Thema Pflegenotstand

Sascha Ferschs Stück „Dekubitus“ hat im Altstadttheater Ingolstadt Premiere

08.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:36 Uhr

In „Dekubitus“ wird der Pflegenotstand in Deutschland verhandelt: Veronika von Quast, Katrin Wunderlich und Robert Gregor Kühn (von links) spielen in der neuen Produktion des Altstadttheaters. Foto: Wobker

Von Anja Witzke

Ingolstadt – Dekubitus oder Wundliegen bezeichnet einen Hautschaden, der durch anhaltenden Druck auf eine Körperstelle entsteht. „Dekubitus“ heißt auch das neue Stück von Sascha Fersch, das er im Auftrag des Altstadttheaters geschrieben hat – über den Pflegenotstand in Deutschland. „Der Untertitel heißt: eine Gesellschaft mit Lagerschaden, weil wir uns an dem Problem schon wundgelegen haben. Seit Jahren tragen wir das Thema Pflegenotstand mit uns herum. Aber wir finden nicht die richtigen Mittel, es zu lösen“, sagt der Autor, der zugleich auch Regie führt. Am Donnerstagabend ist Premiere.

Er hat zunächst gründlich recherchiert: Studien gelesen, mit Pflegekräften gesprochen, sich mit Fragen über Pflegeversicherung, Pflegeschlüssel und Finanzierung befasst. Was sagt die Politik? Wie ist die Situation der Pflegekräfte? „Ich dachte mir, da könnte man ansetzen und die Schraube weiterdrehen: Das Problem ist ja auch, dass Politiker und Pflegende nicht miteinander reden – oder nur in Talkshows“, erklärt Sascha Fersch. „Also wollte ich eine künstliche Situation schaffen – und im Theater darf man alles –, wo sich die zwei nicht aus dem Weg gehen können.“

In seinem Stück besucht die Politikerin Manuela Ganter ihre demente Mutter im Pflegeheim. Ständig klingelt ihr Telefon, denn sie soll als Teil der neu gewählten Regierung einen Ministerposten bekommen. Der Pfleger Enrico bekommt das mit und sperrt sich mit der Politikerin kurzerhand im Zimmer ein.

Inspiration für die Figur des Pflegers war der Berliner Intensivpfleger Ricardo Lange. Er wurde deutschlandweit bekannt, als er von Jens Spahn zur Bundespressekonferenz eingeladen wurde und dort über den ganz normalen Alltag im Krankenhaus sprach: die katastrophalen Arbeitsbedingungen, die permanente körperliche und emotionale Überlastung, den unerträglichen Personalmangel. Später schrieb er auch ein Buch darüber („Intensiv“).

„An seinem Duktus habe ich mich ein bisschen orientiert, denn er spricht die Dinge direkt an“, erklärt Sascha Fersch. Robert Gregor Kühn wird in die Rolle des Pflegers schlüpfen. Die Politikerin spielt Katrin Wunderlich. Und als deren demente Mutter wurde Veronika von Quast engagiert, bekannt vor allem aus der BR-Sketchshow „Kanal fatal“. „Ich kenne sie schon länger aus der Münchner Theaterszene. Sie ist eine außergewöhnliche Schauspielerin und ich hatte sie schon früh beim Schreiben im Kopf. Sie ist meine ,Wildcard‘. Die Figur im Stück ist ja dement, also immer wieder spontan anders, mal zurückgezogen, mal ein bisschen verrückt. Dadurch ergeben sich immer wieder neue, absurde Situationen.“

Darf man denn lachen bei so einer ernsten Thematik? „Grundsätzlich ist lachen befreiend“, sagt Sascha Fersch. „Gerade wer in der Pflege arbeitet, kann vielleicht belastende Situationen in dieser Form besser reflektieren und verarbeiten. Ich hoffe, dass meine Inszenierung zeigt, dass das Leichte und das Schwere ganz nah beieinander liegen. Wichtig ist, dass das Problem gesehen wird. Deshalb hoffe ich, dass auch Leute aus Pflegeberufen kommen, die sagen: Das ist toll, dass wir mal eine Stimme bekommen, die über Klatschen auf dem Balkon hinausgeht.“

DK


Premiere ist am Donnerstag, 10. November, um 20.30 Uhr im Altstadttheater. Weitere Termine bis Januar 2023. Karten gibt es unter kontakt@altstadttheater.de oder telefonisch unter (0176) 32607265.