„Bier gibt’s auf alle Fälle“
Anlässlich seines 80. Geburtstages: Gerhard Polt im Interview

28.04.2022 | Stand 28.04.2022, 12:16 Uhr

Seine 80 Lebensjahre haben Gerhard Polt den Humor ins Gesicht geschrieben. Richtig zum Lachen ist ihm angesichts des derzeitigen Leids in der Ukraine aber nicht. „Mich drückt der Krieg auch furchtbar“, sagt er im PNP-Interview. Foto: Herlinde Koelbl/Verlag Kein & Aber

Von Raimund Meisenberger

Im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse gibt es sich überzeugt, dass Humor auch in Kriegszeiten erlaubt ist. „Das nutzt den armen Hunden in der Ukraine überhaupt nix, wenn einer bei uns nicht lacht“, sagt Polt. „So traurig und grauenhaft das auch ist.“ Was ihm trotz allem Gaudi bereitet und wie er seinen Festtag verbringt, erzählt er hier.


Das Interview im Wortlaut:

Herr Polt, wie werden Sie Ihren 80. Geburtstag feiern?
Gerhard Polt: Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich weiß nicht, wie viel Schluck Bier ich trinken werde, aber Bier gibt’s auf alle Fälle. Und eine Wurscht auch. In der Früh sogar einen Kaffee, davon geh’ ich aus. Das hoffe ich auf alle Fälle!

Gerade wird viel darüber nachgedacht, ob man ins Kabarett gehen und lachen darf angesichts des Kriegs in der Ukraine. Darf man?
Gerhard Polt: Das nutzt den armen Hunden in der Ukraine überhaupt nix, wenn einer bei uns nicht lacht. So traurig und grauenhaft das auch ist. Mich drückt der Krieg auch furchtbar, ich kann auch gar nicht so richtig lachen. Ich tu mir wirklich schwer. Wenn ich Bilder von den Ruinen in Mariupol sehe, oder auch davor zum Beispiel in Aleppo, dann kommt bei mir wieder auf, wie ich Anfang der 50er Jahre von Altötting wieder nach München gekommen bin. Da war München eine Ruinenstadt, das hat genau so ausgeschaut. Wir sind als Buben durch die Ruinen gelaufen, und ich kann mich noch gut erinnern: Wir haben Altmetall gesucht, als gegenüber vom Arri in der Türkenstraße eine Riesen-Hausfassade eingebrochen ist und wahrscheinlich zwei Kinder verschüttet hat; eines weiß ich sicher. Das sind Erlebnisse, die mich seit der Kindheit begleitet haben. Das kommt wieder auf, wenn ich diese Bilder von Ruinen sehe.

Wenn es heißt „Man darf den Humor nicht verlieren“, haben Sie einen Tipp, wie das geht?
Polt: Das hab ich nicht. Ich finde es gut, wenn einer lachen kann. Mir hat mal jemand ein Protokoll gezeigt darüber, was sich Leute in Theresienstadt im Konzentrationslager erzählt haben. Die haben dort Witze gemacht - nur damit sie der Entsetzlichkeit auskommen. Humor ist ein Trost, aber auch eine Ablenkung und eine Verarbeitung, wenn man mit einer Situation nicht fertig wird.

Sie sind gerade sehr präsent, u.a. auf Servus TV Deutschland. Ihr Sohn Martin Polt hatte die Idee, eine japanische Seifenoper auf Bairisch zu synchronisieren: „Die Vroni aus Kawasaki“.
Polt: Synchronisation ist eine interessante Geschichte! Viele Länder synchronisieren ja überhaupt nicht, und wir in Deutschland sind vor allem Synchronisationen aus dem Englischen ausgesetzt. Die Synchronsprache beeinflusst unsere Sprache. Wenn ein Dirndl oder ein Bub sagt „Ich hasse Griesbrei“, dann denke ich mir, den Griesbrei hasst man nicht, den mag man nicht. Das ist ja nicht dasselbe, das ist ein ganz anderes Gefühl. Aber sie sagen „hassen“, weil es auf Englisch heißt „I hate it“ - und beim Synchronisieren macht man dann „hassen“ draus, weil das von den Mundbewegungen besser passt. Damit verändert die ständige Synchronisation unser Denken und unser sprachliches Gefühl.

