Schrobenhausen
Frau Professor Heilpraktikerin? Wohl nicht

Heilpraktikerprozess gegen Renate G. und Ulrich B. am Landgericht Ingolstadt geht weiter

22.02.2022 | Stand 23.09.2023, 2:38 Uhr

Firmierte in ihrer Praxis als Professorin: die Schrobenhausener Heilpraktikerin Renate G., die unter anderem wegen Betrugs angeklagt ist. Foto: Archiv

Wie berichtet, haben beide Angeklagten den Vorschlag des Gerichts für einen Deal abgelehnt. Dieser sah für die Heilpraktikerin, die das laut Anklage wirkungslose Präparat BG-Mun als Heilmittel gegen Krebs und andere schwere Krankheiten an ihre Patienten verkauft haben soll, im Kern eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren und zehn Monaten gegen ein Geständnis vor. Ulrich B., der BG-Mun vertrieben haben soll, hatte die Strafkammer bei einem Geständnis eine Maximalstrafe von sechs Jahren in Aussicht gestellt.

Der Verständigungsvorschlag sah auch vor, das Verfahren hinsichtlich eines Großteils der rund 70 angeklagten Betrugstaten einzustellen. Daran will die Strafkammer auch ohne Deal festhalten: Ansonsten müssten, wie der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl zu bedenken gab, zu den bereits vernommenen etwa 60 Zeugen 40 weitere angehört werden. So sei man „mit den Zeugen ziemlich am Ende", erklärte Kliegl.

Jetzt ist der Staatsanwalt am Zug

Zur Einstellung bedarf es eines Antrags der Staatsanwaltschaft. Staatsanwalt Christian Reichert wollte sich dazu am Dienstag noch nicht äußern.

Nicht erforderlich ist, dass auch die Verteidigung zustimmt. Wozu auch? Die meisten Angeklagten werden froh sein, wenn ein Teil der Anklagevorwürfe wegfällt. Anders Renate G.: Er sei „überhaupt gar nicht glücklich“, bekannte einer ihrer Verteidiger. Die angeklagten Taten wiesen „unterschiedliche Ermittlungsqualität" auf. Bei der Auswahl sei das Gericht „kopflastig“ vorgegangen und habe die für seine Mandantin „negativen Fälle“ herausgepickt. Dadurch sei das Gesamtbild verfälscht worden. Richter Kliegl hielt dem entgegen, dass auch ein Fall eingestellt werden soll, in dem Renate G. in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Zivilrechtsverfahren zu Schadensersatz wegen Betrugs verurteilt worden ist. Offen zeigte sich der Vorsitzende hinsichtlich einer Aufhebung des Haftbefehls gegen Renate G., der zwar außer Vollzug gesetzt, aber weiter existent ist. Im Falle einer Teileinstellung „könnten wir darüber reden“, so Kliegl.

Titel darf nicht öffentlich geführt werden

Renate G. wird neben Betrug Titelmissbrauch vorgeworfen, weil sie sich unbefugt als Professorin ausgegeben haben soll. Tatsächlich hat ihr die „Canceraid Church“ in Nevada die Ehrenprofessorwürde verliehen „für ihre herausragenden Leistungen in der Krebshilfe“. So steht es in der Urkunde. Nach einer Stellungnahme der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen handelt es sich um einen von „zahllosen Fällen“, in denen „Schmuckzertifikate gegen Spenden“ ausgestellt werden. Weder sei die Organisation anerkannt, noch dürfe der Titel öffentlich geführt werden. Dies ergebe sich bereits aus dem äußeren Anschein: Warum sollte die Urkunde einer amerikanischen Kirche in deutscher Sprache verfasst sein?

Die Verteidiger von Renate G. hatten von Beginn des Prozesses an klar gemacht, dass ihr Ziel ein Freispruch ist. Der weitere Verlauf des Prozesses wird nun maßgeblich davon abhängen, welche und wie viele Beweisanträge sie stellen werden. Von den drei Anträgen, die sie am Dienstag gestellt haben, ist vor allem der interessant, mit dem sie nachweisen wollen, dass die Heilpraktikerin glaubte, Ulrich B. habe BG-Mun selbst hergestellt. Das passt zu der früheren Darstellung, Renate G. habe „nur das weitergeleitet, was ihr gesagt wurde“, und könnte dafür sprechen, dass sie nicht vorsätzlich, sondern allenfalls fahrlässig getäuscht hat. Einen fahrlässigen Betrug gibt es im Strafrecht nämlich nicht.

SZ