Geisenfeld
Deutschlernen hat für Flüchtlinge oberste Priorität

Erstorientierungskurs der VHS voll belegt – Job, Wohnung, Kinderbetreuung: Vielzahl an Herausforderungen

12.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:26 Uhr

Mit Elan gehen die insgesamt 18 Frauen aus der Ukraine den Deutsch-Unterricht zur Erstorientierung an, den die VHS Pfaffenhofen in der Mittelschule Geisenfeld unter der Leitung von Doris Laut anbietet. Foto: Zurek

Von Maggie Zurek

Geisenfeld – Im Gemeindegebiet Geisenfeld sind mittlerweile 79 Geflüchtete aus der Ukraine gemeldet, darunter 35 Kinder und Jugendliche. Damit sie sich möglichst schnell in ihrer neuen Umgebung zurechtfinden, ist das Erlernen der deutschen Sprache wichtig. „Wir sind sehr froh, dass es uns gelungen ist, einen staatlich geförderten Kurs zur Erstorientierung nach Geisenfeld zu holen“, so Sabine Gigl.

Die VHS-Zweigstellenleiterin, die selber ehrenamtlich im Helferkreis der Caritas-Nachbarschaftshilfe aktiv ist, hatte sich sehr für das Zustandekommen des Angebots eingesetzt. Nach intensiver Suche war am Ende mit Doris Latu eine qualifizierte Lehrerin und in der Mittelschule ein geeigneter Raum für den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanzierten Kurs gefunden. 18 Mütter werden hier nun ein halbes Jahr lang an drei Tagen in der Woche die Schulbank drücken, viele weitere stehen auf der Warteliste.

Zusätzlich bieten Nadja Atzberger und Tanja Huber vom Helferkreis stundenweise Deutschunterricht für Erwachsene und Kinder in unterschiedlichen Altersgruppen an. Je sechs Schüler sind bereits an der örtlichen Grund- und Mittelschule beziehungsweise Realschule eingeschrieben. Um sie optimal zu unterstützen, ist eine schulübergreifende Zusammenarbeit geplant, für die unteren Klassen steht der Förderunterricht bereits auf dem Stundenplan.

Eine Herausforderung stellt die Betreuung der kleineren Kinder dar. Sie müssen, während ihre Mütter den VHS-Kurs besuchen, beaufsichtigt werden. Öffentlichen Kitas und Tagesmütter sind alle bis zur gesetzlich erlaubten Grenze ausgelastet und auch ehrenamtliche Helfer stoßen da an ihre Grenzen.

Bis zur Job-Aufnahmeist es ein weiter Weg

Andere Hürden sind indes bereits genommen. „Für die ersten Familien sind die zahlreichen Behördenbesuche erledigt, viele haben auch bereits ihre Arbeitserlaubnis erhalten“, heißt es aus dem Helferkreis. Von da bis zum Job ist indes ein weiter Weg – diese Erfahrung machen all jene, die die Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse anstreben – darunter Fachleute wie Englischlehrer, Masseure, Physiotherapeuten. Da braucht es Geduld. Und dann ist da noch die Frage, wie man überhaupt zur potenziellen Arbeitsstelle kommen soll – ohne Auto und ohne Bus oder Bahn.

Die wachsende Zahl der Menschen, die bisher provisorisch in privaten Wohnungen Unterschlupf gefunden haben und die nun ein dauerhaftes Dach über dem Kopf suchen, hat ebenfalls „Frustpotenzial“. Es sei ja seit langem auch für Einheimische „unendlich schwer“ in der Region bezahlbaren Wohnraum zu finden, so Silke Eberhardt, die selber einige Zeit eine Mutter mit Kindern bei sich zuhause aufgenommen hatte.

Traumata und Ängstebrechen sich Bahn

Je länger die Menschen hier in Sicherheit sind, desto stärker zeigt sich ein ganz anderes Problem: Nach der ersten Erleichterung, nun in Sicherheit zu sein, brechen sich Traumata und Ängste Bahn. Der Krieg zuhause lässt sich nicht ausblenden. Ehemänner und Väter sind im Kampfeinsatz, ihr Leben bedroht. „Ich halte das kaum noch aus, die Sorge frisst mich auf“, meint eine Geflüchtete, die sich in Englisch verständigen kann. Ein Sohn hat sie als Teenager begleiten dürfen, der andere verteidigt, wie der Papa, als Soldat seine Heimat. „Therapeutische Angebote zu bekommen ist angesichts der schieren Zahl an Betroffenen fast unmöglich“ so die Erfahrung der Helfer, von denen einige an speziellen Schulungen teilgenommen haben „um sensibel mit Betroffenen umgehen zu können“. Vor allem aber versuche man für positive Erlebnisse und Ablenkung im Alltag zu sorgen. „Wir organisieren regelmäßig Spiel- und Bastelnachmittage für die Kinder und laden die Erwachsenen zu zwanglosen Treffen ein“, erklärt Verena Seitz.

Dank einer eigens eingerichteten WhatsApp-Gruppe stehen die rund 30 Mitstreiter der Caritas Nachbarschaftshilfe zudem immer bereit, wenn Übersetzungs- oder Fahrdienste (allen voran zu Fachärzten oder ins Krankenhaus) nötig sind oder wenn es gilt, „was immer grad so fehlt“ zu organisieren. „Wir sind sehr dankbar, dass die Geisenfelder uns hier in jeder Hinsicht unterstützen“, erklärt Helferkreissprecherin Maggie Zurek. In der Stadt finde man immer ein offenes Ohr, der Bürgerring leiste im Wortsinn „unbezahlbare“ Dienste bei der Erstausstattung und immer wieder gebe es Spenden - erst jüngst 1200 Euro von der Realschule sowie je 500 Euro von der Sprachenschule Inlingua und den Darstellern der „Spielleute“ sowie Kleidung, Fahrräder und Möbel.

GZ