Von Nicole Gigler
Neuburg – Der Boden ist ausgelegt mit grauem Abdeckvlies. Klebeband, Pinsel und Acryl-Farbdosen sind darauf verteilt. So sieht es im Keller der Neuburger Wirtschaftsschule seit Februar jeden Mittwochnachmittag aus. Die Schule hat sich für ihre 100 Quadratmeter lange, fast stechend weiße Kellerwand etwas Besonderes überlegt.
Statt eines normalen Anstrichs sollen sieben Siebtklässler die Wände bemalen. Doch so riskant wie sich das ganze anhören mag, ist es dann doch nicht. Das Projekt, das unter dem Motto „Menschen in Bewegung“ steht, wird von der professionellen Künstlerin Elisabeth-Anna Jung betreut. Wer die Kellertreppen hinuntergeht, dem kommt sogleich der Geruch nach Farbe in die Nase. Es leuchten einem zudem einige bunt und abstrakt gemalten Fußballer entgegen. Einer in der Farbkombination gelb und lila, der andere in Orange und Braun oder auch Blau und Gelb. Noch bis Juli malen die Schülerinnen und Schüler an diesem Gang, sagt Elisabeth-Anna Jung, die als Künstlerin unter dem Namen E. A. Jung arbeitet. „Ich lerne den Schülern das Malen auf großformatigen Wänden. Sie sollen nicht nur auf einem A4-Blatt rumfuseln“.
Dass Jung für ihre Arbeit lebt, sieht man nicht nur an ihrer weißen, mit Farbflecken versehenen, locker fallenden Kleidung. Denn sogar ihre Schuhe hat sie bemalt. Mit hellblauer und weißer Farbe sind sie bedeckt – von der Ursprungsfarbe keine Spur.
Zusammen mit Schülerin Leonie arbeitet sie an diesem Nachmittag an einem Fußballer der gerade dabei ist den Ball zu schießen. Für die Farben Schwarz, Gelb und Grün haben sie sich dabei entschieden. „Wir müssen den Pinsel konsequent von links nach rechts führen, damit Bewegung in das Bild kommt“, sagt Jung. Sie macht es den Schülern noch einmal vor und tunkt den breiten Pinsel in die gelbe Farbe. Ihre Pinselstriche: gekonnt und locker. Es sieht ein wenig so aus, als würde sie sich über jeden Strich genauestens Gedanken machen, darüber wie sie den Pinsel ansetzt, wie weit gestrichen wird, und vor allem wann eine neue Farbe angesetzt werden soll. Besonders ins Auge sticht die gelb-lila Kombination genau in der Mitte des Flurs. Manche hätten schon gesagt: „Wie kann man diese beiden Farben zusammen benutzen?“ Aber das ist mir egal. Man muss das machen, was man selbst für gut hält“, sagt Jung.
An einigen Wänden ist noch kein Sportler zu sehen. Deswegen liegen auf den Böden verteilt auch Zeitungsausschnitte mit Bällen und Fußballern. Diese Bilder dienen als Vorlage und wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst ausgesucht. Die Figuren müssen erst noch mit einem Kohlestift vorgezeichnet und danach gleich mit einem dünnen Pinsel und Acrylfarbe nachgezeichnet werden. Das Nachzeichnen sei wichtig, sagt Jung und wischt sachte an die Wand. „Der Kohlestift geht bei Berührung leicht ab. Das kann passieren, wenn die Schüler an die Wand kommen.“
In den nächsten Wochen wird das Weiß an allen Wänden verschwunden sein. Der lange Zeitraum des Projekts hat einen pädagogischen Mehrwert: „Die Jugendlichen lernen, es kann nur etwas Gutes rauskommen, wenn man Arbeit reinsteckt“, sagt Jung. Aber auch die Schattenseiten will Jung nicht verschweigen: „Mittlerweile muss man sie aber etwas mehr motivieren, weil das Projekt Ausdauer braucht“, sagt sie, während einige der Schüler in den leeren Klassenräumen verschwunden sind.
Doch auch wenn sie sich für einen kurzen Plausch zurückziehen, haben sie dennoch noch einiges an Motivation und Lust für das Projekt in sich, bringen sogar eigene Ideen ein. Laura und Alijana sind zum Beispiel überzeugt, dass man doch einem der Fußballer einen Schnurrbart geben könnte. Von ihrem Plan haben sie Jung jedoch noch nicht überzeugen können. Kurzerhand verwischt sie den schwarz geschwungenen Bart mit etwas gelber Farbe.
Sehr schnell ist die Malstunde vergangen, da sind sich die Schüler und die Künstlerin jede Woche einig. Während die Jugendlichen um 16 Uhr den Heimweg antreten, macht sich Jung daran, die Farbe auf den Paletten noch auf den Wänden zu verteilen.
Die Schülerinnen und Schüler der Wirtschaftsschule dürfen auf das Endergebnis gespannt sein. Denn dann wird sich herausstellen, wer den Kampf um den Schnurrbart gewonnen hat.
DK
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