Dahoam ist fast alles

Christine Eixenberger in der Eventhalle

26.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:51 Uhr

Einen überaus sehenswerten Kabarettabend bot Christine Eixenberger in der Eventhalle in Ingolstadt. Foto: Leitner

Von Karl Leitner

Ingolstadt – Man sollte tunlichst nicht den Fehler machen, Christine Eixenberger lediglich als hübsches Quoten-Blondchen der bayerischen Kabarettszene zu betrachten. Mit ihrem Programm „Einbildungsfreiheit“ nämlich präsentiert sie an diesem Abend in der Eventhalle eine absolut gelungene Szenenfolge rund um den Sehnsuchtsort „Dahoam“, den man jedoch zuerst gar nicht als solchen wahrnimmt.

Da ist erstens die Rahmengeschichte um den Schimmelfleck in der Mietwohnung, den vergeblichen Versuch, ihn zu beseitigen, den Auszug, die Gedanken zum Bau eines Eigenheimes oder wahlweise die Suche nach einer Stadtwohnung. Und da sind zweitens die unzähligen Abschweifungen, die den Fortgang des inhaltlichen Hauptstrangs immer wieder verzögern, die kleinen Geschichten vom permanent wuiselnden Jammer-Schorsch, über die digitale Ausstattung der Schulen, den dortigen Umgang mit der Pandemie, den Erfahrungen mit dem Homeschooling und der Erkenntnis „Da fehlt‘s vom Boa weg!“. Der Unterschied zwischen dem Glauben an Gott und den an die Kirche, der Anachronismus des immer noch nicht abgeschafften Weltspartags trotz Minuszinsen, die Brauchtumsverwirrung am Beispiel Sankt Martin, Halloween, Christkindl und Sternsinger und die Frage, warum man millionenschwere aber unfähige Manager nicht an wegen Personalmangels verwaiste Supermarktkassen setzt. Antwort: Weil sie auch dafür nicht zu gebrauchen sind.

Der Rahmen ist so weit gefasst, dass man jedes Thema wie an einer Perlenschnur daran aufhängen kann, sofern es nur mit dem Begriff „Dahoam“ zu tun hat. Also quasi alles, denn, wie einem spätestens seit der Pandemie immer bewusster wird, hat jedes weltweite Ereignis Auswirkungen aufs Private, in Eixenbergers Fall auf ihre eigene Heimat, das Oberland, in dem ein coronabedingt ungezügelter Touristenansturm oftmals im Chaos endete. „Wir freuen uns, wenn ihr kommt, weil wir von euch leben, aber wir würden euch manchmal auch gerne auf den Mond schießen“, sagt sie mit breitem Grinsen.

„Dahoam“ also. Ja, das Thema ist angesagt. Es gibt seit Jahren diverse TV-Soaps dazu, den Slogan des FC Bayern, Reklame-Clips. Selbst internationale Konzerne benutzen ihn schamlos. Man kann Geld damit machen, das alleine zählt.

Das tut Christine Eixenberger auch, schon allein von Berufs wegen. Doch bei ihr steckt mehr dahinter. Man spürt den ganzen Abend über, dass jede Szene mit einem gehörigen Quantum an Herzblut entworfen wurde, dass sie nicht nur ein vorab ausgedachtes Programm abspult. Ihre schauspielerischen Fähigkeiten, ihr Timing und ihr Wissen um die passende Dramaturgie kommen ihr dabei sehr zustatten. Ihr Personal ist souverän gezeichnet, ihre Typen stehen fast leibhaftig vor einem, die Szenen sind mit Liebe und Hingabe fürs Detail ausgespielt.

Der „reguläre“ Abend endet absichtlich unspektakulär, fernab jeglicher Schlusspointe. „Dann bau I hoid selba!“, sagt sie lapidar. War‘s das jetzt? – Nein! Denn in der Zugabe, die fester Programmteil ist, rundet sich alles, wird einem die komplette Dimension ihres speziellen Sehnsuchtsortes „Dahoam“ erst richtig bewusst. Noch so ein toller Trick an diesem so überaus sehenswerten Kabarettabend.

DK/Foto: Leitner