für Sie beide zur Verbindung dieser zwei Instrumente?
Felix Glombitza: Belegt ist diese Kombination natürlich hauptsächlich von Franzosen. Von deutschen oder russischen Komponisten gibt es sowas eigentlich nicht. Das ist etwas ganz Besonderes.

Was macht für Sie den Reiz dieses Zusammenklangs aus?
Glombitza: Eigentlich ist das eine Kombination, die, wenn man es genau nimmt, erstmal nicht richtig zusammengeht. Es sind zwei Tasteninstrumente: Die Orgel, die einen Ton aushalten kann, das Klavier, das den Ton völlig anders artikuliert. Auf der Orgel habe ich keine Dynamik, ich kann sie nur durch Registration herstellen. Auf dem Klavier habe ich dagegen viele Anschlagsvarianten, aber logischerweise keine Registriermöglichkeiten. Das ist eine große Herausforderung, der wir uns gestellt haben.

Wie setzen Sie die hier in dieser Kirche räumlich-akustisch um?
Glombitza: Beim Auftragswerk von Igor Loboda mussten wir sehen, wie wir das überhaupt verwirklichen. Nach ein paar Proben ohne Hilfsdirigent kam dann schon manchmal die Verzweiflung in uns hoch, weil wir einfach zu weit auseinander sitzen. Man darf nicht vergessen, dass die Orgel (Anm. de Red.: oben auf der Empore) ungefähr 20 Meter vom Klavier (Anm. d. Red.: unten vor dem Altarraum) entfernt ist, was allein schon eine akustische Verzögerung bei jedem zur Folge hat. Wir wissen zum Beispiel auch gar nicht: Wie kommt das jetzt beim Zuhörer an? Mischt sich das jetzt schon? Letztendlich haben wir auch das zusätzliche Problem, dass wir momentan noch auf einem E-Piano proben und den Flügel erst zwei Tage vor dem Konzert bekommen. Der klingt dann wieder anders. Vielleicht muss ich dann nochmal ein bisschen umregistrieren, nochmal mehr oder weniger geben. Das alles wissen wir noch nicht. Das macht die ganze Geschichte enorm spannend. Man darf sich nie verlieren. Das ist eine ganz besondere Erfahrung für uns beide. Deshalb sind wir sehr glücklich, dass Oliver Scheffels, Kirchenmusikdirektor an St. Matthäus, sich bereiterklärt hat, uns als Hilfsdirigent zu unterstützen.

Was erwartet die Zuhörer hinsichtlich des Programms?
Glombitza: Zunächst spielt jeder ja auch ein Soloprogramm. Die Kompositionen sind möglicherweise auch in den Zeiten, in denen die Uni gegründet wurde, oder später in der Barockzeit erklungen. Wir wissen es nicht. Es sind nicht unbedingt Werke von hiesigen Komponisten. Aber sie haben zu diesen Zeiten gelebt, waren oft fahrende Musiker. Insofern beleuchtet unser Programm dieses ganze Werden der Zeit ab der Spätrenaissance. Das erste Stück, das ich spiele, ist noch rein manualiter, kommt also völlig ohne Pedal aus. Erst in der Hochbarockzeit spielt das Pedal eine große Rolle in der Orgelmusik. So tasten wir uns durch die Jahrhunderte. Man muss dieses Programm auch hinsichtlich dessen sehen, dass darin studentisches Leben zum Ausdruck kommen soll. Insofern ist „Spiegel im Spiegel“ von Arvo Pärt ein ganz besonderes Werk. Es führt die Zuhörer zurück zur Ruhe, zur Besinnung, zum Nachdenken, zur Meditation. Es ist ein technisch eigentlich anspruchsloses Stück, das mit minimalistischen Mitteln arbeitet und eine zehnminütige Klangraum-Erweiterung in der Kirche darstellt. Wir haben es ganz bewusst ausgesucht, weil man es wunderschön mit Klavier und Orgel machen kann, obwohl es eigentlich für Klavier und Cello oder Violine geschrieben ist. Dann geht es studentisch-lustig weiter: Ich interpretiere eine Rumba, die allerdings keine echte Rumba ist, sondern eher eine Samba, weil ich sie dreimal so schnell spiele. Das gefällt mir unheimlich gut. Es soll ein bisschen das studentische Leben dokumentieren. Peter Planyavsky, der Komponist des Stücks „Toccata alla Rumba“, war ja auch Hochschullehrer. Insofern passt es.

Für das zentrale Werk haben Sie eine Uraufführung initiiert und den Ingolstädter Komponisten Igor Loboda beauftragt, ein Stück zu schreiben.

Glombitza: Dafür haben wir das Studentenlied „Gaudeamus igitur“ ausgewählt, worüber er eine Fantasie für Klavier und Orgel verfasst hat. Ein sehr fulminantes, lustiges, tänzerisches, besinnliches Werk. Alles ist da drin. Wir haben es im Laufe unserer gemeinsamen Übungszeit richtig schätzen und lieben gelernt. Vorneweg singt der Männergesangverein Unsernherrn das Lied im Original. Und die Anklänge an das Weihnachtslied „Stille Nacht“ am Schluss entlocken einem ein Lächeln. Zu guter Letzt kommt ein Ragtime von Scott Joplin, den er eigentlich für Musikwalzen geschrieben hat. Dazu hat man natürlich getanzt, es war eine unheimlich fröhliche Musik der Schwarzen in Amerika. Die Orgel macht dazu ihr improvisatorisches Drumherum, es soll auch ein bisschen wie Kinoorgel, Zirkusorgel oder Rummelplatzorgel klingen. Vielleicht tanzen die Leute ja auch im Konzert, das wäre natürlich ein traumhaftes Ende. In einer Kirche! (lacht)

Sie haben das Konzept vorab testweise im privaten Freundeskreis aufgeführt. Wie wurde es angenommen?
Glombitza: Hervorragend! Die Leute waren begeistert. Sie hätten sogar beinahe Eintritt bezahlt. Wir haben nur total gute Kritiken bekommen. Da konnte man uns natürlich auch beide sehen. Und insofern merkte man auch, was da für ein körperlicher Einsatz dahinter steckt. Es war ein wunderschöner Vormittag in Form einer Matinee.

DK

Das Gespräch führte Heike Haberl.