Und jetzt kommen Sie noch mit Japanisch daher!
Polt: Wir wollten ja nicht Japanisch auf Deutsch haben, wir wollten einen bestimmten Jargon auf Bairisch und Wienerisch haben. Normalerweise hört man bei uns immer dieses aalglatte Synchronhochdeutsch, aber im Original sind das Typen, die haben Flair, die haben einen Dialekt und eine Herkunft vom Ort und auch vom Sozialen her. Das geht alles verloren beim Synchronisieren. Drum finde ich es viel interessanter, wenn man den Menschen, die man überträgt, ein wenig mehr Individualität gibt, eine Art sprachliche Lokalisierung. Das war die Idee von meinem Sohn, dass wir das im Dialekt machen.

Und Sie waren überzeugt, dass die Idee funktioniert?
Polt: Ob das was wird, weiß man nie. Aber mir hat die Idee gefallen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals einen japanischen Film auf Bairisch oder Wienerisch gesehen habe. Unsere Serie spielt ja im Wirtshaus, da sind Gäste, da ist der Wirt, die Tochter, die Oma – und die haben durch ihre Sprache bei uns mehr Charakter. Das Original ist ja jetzt nicht die letzte Seifenoper, das ist schon gut gemacht und war nicht umsonst in Japan so ein Erfolg. Wir unterstellen den Leuten halt ein bissl was: Wenn da eine die Hände faltet und auf Japanisch vielleicht sagt: „Der liebe Gott beschütze uns davor“, dann lassen wir sie sagen: „Mei, die Pfefferminzsauce is aber wirklich gut!“ (lacht).

Wie war es, einmal wieder mit Gisela Schneeberger zu arbeiten wie in den 70er Jahren?
Polt: Mit der Gisela komme ich wie immer sehr gut aus. Michael Ostrowski kenne ich auch schon länger. Das ist ja nicht mehr üblich, dass man beim Synchronisieren zu mehreren beieinander ist, normalerweise spricht da jeder einzeln seine Sachen ein. Aber wir waren als Team im Studio, wir haben uns gegenseitig aufgeladen und hatten wirklich eine Gaudi.

Ihr neues Buch und Hörbuch dreht sich um Dr. Arnulf Schmitz-Zceisczyk. Den reichen norddeutschen Rentner kennt man aus früheren Polt-Texten. Das war doch der, der mal schnell rüber muss nach Kapstadt und dem Nachbarn sagt, er soll doch seinen Geburtstag verschieben?
Polt: Ganz genau! Im Lockdown, wenn du gar nimmer auf eine Bühne gehen kannst, ist mir langsam ein bissl fad geworden, und da bin ich auf diese Idee gekommen. Ich wohne ja am Schliersee, das ist ein kleiner See, und unser Nachbarsee, der weit größer und berühmter ist, ist der Tegernsee. Das ist seit Jahrzehnten oder seit Ludwig Thomas Zeiten ein sehr gefragter See, wo immer schon viele Gwappelte waren - heute sind es noch mehr als je zuvor. Der See hat eine Anziehungskraft wie der Zwetschgenkuchen auf den Weps. Da kommen die Millionäre und wahrscheinlich auch Milliardäre, bauen sich ihre Riesenburgen und fühlen sich sehr wohl. Ich bin da logischerweise auch manchmal drüben und hab’ in meinem Leben mit vielen Menschen Kontakt gehabt. Das ist ein gewisser Menschenschlag: Der kauft sich für fünf, sechs, sieben Millionen ein Anwesen, der ist zehn Jahre da, dann hat er seine Trachtenjoppe an und erklärt, dass er jetzt auch schon ein alter Tegernseer ist.

