Unterhausen
Kommunen unter Druck

Drei Kreisverbände des Bayerischen Gemeindetags diskutieren über Ganztagsbetreuung von Kindern

19.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:10 Uhr

Direktor Gerhard Dix (von rechts) war in dieser Funktion wohl zum letzten Mal bei den drei hiesigen Kreisverbänden des Bayerischen Gemeindetags. Neuburg-Schrobenhausens Vorsitzender Fridolin Gößl überreichte mit seinen Kollegen Richard Mittl (Eichstätt) und Martin Schmidt (Pfaffenhofen) Abschiedsgeschenke an den langjährigen Begleiter und Ratgeber. Foto: S. Hofmann

Von Sebastian Hofmann

Unterhausen – Die Gemeinden arbeiten mit Hochdruck daran, den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Kindern in Tagesstätten und Grundschulen umzusetzen. „Die Probleme sind überall die gleichen, die Ausprägungen sind ein wenig unterschiedlich“, zog Oberhausens Bürgermeister Fridolin (CSU) als Fazit eines Treffens dreier Kreisverbände des Bayerischen Gemeindetags am Donnerstag. Als Vorsitzender der Neuburg-Schrobenhausener Vereinigung hatte Gößl seine Amtskolleginnen und -kollegen aus dem eigenen Kreis sowie aus Eichstätt und Pfaffenhofen ins Innovationszentrum Unterhausen geladen. Dort lauschten sie den Ausführungen von Gerhard Dix, Direktor des Referats Bildung und Soziales beim Gemeindetag.

Der erfahrene Fachmann, der quasi auf Abschiedstour ist, weil er in sechs Wochen in den Ruhestand geht, hörte sich die Sorgen und Nöte der Gemeindeoberhäupter an und versuchte, Hilfestellungen zu geben. In dem mehrstündigen Workshop wurde deutlich, dass sich die Eindrücke in den Kommunen sehr ähneln. Jetzt sei das Personal, etwa ehrenamtliche Rentner, die im Hort mit anpacken oder Essen in Schulmensen ausgeben, für viele Eltern noch passend, bald könnten ungelernte Kräfte aber nicht mehr als „gut genug“ angesehen werden.

„Ich habe die Befürchtung, dass die jetzige Zufriedenheit ein Ende hat, wenn man von einem Rechtsanspruch auf bestmögliche Qualität liest“, sagte Dix und sprach wohl den meisten Rathauschefs aus der Seele.

Die Probleme, mit denen sich die Städte und Gemeinden konfrontiert sehen, sind vielfältig. Auf der einen Seite sei der Arbeitsmarkt der Erzieherinnen und Erzieher bereits jetzt leergefegt. Kommt nun in drei Jahren der gesetzliche Anspruch auf Betreuung für Grundschulkinder hinzu, fehlen laut Dix weitere 10000 pädagogisch ausgebildete Fachkräfte in Bayern.

„Ich habe die Sorge, dass wir in einen ruinösen kommunalen Wettbewerb gehen“, sagte der Fachmann und verwies darauf, dass sich Kommunen mit „Zuckerl“ gegenseitig die Erzieherinnen und Erzieher abwerben – was jetzt schon der Fall ist, schließlich hält beispielsweise Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD), wie unlängst berichtet, an einer Zulage für Erzieherinnen und Erzieher ab 1. September bis ins Jahr 2025 fest.

„Aber wir schaffen mit dieser Methode keinen einzigen neuen Erzieher“, so Dix. Als weiteres Problem für die Gemeinden stellte der Direktor heraus, dass sie zwar die Betreuung über die politische Entscheidungen, gebundene Ganztagesbetreuung an den Schulen einzuführen, erst mal von sich schieben können, da mit dieser Ausrichtung das Schulamt und damit der Staat für die Erbringung der Betreuungsstunden zuständig ist. „Aber den gebundenen Ganztag wird Ihnen die Regierung an Ihrer Grundschule nicht genehmigen, wenn das Personal dafür nicht vorhanden ist.“

Was den Kommunen das Leben besonders schwer mache: Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ist im Sozialgesetzbuch als kommunale Aufgabe definiert. Dies trifft zwar in erste Linie den Landkreis, der den Druck bei Nichterfüllung der Aufgabe aber an die Kommunen weitergeben werde – zum Beispiel im finanziellen Bereich über die Kreisumlage, wie Gößl ergänzte.

Dix gab den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern als pragmatische Lösung mit auf den Weg, auf das Hort-System zu setzen, wenn in ihren Gemeinden schon eines besteht. „Da sind Sie flexibel, was die Stunden und das Angebot betrifft.“ Dabei betonte er die Pflicht, Ferienbetreuung über zehn von insgesamt 14 Wochen abdecken zu müssen. Er riet den Gemeindeoberhäuptern zudem, jetzt schon auf die Suche nach geeignetem Personal zu gehen. „Stellen Sie es ein, wenn Sie es finden“, so Dix.

Bei Problemen seien die Jugend- und Schulämter an den Landratsämtern erste Ansprechpartner. Diese sollten direkt eingebunden werden. „Machen Sie ihren Landrat drauf aufmerksam, wenn da etwas schief läuft.“ Von den Kommunen müsse auch der Druck in die Landespolitik verstärkt werden. Man müsse die Abgeordneten fragen, wo die konkreten Vorgaben bleiben, denn: „Die drei Joahr, die san glei rum“, so Dix.

Oberhausens Bürgermeister Fridolin Gößl dankte Dix für dessen letzten Besuch. „Der Vortrag war wie immer kurzweilig, in der Sache aber ernst.“ Der Gemeindetags-Kreisvorsitzende verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass in München erkannt wird, dass die Kommunen nicht wegen mangelnder Finanzen jammerten, sondern schlicht fehlendes Personal bemängelten, das auch in drei Jahren nicht da sein werde.

DK