Von Roland Holzapfel
Ludwigshafen – Ein Kind, das völlig ausrastet, wenn es seinen Willen nicht bekommt, wild herumbrüllt, zu gewalttätigen Ausfällen neigt und seine Umwelt heillos überfordert. Wie man dieses heikle Thema herausragend bearbeiten kann, hat der vielfach ausgezeichnete Streifen „Systemsprenger“ gezeigt. Dass man es auch erheblich schlechter machen kann, zeigt der neue „Tatort“ aus Ludwigshafen.
In der „Marlon“ betitelten Folge stirbt der gleichnamige Bub durch einen Treppensturz im Schulhaus. Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) sind schnell überzeugt davon, dass dies kein Unfall war. Angeeckt ist der knapp Neunjährige überall: Mitschüler, Lehrer, Eltern – keiner kam mit Marlon klar. Einzige Ausnahme: Sozialarbeiter Anton Leu (Ludwig Trepte), ein Empath vor dem Herrn.
Odenthal braucht nicht lange, um mal wieder die zornige Moralinstanz rauszukehren und bei der Tätersuche sämtliche Klischees zu bedienen. Sie schießt sich auf den unsympathischen Vater eines Mädels ein, das mit Marlon übel aneinander geraten war. Und auch der Hausmeister gäbe einen guten Kindsmörder ab, findet Frau Kommissarin. Beide behandelt sie in den Verhören schon mal prophylaktisch wie Schwerstverbrecher. Von der weniger impulsgesteuerten Johanna Stern, die als alleinerziehende Mutter zweier Kinder oft ebenfalls sehr betroffen dreinblicken muss, lässt sie sich in ihrem Furor kaum bremsen.
Das eigentlich brisante Thema – wie wird ein Kind zum Sprenger des Erziehungssystems, wie soll die Gesellschaft mit solch unkontrollierter Aggression umgehen – behandelt dieser Krimi wortreich, man könnte auch sagen: geschwätzig. Der Erkenntnisgewinn bleibt dabei leider überschaubar. Dass zum Finale ein weiteres menschliches Drama seinem Höhepunkt auf dem Schuldach entgegenstrebt, sorgt zumindest für einen halbwegs versöhnlichen Schlusspunkt dieses „Tatorts“, der dennoch einer der schwächsten des bisherigen Jahres 2022 ist.
DK
Der „Tatort“ läuft am Sonntag, 8. Mai, um 20.15 Uhr in der ARD.
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