Großartiger Entertainer

Jazztage: Jamie Cullum liefert eine faszinierende Show ab – doch die Technik im Festsaal macht es ihm schwer

08.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:36 Uhr

Mit Sprungkraft: Sänger und Pianist Jamie Cullum im Festsaal des Stadttheaters Ingolstadt. Foto: Woelke

Von Katrin Poese

Ingolstadt – Jamie Cullum und seine Band machen beim Headliner-Konzert am Montagabend alles richtig: Sie spielen hervorragende Musik, das Programm ist professionell durchgetaktet, es bietet Wahnsinnsstimmung, aber auch bezaubernde ruhige Momente. Die Musiker erweisen sich als gute Solisten, die Arrangements sind einfalls- und abwechslungsreich, es gibt nahbaren Plausch mit dem Publikum, Mitsing-Passagen, Choreografien und Jamie Cullums berühmte Stunt-Einlage, den Sprung vom Flügel. Es passt wirklich alles – außer der technische Sound im Festsaal des Theaters. Und der kann am Ende viel zunichtemachen.

In diesem Text soll es natürlich um Jamie Cullum gehen – schließlich ist der 43-jährige Star bei einer solchen Leistung allen Lobes wert. Doch es braucht auch Raum für die zunehmend ratlos machende Frage, warum der Sound bei den Jazztage-Konzerten im Festsaal eigentlich wiederholt solche Probleme macht. Am Anfang des Konzertes klingt die Stimme des britischen Songwriters, Sängers und Pianisten so schneidend, dass es in den Ohren schmerzt – und zwar überall im Parkett mit den Stehplätzen. Den Flügel wiederum hört man kaum, wenn die ganze Band loslegt. Stattdessen wabern störende, laute Reflexionen von Bass und Drums durch den Raum, ihre Wucht ist in der Magengegend deutlich zu spüren und sie zerwummert alles zu einem Klangbrei.

Deswegen geht die Strategie von Jamie Cullum und seiner Band, mit den ersten Stücken gleich Tempo, Druck und Stimmung zu machen, auch nur teilweise auf. Sowohl der Song „Taller“ aus dem gleichnamigen Album von 2019 als auch „Get Your Way“ vom älteren Album „Catching Tales“ sind eigentlich eingängig, doch hier schälen sich die vertrauten Riffs kaum heraus.

Etwas besser wird es erst beim sechsten Stück des Abends, „I Get A Kick Out Of You“, das Jamie Cullum am Anfang seiner Karriere zusammen mit vielen anderen Standards oft performt hat. Hier hat sich die Band für ein Akustik-Jazz-Arrangement mit Kontrabass, Konzertgitarre, Tenorsax und Jazzbesen auf den Drums entschieden – jetzt verursacht der Sound keine Schmerzen mehr, verdient aber dennoch maximal die Schulnote 3. An dem langen Trompetensolo (Rory Simmons), begleitet nur von einem swingenden Walking Bass (Loz Garratt), kann man sehen, dass es eindeutig nicht an den Musikern liegt.

Sie sind alle großartig, präsent, experimentierfreudig. Die Background-Sänger Aisha Stuart und Marc Henderson geben alles, tanzen und machen Stimmung. Tom Richards, der zwischen Saxofon, Percussion und Tasteninstrumenten wechselt, ist ein musikalischer Tausendsassa. Gitarrist Tom Varrall spielt hinreißende Soli. Die Leistung des Drummers Neal Wilkinson geht leider weitgehend im Klangbrei unter, scheint aber ebenfalls gut zu sein.

Die Show ist zum Glück so hochwertig, dass sie sich trotz der völlig unangemessenen Sound-Mängel – zu denen auch wiederholte Übersteuerungen und Feedbacks gehören – trotzdem durchsetzen kann und viel Applaus bekommt. Jamie Cullum covert Ed Sheerans „Shape Of You“ in einer lasziven, bassigen Version und spielt dazu Percussion auf dem Flügel. Er erklettert unter Jubel sein Instrument.

Soundbedingt besonders schön geraten die ruhigeren Momente des Konzerts: Jamie Cullum allein am Flügel, singt und spielt „All At Sea“ und „What A Difference A Day Made“ – hier werden seine Qualitäten so richtig sichtbar, sein kreatives Klavierspiel, das sich zwischen Pop und Jazz bewegt, die anschmiegsame Kratzigkeit seiner Stimme, sein Gefühl für Songs und Melodien, das seine Interpretationen aus der Masse der Sänger heraushebt. Oder der Moment, als die ganze Band sich am Bühnenrand versammelt um eine A-cappella-mit-Kontrabass-Version des Gospelsongs „Mankind“ zu performen. Das ist wirklich bewegend, genau wie die Mitsing- und Mittanz-Momente im Programm. Cullum ist ein großartiger Entertainer.

DK