Fraktionssprecher im Gespräch
Hausärzteproblematik: Ist Schrobenhausen attraktiv genug für junge Ärzte?

14.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:35 Uhr

Schrobenhausen gilt als schöne Stadt. Aber ist sie auch vom Drumherum her attraktiv genug, um sich hier niederlassen zu wollen? Die Redaktion hat dazu die Fraktionssprecher des Stadtrat gefragt – und sie haben ausführlich geantwortet. Foto: SZ

Die Hausärzteproblematik im Schrobenhausener Land spitzt sich zu. In Aichach und Pfaffenhofen fangen große medizinische Versorgungszentren (MVZ) und die gewachsenen Strukturen vieles ab, in Schrobenhausen bröckeln diese Strukturen.



Lesen Sie auch: Aktuell nicht möglich, im Schrobenhausener Land einen Hausarzt zu bekommen

Ein MVZ mehr – und alles wäre wieder im Lot. Aber – ist die Stadt attraktiv genug, um Menschen von außen zu überzeugen, sich hier niederzulassen, auch Ärzte?

Ist Schrobenhausen lebendig, attraktiv, kultiviert genug? Stimmen aus den Umlandgemeinden und Forderungen an das Mittelzentrum Schrobenhausen sehen offensichtlich noch Luft nach oben. Wie wird das in den Stadtratsfaktionen wahrgenommen? Wir haben die Fraktionssprecher gefragt, sie haben ausführlich geantwortet:

JOACHIM SIEGL, GRÜNEN-FRAKTION

Was der Stadt fehlt, sind Perspektiven jenseits des Autoverkehrs. Es ist wie so oft in Schrobenhausen: die Stimmung ist schlechter als die Lage. Für eine kleine Stadt im Einzugsgebiet der Großstädte München, Augsburg und Ingolstadt ist Schrobenhausen gar nicht so schlecht aufgestellt.

Wir haben nicht nur sehr gute Schulen, eine tolle Stadtbücherei und eine städtische Musikschule am Ort, sondern auch ein breites kulturelles Angebot vom Kino über die Erwachsenenbildung in der vhs bis zu den Tagen der Barockmusik oder Noisehausen. Es gibt manch größere und betuchtere Gemeinde in der Metropolregion, die da gar nicht mithalten kann.

Ganz sicher muss sich Schrobenhausen auch vor Aichach und Pfaffenhofen nicht verstecken. Ob Sportvereine, Verkehrsverein oder die vielen anderen Gruppen und Organisationen, auch die Bürgerschaft sorgt engagiert und erfolgreich dafür, dass wir ein lebenswertes Städtchen sind. Wir tun gut daran, das, was hier geleistet wird, wertzuschätzen und zu pflegen.

Mit Sicherheit ist noch Luft nach oben. Ob bei der Kulturförderrichtlinie oder der logistischen und bürokratischen Unterstützung für Veranstalter muss das Fördern von Initiativen im Vordergrund stehen. Nur so kann die so wichtige Dynamik derer, die etwas auf die Beine stellen wollen, erhalten werden.

Die sehr richtige Entscheidung, bei der Stadt eine Stelle für Jugend und Ehrenamt zu schaffen, hat schon viel zum Entstehen eines aktiven Jugendstadtrates beigetragen. Das ist so wichtig, weil die Stadt gerade den Jugendlichen und jungen Erwachsenen außer dem Jugendzentrum wenig zu bieten hat. Es fehlen öffentliche Räume mit Aufenthaltsqualität, die man nutzen kann, ohne Geld dafür ausgeben zu müssen. Für Kleinkinder und deren Eltern ist im autofreien Bereich der Innenstadt, dem Lenbachplatz, ein solcher Ort entstanden. Die Innenstadt wäre noch groß genug, um die Kfzs raus und noch mehr Menschen rein zu bringen.

Die Landesgartenschau im Jahr 2031 muss ebenfalls dazu genutzt werden, dass solche Orte in Form von Parks entstehen.

So schön Schrobenhausen ist, was Menschen unter Umständen abhält, ihren Lebensmittelpunkt hierher zu verlegen ist, dass das Mobilitätsangebot so schlecht ist. Wer Medizin studiert hat, hat wahrscheinlich in einer Unistadt gelebt und sich an funktionierenden ÖPNV und guten Radverkehr gewöhnt und ist in Schrobenhausen zurecht enttäuscht.

