Die Entdeckung der Welt

„Sind wir Freunde?“: Tristan Vogts kluges Objekttheater für Vorschulkinder

07.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:28 Uhr

Offen sein für Neues: Tristan Vogt von den Thalias Kompagnons erzählt kleine Geschichten mit großer Wirkung. Foto: Schuktuew

Von Anja Witzke

Ingolstadt – Ein großer Hocker, ein kleiner Hocker und oben drauf ein Karton. „Meine Entdeckungskiste“, sagt der Puppenspieler in verschwörerischem Ton zum Publikum. Das sitzt im Halbkreis mit auf der Werkstattbühne, um ganz nah dran zu sein am Geschehen. Denn die Protagonisten, die Tristan Vogt von den Nürnberger Thalias Kompagnons aus seiner Kiste holt, sind ganz klein – und haben auf einer Bühne Platz, die gerade mal so groß ist wie ein Hocker. Miniaturtheater für die Kleinen (ab 4 Jahren) konnte man im Rahmen des Südwind-Festivals erleben. Aber doch – großes Theater!

Tristan Vogt legt das erste Objekt behutsam auf seine Hockerbühne: eine schwarze Kugel. „Wer bist denn du?“, fragt er. „Ich bin ich“, antwortet sie. „Und du?“ „Ich bin auch ich!“ Es entspinnt sich ein kleiner Dialog über Wortbedeutung und Selbstwahrnehmung, ich und du. Dann fragt Tristan Vogt: „Was willst du denn mal werden, wenn du groß bist?“ „Ich bin schon groß!“, antwortet die Kugel. Und zum Beweis dafür setzt der Spieler eine kleinere Kugel daneben. „Wer bist denn du?“, beginnt das Spiel erneut. „Ich bin ich“, zwitschert die kleine Kugel. „Und was willst du mal werden, wenn du groß bist?“ „Freundlich!“ „Das will ich auch“, sagt Tristan. „Aber du bist doch schon groß“, piepst die kleine Kugeln. „Ja, aber nicht immer freundlich!“

Immer neue Darsteller holt der Puppenspieler aus dem Karton: Kugeln mit und ohne Stacheln, in verschiedenen Größen und Materialien, in Schwarz und Braun. Sie kommunizieren, sie suchen Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sie grenzen sich ab, grenzen aus, bilden Allianzen, be- und entfreunden sich. Dann kommt eine Glasmurmel ins Spiel, die ganz andere Kunststücke in Perfektion beherrscht: murmeln, kreiseln, tanzen, wirbeln, Wunderschön und rasend schnell. Nur stillhalten – das kann sie nicht. Aber zusammen finden die Dinge eine Lösung – und eine Erkenntnis: Wer neu dazukommt, bringt coole neue Spielideen mit.

Ich und die anderen: „Sind wir Freunde?“ erzählt von Individualität, vom Anderssein, vom Abgrenzen, aber auch von Neugier, Respekt, Regeln des Miteinanders. Tristan Vogt hat ein kluges Stück über Kommunikation und soziale Kompetenz erfunden, das er Kindern im Vorschulalter auf witzige, federleichte, poetische Weise nahebringt. Darüber hinaus befeuert er die Fantasie der Zuschauer. Aus Fundstücken baut er eine ganze Welt und weist sie so an, zu Entdeckern zu werden, Alltägliches zu hinterfragen, offen zu sein.

DK