„In mir drin ein Hemingway“

Ingolstädter Literaturtage:Romy Hausmann liest aus „Perfect Day“

28.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:48 Uhr

Im Trafohaus auf dem Kavalier Dalwigk: die Bestsellerautorin Romy Hausmann zwischen Moderator Dirk Kruse (rechs) und Musiker Matze Semmler. Foto: Brandl

Von Michael Brandl

Ingolstadt – Der eigene Vater – ein angesehener Philosophieprofessor noch dazu – soll ein seit vielen Jahren gesuchter Mädchenmörder sein? Für Tochter Ann, als Kind vom Papa lieb „Käferchen“ genannt, scheint das unvorstellbar. Sie will die Wahrheit herausfinden, als Walter Lesniak verhaftet wird, und sieht dabei ins hässliche Antlitz der menschlichen Psyche. Romy Hausmann, seit vier Jahren zuverlässige Bestseller-Produzentin, hat diesen spannenden und psychologisch fein konzipierten Plot für ihren dritten Thriller „Perfect Day“ erdacht, aus dem sie im Rahmen der Ingolstädter Literaturtage vorliest. Das Setting passt dazu ebenso perfekt: Schaut das Publikum nach rechts aus dem Fenster des Trafohauses auf dem Kavalier Dalwigk, erhebt sich dort der alte Wasserturm mächtig und gespenstisch hinauf in die gewittergraue Abenddämmerung. Drinnen stimmt ein melancholischer Blues, vorgetragen auf der Gitarre, auf den Trip durch die Abgründe der Seele ein.

Doch dann wird es zunächst nicht spannend, sondern es darf gelacht werden. „Habt ihr die kurzfristige Angst in den Augen gesehen, ich könnte jetzt zu singen beginnen“, fragt Hausmann, die auf dem Podium zwischen Moderator Dirk Kruse und Musiker Matze Semmler sitzt. Als auf den Plätzen mehrmals ein Handy ertönt, verrät sie, es sei das ihres Vaters. Ihre Mutter schicke ihm Nachrichten. Das Publikum ist amüsiert, das Eis gebrochen.

Ein Auftakt nach Maß für die unkonventionelle Autorin, die in ihren Psychothrillern lieber Motive wie Hoffnung und Liebe, Schuld und Vergebung ergründet, anstatt auf Blutvergießen und Gemetzel zu setzen. Hausmann schildert weder grausam inszenierte Morde, noch zitiert sie aus der abartigen Gedankenwelt eines psychopathischen Serienkillers. Ihre Protagonistin kommt der Lösung des Rätsels um den Vater vielmehr in einem Schnellrestaurant näher, wo 180 Grad heißes Fett den Angestellten den Schweiß aus den Poren treibt. Dort taucht Ann unter, um dem Dogma „Tochter eines Mörders“ zu entkommen. Um diese Atmosphäre im Roman möglichst dicht einzufangen, habe sie ein Praktikum in einer Burgerbude gemacht, sagt sie.

Fließbandarbeit sei nicht ihr Ding, lässt Hausmann wissen. „In mir drin bin ich ein alter Mann, ein Hemingway“, sagt sie und erklärt, dass sie in drei gut formulierte Sätze auch mal einen Vormittag investiere. „Ich will die Geschichte wachsen lassen, das braucht Zeit“, ergänzt sie. Auch sei sie keine Plotterin, die eine Geschichte wie einen Fahrplan aufbaue. Dafür sei der Thriller ein zu wunderbarer Spielplatz. „Ich weiß aber vorher, wer der Täter ist“, sagt sie.

Hausmann verschachtelt ihre Story in ein Konglomerat aus Erzählperspektiven, die den Leser auf unterschiedliche Fährten locken und so teilhaben lassen an der Geschichte hinter der Geschichte, die sich in „Perfect Day“ allmählich zu einem Albtraum entspinnt. Die gelernte TV-Journalistin fesselt ihr Publikum jedoch nicht nur, in dem sie es in die einzelnen Perspektiven eintauchen lässt. Sie zieht es mit einem hervorragend artikulierten Vortrag, der in seiner Lebendigkeit an ein Hörspiel erinnert, in den Bann.

Musikalisch umrahmt wird der Abend, bei dem auch die Stadtregierung samt OB Christian Scharpf stark vertreten ist, von Gitarrist Matze Semmler. Seine Eigenkompositionen der Stilrichtung Perkussive Fingerstyle finden bei den Zuhörenden viel Beifall. Vor allem in der zweiten Hälfte übernimmt die zweifellos hörenswerte Musik allerdings zu sehr die Überhand im Programm. Einige Male scheint es so, als wolle Hausmann sich mit den Musikeinlagen davor bewahren, zu viel Handlung preisgeben zu müssen. Ein, zwei Besucher nutzen die Zeit bis zur Signierstunde dann tatsächlich für ein Glas Wein auf der Terrasse des Dalwigk. Perfect Night über den Dächern von Ingolstadt – auch das ist eine faszinierende Perspektive an diesem ansonsten gelungenen Abend.

DK