Wer Kinder hat, ist mangels ÖPNV mit einem nennenswerten Teil seiner Zeit als Taxifahrer eingespannt. Paare, bei denen nicht beide Partner hier arbeiten wollen, vermissen eine schnelle und auch in den Abendstunden und am Wochenende verfügbare Anbindung nach München und Augsburg. Von Schrobenhausen ohne Umstieg mit dem Zug nach München klingt erst einmal nach Größenwahn, ist es aber nicht. In der Aichacher und Dachauer Gegend wird über eine Direktverbindung diskutiert. Wenn das auch ein Großprojekt ist, ist es keines, das Schrobenhausen allein bestreiten muss. Für alle Bahnhofsgemeinden bis Friedberg wäre das eine riesige Entwicklung.

Während man in München auf Hauptstraßen sichere Radstreifen einrichtet, kann sich die Stadtratsmehrheit in Schrobenhausen noch nicht mal für eine Fahrradstraße in der Georg-Leinfelder-Straße entscheiden. Menschen, die Autofahren nicht für die einzig natürliche Fortbewegungsweise halten, spricht eine solche Infrastrukturpolitik nicht an und sie finden andere Kommunen, die zeitgemäßere Antworten finden.

Die Versorgungslücke bei den Ärzten ist keine Überraschung, sondern sie kommt mit Ansage. Die Möglichkeiten der Stadt hier gegenzusteuern sind allerdings überschaubar. Ärztinnen und Ärzte, die es nicht gibt, wird man nicht hierher locken können. Die Vergütungssysteme, die es attraktiver machen, sich in größeren Städten niederzulassen, werden auch anderswo entschieden.

Wenn es darum geht, Rahmenbedingungen zu schaffen oder innovative Konzepte zu entwickeln, wie man die eigene Attraktivität steigern kann, ist aber noch viel Luft nach oben. Da greift die leidige Frage nach den Personalressourcen. Es ist ziemlich leicht, Ideen zu entwickeln – Werbung auf Ärztekongressen oder Präsentationstage für mögliche Interessenten – aber die Umsetzung ist zeit- und gegebenenfalls auch kostenintensiv. Da liegt eine große Aufgabe für ein professionelles Stadtmarketing, das weit über Spargel- und Weihnachtsmarkt hinausgeht.

RUDI KOPPOLD, FREIE WÄHLE

Grundsätzlich muss ich festhalten: Wir sind eine Kleinstadt und können mit den größeren Städten nicht unbedingt mithalten. Allerdings liegt die Stadt Schrobenhausen nicht irgendwo, sondern im Städtedreieck München- Augsburg - Ingolstadt, die schnell erreichbar sind. Wir können alle entscheidenden Grundbedürfnisse vor Ort versorgen, wie zum Beispiel Kindergärten, Schulen, Freibad, Musikschule, Volkshochschule, die Polizei, den Wochenmarkt, interessante Arbeitgeber und so weiter. Also alles, was nach meiner Meinung zu einem Mittelzentrum gehört. Vieles ist zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar. Natürlich – es fehlt eine Gerichtsbarkeit oder ein Landratsamt, aber wie oft braucht man das? Supermärkte sind auch alle vorhanden, in der Innenstadt gibt es Geschäfte, und diese sollten genutzt werden. Brauche ich die umliegenden Städte? Das ist hier die Frage. Am Rande: Die Baulandpreise in den Städten rundherum sind etwas höher als in Schrobenhausen.

Schaut Schrobenhausen zu sehr nach innen? Diesen Vorwurf kann ich teilweise nachvollziehen. Es findet aber nach meinem Wissen ein regelmäßiger Gedankenaustausch zwischen dem Schrobenhausener und den Umland-Bürgermeistern statt. Hier müssen die Dinge angesprochen werden. Inwieweit etwas umsetzbar ist, wie zum Beispiel Umgehungsstraßen oder eine Anbindung der Pfaffenhofener Straße an die B300, hängt auch von den örtlichen Gegebenheiten ab. Das Hallenbad, das Freibad, die Musikschule oder auch die vhs werden vom Umland genutzt.

Ich bin sehr wohl der Meinung, dass Schrobenhausen als Mittelzentrum seine Berechtigung hat. Wir sollten unser Augenmerk auf den Erhalt des vorhandenen richten und durchaus das Umland in unsere Entscheidungen berücksichtigen, aber vieles hängt auch von der Finanzierbarkeit der Investitionen ab.

Unterschiedliche Prioritäten gibt es. Selbstverständlich würden wir uns eine Stadthalle wünschen, die Gartenschau seht an, Umgehungsstraßen werden herbei gesehnt – das eine mehr, das andere weniger. Wir müssen unseren Blick auf das Machbare richten.

