„Es war so schön, weil alle neugierig waren“

Rampe, Mitmach-Programm, Theater in Hinterhöfen: Nach zehn Tagen Südwind zieht Festivalleiterin Julia Mayr Bilanz

08.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:25 Uhr

Die Rampe vor dem Theater war nicht nur ein Hingucker, sondern konnte befahren und bespielt werden. Sie bildete das Festivalzentrum mit einer kleinen Bühne für Konzerte und einem umfangreichen Mitmach-Programm. Auch das Schultheaterfestival war in das Südwind-Festival – oben eine Gruppe aus dem Reuchlin-Gymnasium – integriert worden. Julia Mayr (rechts) zieht Bilanz. Fotos: Herbert

Ingolstadt – Zehn Tage lang wirbelte das Südwind-Festival gehörig Staub auf – und brachte neue Ideen in die Stadt. Zehn Tage lang waren auf den Bühnen des Stadttheaters Ingolstadt außergewöhnliche Inszenierungen aus ganz Bayern zu sehen. Und zehn Tage lang war das junge Publikum eingeladen, mitzumachen – schon beim Bau der Rampe vor dem Theater, aber auch in Workshops und Diskussionen bis hin zum eigenen Spiel. Denn Partizipation war eins der großen Themen des Festivals. Mit dem „Finale Curioso“ ging am Freitag das 1. Bayerisches Theatertreffen für Junges Publikum zu Ende. Festivalleiterin Julia Mayr zieht Bilanz.

Frau Mayr, Zeit für eine kleine Bilanz: Wie ist das Festival gelaufen? 
Julia Mayr: Es ist wirklich toll gelaufen. Ich war zehn Tage in einer Art positivem Adrenalin-Rausch, weil vieles so gut aufgegangen ist und ich zahlreiche schöne Rückmeldungen bekommen habe. Ich bin vielen sehr beseelten Menschen begegnet. Ich bin selber immer wieder als Zuschauende durchs Festival gewandelt  und war begeistert von den vielfältigen Inszenierungen, der Rampe und dem unglaublichen „Mach mit!“-Programm, dem Theater in den Vierteln, der verwunschenen Garten-Oase auf der Terrasse des Theaterrestaurants, der Touch Tour, den Vorstellungen mit Gebärdendolmetscherin, den vielen mitwirkenden Kindern und Jugendlichen, dem schul.the.val und vor allem der großartigen, herzlichen Willkommensatmosphäre. Ich bin sehr stolz auf Südwind und auf uns alle.

Haben sich Ihre Erwartung bezüglich der Rampe und dem Mitmach-Projekten eingelöst?

Mayr: Die Rampe ist meiner Meinung der Coup von Südwind. Ein barrierefreier Zugang ins Theater und damit eine symbolische Brücke vom Theater zur Stadt. Ich glaube, die Rampe konnte ohne Worte zeigen, dass Theater kein Elfenbeinturm ist, sondern sich mit den Menschen der Stadt verbindet und einen Fantasieraum für alle zur Verfügung stellen kann. Mir hat es außerdem sehr gut getan, dass der architektonisch besondere, aber etwas in die Jahre gekommene Hämer-Bau durch die Rampe so wild und bunt aufgebrochen wurde. Ein wirklich starkes Zeichen eines Theater für und mit allen. Ich habe die Rampe von Anfang an geliebt. Sie hat alle Erwartungen erfüllt und ich finde, sie müsste unbedingt noch ein paar Wochen bleiben. Sie ist ein integrierendes Moment auf dem Theaterplatz und belebt die Innenstadt. 

Besonders gut hat es dem Festival getan, dass es ein kuratiertes Programm war. Wir haben wirklich spannende Formate und überraschende Inszenierungen gesehen. Was waren denn Ihre Highlights? 

Mayr: Ich hatte viele Highlights, denn alles war sehr unterschiedlich, was ja auch das Ziel war. Ein besonderes Erlebnis war für mich, Theater an ganz anderen Orten zu machen. Das hat hervorragend funktioniert, und ich möchte gerne die Kooperation mit der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft verstetigen. Es war so schön, weil alle neugierig waren, wir und die Bewohner an den jeweiligen Orten, an denen wir gespielt haben. Wir wurden beispielsweise am Spielplatz Buxheimer Weg oder auch an der Schwinge von sehr vielen Kindern begleitet, schon während des Aufbaus und der Proben, sie haben nachgefragt und auch geholfen. Ich denke, das war der Anfang einer aufkeimenden Beziehung zu einem neuen Publikum. Von den Inszenierungen ist mein Highlight „Schön anders“ von Ceren Oran. Wie man so vielschichtig ohne Sprache erzählen kann, hat mich sehr beeindruckt und emotionalisiert.

Haben Sie Inspirationen für den künftigen Spielplan des Jungen Theaters mitgenommen?
Mayr: Nächste Woche werde ich sicherlich den einen Regisseur oder die andere Regisseurin anrufen, um neue Zusammenarbeiten zu knüpfen. Und für unsere produktionsinternen Nachgespräche habe ich eine gute Feedback-Methode kennengelernt.

Bleiben die Sofas in den Zuschauerräumen?
Mayr: Ich fand die Sofas und andere Sitzgelegenheiten richtig toll, es schafft eine gute Atmosphäre im Zuschauerraum und macht ihn natürlich auch barrierefreier. Ich hab das schon auf meine Besprechungs-Liste gesetzt.

Anne Richter, die stellvertretende Intendantin der Münchner Schauburg, hat sich viel angeschaut. Die Schauburg wird das Festival nächstes Jahr ausrichten. Welche Tipps geben Sie Ihr mit auf den Weg?
Mayr: Die Schauburg ist ja selber sehr festivalerfahren, aber mein wichtigster Tipp ist: Grabt euch rein in die bayerische Szene, da schlummert einiges, Südwind kann es herbeiwehen. Wünschen würde ich mir von der Schauburg, dass sie die begonnenen Schritte, die Zugänglichkeit zu erhöhen, weiterführt und weiter ausbaut. Das würde ich mir insgesamt für Südwind wünschen: am Thema der Zugänglichkeit weiter dranzubleiben.

Der nächste wichtige Termin ist für Sie vermutlich der Bürgerentscheid. Die Kammerspiele sollen ja nicht nur als Interimsspielstätte dienen, sondern danach dem Jungen Theater zur Verfügung stehen. Was passiert mit der Jungen Sparte, wenn sie nicht gebaut werden sollten?
Mayr: Wir fürchten uns alle sehr vor diesem Termin. Die Junge Sparte ist in Gefahr, denn die Werkstatt wird wahrscheinlich nicht mehr zur Verfügung stehen und in einer  alternativen Ausweichspielstätte wie einem Zelt würde die Junge Sparte und die Theatervermittlung sicher  am meisten leiden. Und dann kommt noch ein Intendantenwechsel. Da kann es schnell passieren, dass das Junge Theater wegrationalisiert wird. Da müssen alle wachsam sein, denn Theater für Kinder und Jugendliche ist kulturelle Bildung und  ein Möglichkeitsraum für Kinder und Jugendliche, den wir nicht mehr aufgeben sollten.

Wie wird die nächste Spielzeit? Entspannter? Oder fürchten Sie die nächste Corona-Welle und erneute Einschränkungen?
Mayr: Ich fürchte leider schon baldige erneute Einschränkungen. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass wir ein Festival ohne Einschränkungen machen konnten. Es wäre nicht das gleiche gewesen.

DK

Die Fragen stellte Anja Witzke.