Sind die Zugereisten dann die besseren Bayern?
Polt: Wenn die sich dann so aufbajuwarisieren ... (imitiert preußischen Jargon: „In diesen Obatzdn muss weniger Salz rein! Da kann man auch mal Basilikum reingeben!“) Oder es gab diesen Otto Beisheimer, der die Metro gegründet hat, ein Multimillionär, der alles Mögliche gesponsort hat. Der wollte der Gemeinde einen Kindergarten spendieren, aber die haben gesagt: Wir haben leider keine Kinder!

Diese Geschichte erzählen Sie im Buch. Die ist wirklich passiert?
Polt: Ja, das war mal in der Zeitung. Das ist eine Sprache und eine Diktion und eine Art - aus diesem Konglomerat habe diese Figur Dr. Arnulf Schmitz-Zceisczyk gemacht. Den Homo Tegernseensis. Das Witzige ist, dass jeder zweite oder dritte von diesen Leuten bei aller Verbundenheit zur neuen Heimat mit der Gemeinde im Clinch ist: Dem einen ist der Gockel zu laut, dem anderen ist die Kuhglocke zu laut. Der eine hat die Gemeinde auf zwei Millionen oder so verklagt, weil der Schneepflug ihm Schnee vor seine Einfahrt geschoben hat („Ich musste dringend nach Berlin, da hab ich mein Flugzeug versäumt!“). Oder ein anderer hat auf seinem Seegrundstück Schilf stehen. Der hat sich bei der Gemeinde und beim Naturschutz beklagt, dass da so viele Mücken und Gelsen und Bremsen sind („Das Röhricht kann man doch wegschneiden! Ich kann doch nicht warten, bis die Frösche die Mücken alle gefressen haben!“). Der hat geklagt, aber er ist natürlich gescheitert. Wenn man den Leuten ein bissl zuhört, weiß man, was ich mit dem neuen kleinen Buch meine.

Wissen Sie noch, wo Sie den furchtbaren Namen Schmitz-Zceisczyk aufgegabelt haben?
Polt: Das weiß ich nicht mehr genau. Es ist wie beim Valentin: Den spricht man genau so wie man ihn schreibt (lacht). Das ist halt einer, der es immer wichtig hat, der immer international unterwegs ist. Der baut sich jetzt einen Hubschrauberparkplatz, weil das mit dem Stau einfach nimmer geht. Er war grad in Berlin, müsste eigentlich schon in Nizza sein, da ist er aber noch nicht, weil er in Paris auch nicht war, dafür hat er in Südtirol jetzt eine Feier. So halt. Diese Geisteshaltung und diese Figur hab ich schon länger drin bei mir, weil ich solchen Typen immer wieder begegnet bin.

Die Interviews für den Sammelband „Ich muss nicht wohin, ich bin schon da“ haben u.a. Ihre Frau Tini und Ihr langjähriger Bühnenpartner Michael Well ausgesucht. Sie wollten da nicht mitreden?
Polt: Ich wollte da nicht mitreden. Ich kann ja nicht meine eigenen Sachen aussuchen, ich lese auch meine Interviews nicht. Was ich gesagt habe, habe ich gesagt. Der Verlag wollte mit halt was Gutes tun. Die Fotografin Herlinde Koelbl, die ich auch seit Jahren kenne, war bei mir und hat Fotos gemacht. Und der Verlag hat gesagt: Du hast schöne Interviews gemacht, da kann man doch was machen! Und ich hab’ zum Verleger gesagt: Wenn du das machen möchtest, dann machst du’s halt.


•Gerhard Polt live am 24. Mai in Freising, 15. Juli in Tittmoning
•Buch und MP3-Hörbuch: Dr. Arnulf Schmitz-Zceisczyk, Kein & Aber, 22 Euro bzw. 12,90 Euro als Download auf polt-shop.de
•Buch: Ich muss nicht wohin, ich bin schon da. Gesammelte Interviews. Kein & Aber, 23 Euro
•Gesamtwerk: CD-Box „Opus Magnum“ und Buchschuber „Bibliothek Polt. Werke in 10 Bänden“, Verlag Kein & Aber
•Servus TV Deutschland: Die Vroni aus Kawasaki. Serie in zehn Teilen in der Mediathek