STEFAN EIKAM, SPD/PROSOB

Wir erhalten von außen, also von Bürgern aus dem Umland und auch aus den größeren Nachbargemeinden die Rückmeldung, dass man Schrobenhausen als durchaus attraktiv empfindet. Auch das, was in Schrobenhausen geboten ist, wird oftmals als durchaus ansprechend und positiv kommentiert.

Gerade im Vergleich mit Neuburg und Aichach ist dort kein Mehrangebot im Verhältnis zu Schrobenhausen sehen. Im Gegenteil hat Schrobenhausen durchaus auch Projekte mit Strahlkraft, die diese Kommunen nicht zu bieten haben.

Sicher ist es so, dass die zurückliegenden Jahre mit der Pandemie ehrenamtliches Engagement – von dem vieles an Attraktionen und Angebot getragen wurde – gelitten hat. Hier gilt es, gezielt weiterhin dieses Engagement zu unterstützen. Dies tut die Stadt auch, teilweise dadurch, dass man den Trägern Absicherung oder finanzielle Unterstützung gewährt, teilweise wurden die Aufgaben auch in professionelle Hände gelegt also personell unterstützt.

Der Individualverkehr und der öffentliche Nahverkehr sind jedoch ein Problem, das man generell für Schrobenhausen und das Umland gemeinsam sehen und lösen muss. Dabei gibt es keinen Schrobenhausener Verkehr und keinen Umlandverkehr, sondern es gibt Verkehr, der in Schrobenhausen auf den Straßen stattfindet und seine Ursache sowohl im Umland als auch in Schrobenhausen selbst hat. Es wäre hier ein grober Fehler, das isoliert zu sehen.

Auch wir sind der Meinung, dass wir im Bereich Verkehr die Anbindung des Umlands an Schrobenhausen insbesondere durch die Einführung eines ÖPNV, der diesen Namen auch verdient, verbessern müssen. Zum Beispiel durch ein hochfrequente Rufbussystem, dass die Umlandgemeinden unbedingt mit einbinden muss. Das halten wir für eine dringendsten Maßnahmen.

Auch ein attraktives Angebot und eine Verlagerung der Verkehrsströme der Schrobenhausener auf andere Verkehrsmittel oder den ÖPNV dient den Umlandgemeinden, weil dies für sie die Situation, die möglicherweise auf einen Pkw angewiesen sind, um Schrobenhausen zu erreichen, insgesamt verbessern würde.

Ansonsten muss es unser stetiges Ziel sein, die Situation in Schrobenhausen zu verbessern. Naturgemäß führt jede Verbesserung des Angebots in Schrobenhausen auch zu einem besseren Angebot auch für die Umlandgemeinden. Dabei muss es unser stetiges Ziel sein, selbstverständlich bei solchen Angeboten auch die besonderen Interessen der Umlandgemeinden immer mit abzufragen und möglichst mit zu berücksichtigen. Dass Schrobenhausen am Bedarf und den Interessen der Umlandgemeinden vorbei agiert werden würde, können wir nicht erkennen.

Die Problematik der ärztlichen Versorgung in Schrobenhausen ist ein gravierendes jedoch auch ein vielschichtiges Problem. Noch zuletzt hatte die kassenärztliche Vereinigung Bayern in einem umfangreichen Vortrag gegenüber dem Stadtrat klargestellt, dass – was sich kaum nachvollziehen lässt – gemäß den Kriterien der KVB man aktuell immer noch von einer hausärztlichen Überversorgung in Schrobenhausen ausgehe. Dies macht die Situation für Neuansiedlungen problematisch. Dies ist leider ein Problem das Schrobenhausen nicht lösen kann, sondern bei dem man nur versuchen kann auf parteipolitischer Ebene auf eine Änderung hinzuwirken.

Zur Steigerung der Attraktivität hatten wir bereits unter Bürgermeister Stephan einen umfangreichen Antrag gestellt, der ein Konzept zur Steigerung der Attraktivität von Schrobenhausen für Ärzte beinhaltete, der kommunale Unterstützung in allen Bereichen für interessierte Ärzte und der Organisation der Kinderbetreuung über die Mithilfe in allen anderen Lebensbereichen bis hin möglicherweise zur Findung einer geeigneten Immobilie beinhaltete. Dieses Projekt muss weiter vorangetrieben werden.

