Neuburg
Humortherapeut: „Menschen mit Demenz brauchen Bernhardiner“

Markus Proske im Interview

10.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:29 Uhr

Markus Proske hält am Freitag einen Vortrag in Neuburg. Foto: privat

Von Thorsten Stark

Im Interview spricht Demenzberater und Humortherapeut Markus Proske aus Binswangen im Landkreis Dillingen über den richtigen Umgang mit an Demenz Erkrankten und warum Humor genau der richtige Ansatz ist.



Zweimal schon ist der Vortrag von Proske wegen Corona verschoben und dann abgesagt worden. Mehr als zwei Jahre nach dem ersten angesetzten Termin kommt der 56-Jährige nun doch nach Neuburg. In der Krankenpflegeschule der Neuburger KJF-Klinik St. Elisabeth wird Proske an diesem Freitag über „Demenz - Humor - Palliativ“ referieren. Es ist der Auftakt der Jubiläumsveranstaltungen des Hospizvereins Neuburg-Schrobenhausen, der 25-Jähriges feiert.



Das Interview im Wortlaut:

Herr Proske, Demenz ist eine weit verbreitete und für die Betroffenen schreckliche Krankheit. Kann man darüber wirklich Witze machen?
Markus Proske: Ja, unbedingt sogar. So belastend die Krankheit auch ist, es ist sehr wichtig, dass man diesen Menschen den Raum gibt, Normalität zu spüren. Viele begegnen an Demenz erkrankten, hochbetagten, behinderten oder Menschen im Sterbeprozess ganz vorsichtig. Doch das wollen diese Menschen gar nicht. Normalität bedeutet natürlich nicht nur humorvoll, sondern auch respektvoll und wertschätzend.

Sie halten zu dem Thema Vorträge, geben Fortbildungen, betreiben einen YouTube-Kanal und haben das Buch „Der Demenz-Knigge“ geschrieben. Was sind die drei wichtigsten Botschaften für die Menschen, die beruflich oder privat mit Demenz umgehen müssen?

Proske: Die erste wichtige Leitlinie lautet: „Menschen mit Demenz brauchen Bernhardiner, keine Pinscher.“ Bernhardiner gelten als sehr gelassen, strahlen Ruhe aus, sind ein Fels in der Brandung. Ganz anders als ein Pinscher, der immer wieder überdreht ist und viel zu schnell interagiert.

Und die zweite Leitlinie?

Proske: Die lautet: „Leit, tut’s langsam, es pressiert!“ Wir sind meistens viel zu schnell im Umgang mit den Betroffenen und geben im falschen Augenblick Gas. Wenn man bestimmte Situationen betrachtet und das Gespür dafür hat, was zu tun ist, kann man die Betroffenen durchaus aktivieren. Aber man muss im richtigen Augenblick Gas geben und im richtigen Augenblick bremsen. Dieses Gefühl fehlt vielen.

Und wie lautet die dritte Leitlinie?

Proske: „Hilfe zur Selbsthilfe“, also Betroffene zu unterstützen, so lange wie irgendmöglich selbst etwas zu tun. Vor allem als pflegende Angehörige nehmen wir oft alles ab. Man kann Betroffene dumm und abhängig pflegen, aber das wollen wir ja nicht. Wir sollen sie dabei unterstützen, möglichst lange selbst etwas tun zu können. Auch wenn sie etwas verschütten – das ist ja meistens nicht so schlimm. Sie brauchen vielleicht länger, aber das muss man halt aushalten.

Was für Feedback bekommen Sie von Angehörigen und Mitarbeitern aus der Pflege?

Proske: Sehr positives. Wenn man die Systematik und die Symptome dieser Krankheit verstanden hat und es jemand wie ich durch sehr viele praktische Beispiele wortwörtlich begreifbar macht, gelingt es einem, das zu erfassen und vielleicht sogar zu Hause zum Wohle beider Seiten entsprechend zu gestalten. Es kann lange wunderbar gutgehen, wenn man weiß, was man tut. Wenn man aber viele Fehler macht, was leider oft der Fall ist, kann das eskalieren. Es ist wie eine Reise: Wenn ich nach Rom fahre, kaufe ich mir einen Reiseführer, plane die Reise und lasse mich auf die Orte und die Menschen, denen ich begegne, ein. Bei Demenz passiert das irgendwie nicht, da schlittert man so herein, man kümmert sich nicht – bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Aber manchmal ist dann schon sehr, sehr viel kaputt gegangen. Das müsste nicht sein. Deswegen machen wir Schulungen, um den Leuten das richtige Rüstzeug an die Hand zu geben.

Wie sind Sie Humortherapeut geworden?

Proske: Ich wollte ursprünglich Klinikclown werden und habe dazu viele Fort- und Ausbildungen absolviert. Dann habe ich aber gemerkt, dass ich weder Klinik- noch Bühnenclown bin, ich wollte auch nicht mit roter Nase arbeiten. Deswegen habe ich ein eigenes Konzept zu Humor in der Pflege entwickelt und schon ganz viele Leute gecoacht. Die Demenzkranken, mit denen ich auch arbeite, sind die allerbesten Lehrmeister. Die zeigen einem schon, ob man es richtig macht oder nicht. Die sind so ehrlich, die sagen auch: „Du bist ein Volldepp, du kannst wieder gehen.“

DK



VORTRAG

Der Vortrag von Markus Proske mit dem Titel „Demenz – Humor – Palliativ – wie passt das zusammen?“ findet an diesem Freitag von 18 bis 20 Uhr in der Krankenpflegeschule der Neuburger Klinik statt. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht. Veranstalter ist der Hospizverein Neuburg-Schrobenhausen. Es gilt eine Maskenpflicht. Von 15.30 bis 17.30 Uhr gibt es dort schon die Möglichkeit, an einem interaktiven Demenzpfad zu testen, wie ein Mensch seine Defizite wahrnimmt und wie er emotional darauf reagiert.

DK