Treppen zur Kunst

„Kunst vor Ort“: Der BBK zeigt in einer virtuellen Galerie Kunstprojekte in Ingolstädter Wohnanlagen – Fotos von Johannes Hauser

20.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:19 Uhr

Zwischen Treppenstufen: Blick in die virtuelle Ausstellung „Kunst vor Ort“. Foto: Screenshot

Von Jesko Schulze-Reimpell

Ingolstadt – Treppenhäuser sind kein Ort, an dem man sich gerne lange aufhält. Sie sind Durchgangsstrecken. Man steht dort nicht, man geht: vom Eingang in eine Wohnung, von oben nach unten oder hinauf, von außen nach innen oder umgekehrt. Im Grund befindet man sich in der Diagonale, irgendwie zwischen den Dimensionen, in einem unheimeligen Zwischenreich.

In Ingolstadt sind nun die Treppenhäuser Gegenstand einer virtuellen Fotoausstellung des BBK mit dem Titel „Kunst vor Ort“. Die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt (GWG) hat in den vergangenen Jahren bei Instandsetzungsarbeiten 15 Treppenhäuser im Wohngebiet an der Schiller- und Niemeser Straße von Künstlern des BBK neu gestalten lassen. Der Ingolstädter Fotograf und Redakteur unserer Zeitung, Johannes Hauser, hat die künstlerischen Arbeiten umfangreich dokumentiert. Ein kleiner Teil der Fotos wird nun ausgestellt – in einer informativen und optisch schön gestalteten Ausstellung im Internet. Bequem auf dem Sofa kann der Betrachter durch die virtuellen Räume gleiten, sich den Bildern nähern, die Infotafeln lesen und erfahren, wie vielfältig Treppenhäuser aussehen können.

Wobei, so vielfältig auch wieder nicht. Denn zahlreichen Künstlern ist ein bestimmter Gedanke gekommen bei der kreativen Verarbeitung des Themas Treppenhaus: Sie wollten außen und innen verbinden, die Natur draußen künstlerisch ins Innere transportieren. Die Wege dahin sind allerdings unterschiedlich. Unter dem Titel „Mikrokosmos“ etwa lässt Jürgen Schulze Blumen und Insekten einer Wiese an den aufstrebenden Wänden der Niemeser Straße 11 bunt aufleben. Auch der Ingolstädter Künstler Bodo Rott will die Natur ins Hausinnere ziehen und führt die Vegetation wie eine Girlande die Treppe hinauf. Ähnlich gehen auch Fredrik Lindqvist in der Schillerstraße 64 und Hanni Goldhardt in der Niemeser Straße 6 vor, die Blüten und Blätter über die Wände wuchern lässt. Auch die Arbeiten anderer Künstler wirken vegetativ – und sind es doch nicht. Etwa Werner Kapfer, der den Räumlichkeiten in der Schillerstraße 58 Leichtigkeit durch eine angenehme, warme Farbgebung verleihen möchte. Er erreicht das auch dadurch, dass er die Farben nach oben hin heller malt. Frühlingshafte Freundlichkeit verströmen die Arbeiten von Karin Roth in der Schillerstraße 68, während Norbert Zagel in der Niemeser Straße 4 Gedichte unter die Treppenstufe heftet, sodass sie beim Gang nach oben oder unten gelesen werden können. Manche Künstler zieht es eher zur Objektkunst wie etwa Tom Neumaier, der ein „kleines Treppenhausmuseum“ in der Schillerstraße 56 installiert hat. Der Möglichkeiten sind kaum Grenzen gesetzt, und was man in der kleinen Ausstellung zu sehen bekommt, ist Ausdruck überbordender, vielfältiger Fantasie.

Johannes Hauser bildet das alles mit Sympathie ab, wirft einen Blick über die Schultern der 17 Künstler, während das Werk noch im Entstehen begriffen ist. Und er zeigt auch das fertige Resultat – und zwar immer wieder im Zusammenhang mit den örtlichen Gegebenheiten, zwischen Stufen, Wänden, engen Gängen und Treppengeländern. Allein das geht über eine rein dokumentarische Auswertung hinaus, macht aus Kunst wieder Kunst – fotografische Meisterwerke.

So ist die Schau in doppelter Hinsicht ein Gewinn – als Blick auf spannende Arbeiten von 17 regionalen Künstlern und zugleich auf die formschönen Perspektiven der Lichtbilder Johannes Hausers.

DK


Noch bis 23. März unter https://artspaces.kunstmatrix.