„Als wäre ein Ungeheuer aufgewacht“
Höhlenforscher Dieter Gebelein erzählt von der Entdeckung der Mühlbachquellhöhle

11.03.2024 | Stand 11.03.2024, 16:17 Uhr

Auch außerhalb des Museums erfuhren die Besucher so einiges über die Höhlenforschung. Fotos: Patzelt

Unter dem Motto „Winterzeit – Museumszeit“ öffnen zwischen Oktober und Ostern immer sonntags um 14 Uhr die Museen der Region für besondere Führungen, Vorträge oder Ausflüge. In der Dauerausstellung „Stein.Wasser.Höhle“ in der Mühlbacher Obermühle erfuhren die 16 Teilnehmer von Dieter Gebelein aus Uttenreuth, dem Leiter der örtlichen Karstgruppe und Vorsitzenden des Landesverbands für Höhlen- und Karstforschung Bayern, Wissenswertes über das „Naturwunder im Altmühltal“, die Mühlbachquellhöhle. Führung und Vortrag dauerten rund drei Stunden.

Gebelein spannte in seinen Ausführungen einen weiten Bogen – von der Entdeckung bis hin zum aktuellen Kenntnisstand. Inzwischen haben die Forscher genau 11096 Meter der wasserführenden Unterwelt erkundet. „Wir sind dabei noch lange nicht am Ende“, so Gebelein.

80000 Liter pro Sekunde verschwinden im Boden

„Viele Jahre vor unseren Forschungen gab es in Mühlbach und in der weiteren Umgebung auf der Hochfläche ein einschneidendes Ereignis – das Hochwasser des Jahres 1909.“ So beginnt die Geschichte der Mühlbachquellhöhle. Auf eine lange Frostperiode folgte plötzlich warmes Wetter mit sintflutartigen Regenfällen. Es löste eine große Schneeschmelze aus. Die anfallenden Wassermassen sammelten sich auf der Hochfläche um Eutenhofen rasch zu einem großen See. „Der Wasseranstieg kam so schnell, dass 40 Stück Klein- und sieben Stück Großvieh noch in den Ställen ertranken“, wusste Gebelein zu berichten. Irgendwann tauten der Untergrund und besonders die vereisten Abläufe in die Dolinen auf. In rund 27 Stunden mussten etwa 80000 Liter pro Sekunde an Wassermassen in das klüftige Bodengestein abgeflossen sein. „In einem dramatischen Ausbruch trat hinter Mühlbach ein nie zuvor gesehener, großer Sturzbach zutage, als wäre ein jahrhundertelang schlafendes Ungeheuer plötzlich aufgewacht“, erzählte der Höhlenforscher. Im Jahr 1990, also viele Jahre später, fand sich eine kleine Forschergruppe, um der Sache wortwörtlich „auf den Grund zu gehen“. Einige Entdeckungen von kleineren Räumen ließen weitere Erkundungen lohnend erscheinen.

Höhle am 3. Januar 2001 ofiziell entdeckt

Später versuchten die Höhlenforscher ihr Glück direkt am ehemaligen Wasseraustritt: „Innerhalb von zweieinhalb Jahren legten wir einen insgesamt 60 Meter langen Stollen durch den Hangschutt an und im Herbst 1999 erreichten wir die Felswand.“ Nach verbissenen Grabarbeiten gelang am 3. Januar 2001 schließlich der Durchbruch. „Zusammen mit Steffen Hoffman und Manfred Walter konnte ich als erster den Anfang dieser großartigen Höhle betreten“, erinnert sich Gebelein an diesen bedeutenden Schritt zurück.

Laut dem Höhlenforscher ist es kaum möglich, die wasseraktive Mühlbachquellhöhle zu einer Schauhöhle für Besucher zu machen. „Das hätte ich auch bei dieser einzigartigen Höhlenwelt in der Fränkischen Alb nicht vor“, merkte Gebelein an. Anschließend erläuterte er den Besuchern den Begriff des Karstgebietes. Die löslichen Steine bilden Hohlräume, die das Wasser abführen.

Vor Betreten der Obermühle wusste Gebelein noch einiges über das Legschieferdach der Jurahäuser und den Mühlbach zu berichten: „Es handelt sich um keinen normalen Bach, denn er kommt eben aus einer Höhle. Die Temperatur beträgt das ganze Jahr hinweg um die neun bis zehn Grad.“ Auch beim Wasserrad der Mühle legte die Gruppe einen kurzen Halt ein. Das eiserne Rad aus dem Jahr 1925 ist oberschächtig, das heißt, das Wasser fließt von oben zu. Es treibt heute einen Generator zur Stromerzeugung an. Bis 1956 wurden drei Walzenstühle aus der Zeit um 1910 angetrieben. Diese ersetzten die älteren Steinmühlen. „Bei der Instandsetzung des Teichs fand man zwei historische Mühlsteine“ so Gebelein.

Bisher sind 11096 Meter erforscht

Vorbei an zwei von Wasseramseln gebauten, aber nicht mehr bewohnten Nestern im Gebälk der Mühle ging es zur Dauerausstellung der Mühlbacher Karstgruppe. Hier erfuhren die Teilnehmer so einiges Wissenswertes über die Höhle und die laufenden Forschungen. Gebelein nannte eine erforschte Länge von genau 11096 Metern: „Wir haben aber mit Sicherheit noch rund 20 bis 30 Kilometer vor uns, wenn wir das je schaffen. Mehrere Tage in der Höhle zu verbringen, ist nicht einfach – das ist wahrlich kein Urlaub.“ Laut dem Fachmann würde in den größten Hohlraum, dem Giganten, „die Mühldorfer Kirche locker reinpassen“. Anhand eines Modells mit den markanten Eisenträgern zeigte Gebelein das Modell eines Stolleneingangs. Der Vorsitzende der Karstgruppe hatte auch einen Plan über den aktuellen Stand der Höhlenerkundung mitgebracht, der ebenfalls auf großes Interesse stieß. Ein Film rundete den Vortrag ab.

Die Museumsführung wurde ergänzt durch einen kurzen Rundgang im Ortsbereich von Mühlbach zu einer Karstquelle und einer ehemaligen Hochwasseraustrittsstelle. „Das ist einfach gigantisch. Schade, dass eine Besichtigung der Höhle nicht möglich ist – ich hätte zu gerne einen Blick hineingeworfen“, meinte eine Besucherin, die bis aus Woffenbach gekommen war.

pa