Ansonsten gilt es die Strukturen in Schrobenhausen weiterhin zu stärken und zu unterstützen. Die Maßnahme der Errichtung einer in der Region ansonsten nicht vorhandenen Veranstaltungshalle, die unserer Ansicht nach von allen Parteien im Stadtrat unterstützt werden wird, ist dabei sicher auch eine wichtige Maßnahme

MATTHIAS REISNER, CSU/JU-FRAKTION

In Sachen Lebendigkeit gibt es durchaus noch Potenzial nach oben. Auch was die Frage angeht, wie sich die Stadt als Mittelzentrum aufstellt. Als CSU/JU haben wir uns bereits zum Thema VEP mit dem Umland getroffen. Da gibt es Redebedarf und ein großes Interesse, die Themen mitunter gemeinsam anzupacken. Wir als Stadt werden unserer Rolle als Mittelzentrum zurzeit nicht gerecht. Das ist Fakt.

Unser Ziel ist aber klar: Wir müssen in vielen Bereichen deutlich besser werden. Stadtrat und Bürgermeister müssen sich endlich klar bekennen, welche Rolle Schrobenhausen künftig einnehmen möchte. Nur wenn wir wissen, wer wir sein wollen, erreichen wir das. Dazu müssen wir aber endlich den Schlafwagenmodus verlassen.

Aber auch das ist Fakt: Schrobenhausen ist eine wunderschöne Stadt und hat auch viel zu bieten.

Als CSU suchen wir auch weiterhin das Gespräch mit unserem Umland. Gerade in Bezug auf die hausärztliche Versorgung müssen wir uns bemühen, dass sich die Situation nicht weiter verschärft. Im Januar ist ein Treffen mit unserem Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek, am Rande des Neujahrsempfangs angesetzt, um eben diese Problematik anzusprechen.

Parallel dazu ist es essenziell wichtig, dass wir unser Kreiskrankenhaus langfristig halten und so die Grundversorgung für unserer Bürgerinnen und Bürger garantieren. Über unsere Abgeordneten sind wir auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) im Austausch, um eine Lösung zu finden. Generell, und das ist das eigentliche Problem, ist der Handlungsrahmen der Kommunalpolitik hier aber sehr eng gesteckt.

FRANZ MÜHLPOINTNER, BVS/DU-FRAKTION

Schon als Dr. Rupp seinen Kassensitz aufgab, habe ich bei der Stadtverwaltung nachgefragt- Reaktionen darauf gab es wenig. Meiner Ansicht nach ist die Entwicklung für die Stadt nachteilig.

Ich habe in den vergangenen Jahren verschiedene Vorschläge gemacht, auch zum Thema Umland mit Blick auf das Mittelzentrum. Einer war, die Bürgerbus-Linien weiter auszudehnen. Das wurde nie aufgegriffen, und den Bürgerbus gibt es inzwischen gar nicht mehr. Tatsächlich hat ja Schrobenhausen allein schon mit der Anbindung der eigenen Ortsteile Probleme.

Und es geht langsam. Wenn ich nur an die Dorferneuerung in Sandizell denke – normalerweise dauert so etwas sechs, sieben Jahre, bei uns waren es 15. Im Jahr 2007 war die Anordnung von Minister Miller. Und dann gibt es auch noch neidische Stimmen aus den anderen Ortsteilen. Man müsste so etwas halt nicht nur in Sandizell machen.

Wenn man für die eigenen Bürger und die der Umlandgemeinden attraktiv sein will, dann muss man etwas bieten. Diskothek. Stadthalle, solche Dinge. Was aber ist gemacht worden? Rathaus. Fernwärme. Das mag ja alles schön und wichtig sein, aber das ist nichts, was die Attraktivität der Stadt für die Bürger steigert.

Und es wurde so viel gemacht, ohne einen großen Plan zu haben. Die Verwaltung ist vor der Sanierung aus dem Rathaus ausgezogen, ohne dass es einen Plan gab, was man aus dem Rathaus macht. Und was gemacht wurde, das wurde aus der Portokasse bezahlt, anstatt langfristig zu finanzieren. Die Folgen merken wir jetzt.

Es ist auch eine Aufgabe der Stadt, beim Thema Ärzte dranzubleiben, Druck zu machen. Es muss etwas geschehen. Dr. Rostek in Aresing, Dr. Schuchardt in Waidhofen, Dr. Groener in Hohenwart, gleich mehrere in Schrobenhausen – und die beiden nächsten, die demnächst aufhören, sind auch schon bekannt.

Ich bin in meinem Berufsleben bei der Firma Bauer wahnsinnig viel rumgekommen. Ich habe viele andere Städte gesehen, und ich habe gesehen, was in anderen Städten alles geht – und was in Schrobenhausen alles nicht geht. Schwierig, schwierig.

SZ