Schrobenhausen
Heilpraktiker-Prozess: Verteidigung zweifelt Hochschulprofessor an

Mitangeklagter verlangt Freilassung

11.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:44 Uhr

Der angeklagte Ingolstädter Unternehmer hat seine Freilassung beantragt. Foto: SZ-Archiv

Verteidigererklärungen zum BG-Mun-Gutachten, ein Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft und die Vernehmung des Chefs der Klinik, in der Sabine H. behandelt worden ist: Mit sehr unterschiedlichen Themen ist das Betrugsverfahren gegen eine Schrobenhausener Heilpraktikerin und einen Ingolstädter Unternehmer fortgesetzt worden.



Vor mehreren Monaten hatte das Ingolstädter Landgericht einen Onkologen der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Er sollte klären, ob BG-Mun – wie von den Angeklagten laut Zeugenaussagen versprochen – Krebs und andere schwere Krankheiten heilen kann. An drei Verhandlungstagen musste sich der Professor auf den Weg nach Ingolstadt machen, um sein schriftliches Gutachten zu erläutern. Sein Ergebnis: Es existiere „kein Nachweis für eine klinische Wirksamkeit“ von BG-Mun.

Bereits vor der Vernehmung des LMU-Professors hatten die Verteidiger der Schrobenhausener Angeklagten die Auswahl des Sachverständigen scharf kritisiert: Als Schulmediziner sei der LMU-Professor „persönlich wie fachlich nicht geeignet“, naturheilkundliche Verfahren zu bewerten.

Hochschulprofessor nichtauf Augenhöhe?

Die Vernehmung des Gutachters habe die „Vorbehalte bestätigt“, heißt es nun in einer am Dienstag verlesenen Erklärung der Verteidiger des Ingolstädter Unternehmers. Eine „evidenzbasierte Studienlage“ zugrunde zu legen, „verkennt in elementarer Weise“, dass im Rahmen alternativer Heilmethoden „sämtliche Therapien“ angeboten werden dürften, „die nicht verboten sind“.

Dies sei ein Gebot der „Therapie- und Methodenfreiheit“, ergänzten die Anwälte der Heilpraktikerin und fügten hinzu: Ein Sachverständiger, der die Sache „ausschließlich durch die Brille des klassischen Mediziners“ betrachte, sei „nicht auf Augenhöhe mit unserer Mandantin“. Die Ergebnisse des Gutachtens seien deshalb nicht verwertbar. Darauf, dass die Angeklagten gegenüber Patienten unter anderem versprochen haben sollen, BG-Mun könne Krebs „zu nahezu hundert Prozent“ heilen, gingen die Verteidiger nicht ein.

Mitangeklagter möchteaus der Untersuchungshaft

Während die Schrobenhausener Heilpraktikerin auf freiem Fuß ist, sitzt der Ingolstädter Unternehmer nach wie vor in Untersuchungshaft – seit rund drei Jahren; er war auf Zypern festgenommen worden. In einer von ihm selbst verlesenen Erklärung beantragte er nun seine Freilassung. Ein ausländischer Wohnsitz alleine begründe noch keine Fluchtgefahr, argumentierte der 67-Jährige und verwies auf „soziale Bindungen“ zu seiner Familie in Ingolstadt. Außerdem müsse bei einer Gesamtabwägung neben der langen Prozessdauer berücksichtigt werden, dass er krank sei. Das Gericht wird möglicherweise schon am nächsten Verhandlungstag kommende Woche über den Antrag entscheiden.

Vernommen wurde am Dienstag Professor Jens Atzpodien von der Osnabrücker Klinik, wo die mittlerweile verstorbene Sabine H. mit einer Chemotherapie gegen ihren Speiseröhrenkrebs behandelt worden war. Sabine H. war es, die sich an das RTL-Magazin „stern TV“ gewandt und damit die Ermittlungen in Gang gebracht hat. Viel zur Aufklärung betragen konnte Atzpodien allerdings nicht. Er hatte zwar für einen der „stern TV“-Beiträge ein Interview gegeben, Sabine H. als Leiter der Klinik aber nicht selbst behandelt.

Fazit: ein weiterer langer Verhandlungstag, kaum neue Erkenntnisse. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Sache nach über eineinhalb Jahren ausermittelt sein dürfte. Die sechs weiteren Verhandlungstage, die bis Anfang März angesetzt sind, dürften dann notwendig werden, wenn das Gericht der Forderung der Verteidigung nachgehen und naturheilkundliche Sachverständige hinzuziehen sollte.

SZ