Neuburg
Das schwierige Comeback

Der russische Künstler und Kriegsflüchtling Sergey Bazhenov stellt im Bürgerhaus Ostend neu geschaffene Werke aus

07.12.2022 | Stand 18.09.2023, 4:25 Uhr
Vicky Müller-Toùssa

Erst vor zwei Monaten ist Sergey Bazhenov (2. von links) nach Neuburg gekommen. Seine Endrücke, aber auch seine Erlebnisse auf der Flucht hat er künstlerisch verarbeitet und konnte nun mit Hilfe von Stadtteilmanager Jürgen Stickel (links) seine erste Ausstellung hier organisieren. Der 23 Jahre alte Ukrainer Jevhen Baran (2. von rechts) fungierte als Dolmetscher und Ivan Zviagin (rechts) ist ebenfalls aus Russland zusammen mit Bazhenov nach Deutschland geflüchtet. Foto: Müller-Toùssa

Von Vicky Müller-Toùssa

Neuburg – Es ist immer schwer, in einem fremden Land neu anzufangen. Der russische Künstler Sergey Bazhenov versucht, in Neuburg wieder Fuß zu fassen. Bezeichnenderweise hat er für seine erste Ausstellung im Bürgerhaus Ostend den Titel „Das schwierige Comeback“ gewählt. Die Vernissage war vergangenen Freitag.

Sergey Bazhenov ist vor zwei Monaten aus Kursk als Kriegsflüchtling in Deutschland angekommen. Er hat ein halbes Jahr an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine gelebt und so die Bombardierungen täglich mitbekommen. So traf er den Entschluss seine Heimat zu verlassen. Er stieg in einen Bus, nur mit einem Rucksack und dem, was er am Leibe trug, und reiste zusammen mit zahlreichen anderen von Kursk über den Kaukasus zunächst einmal in die Türkei. Dort musste er zwei Wochen auf sein Visum warten. Als große Stütze nannte Bazhenov die Friedrich-Ebert-Stiftung, die ihm half, ein humanitäres Visum zu erhalten, was für die Weiterreise unabdingbar war. Per Flugzeug ging es dann von der Türkei aus nach München. Dass er nun in Neuburg lebt, habe er sich nicht selbst ausgesucht, dies wurde in München so bestimmt. Aber er sei sehr dankbar dafür, berichtet Bahzenov. In Deutschland fühle er sich als Kriegsgegner wieder frei. „Ich habe das Gefühl, dass das mein Platz ist“, teilte er in seiner Rede mit.

Bazhenov lebt nun in der Flüchtlingsunterkunft in der Nördlichen Grünauerstraße. Dort sind auch alle seine nun ausgestellten Werke entstanden. Denn er wolle seinen Aufenthalt nicht tatenlos verbringen. Sobald es ihm nach seiner Ankunft möglich war, hat er von seinem Geld Acrylfarbe, Pinsel und Leinwände besorgt und legte sofort los. „Ich war ganz erstaunt, wie günstig hier die Malutensilien im Vergleich zu Russland sind“, erzählt Bazhenov mit Hilfe eines Dolmetschers. Denn Deutsch spricht er noch nicht, obwohl er seine Begrüßungsrede auf Deutsch vorlas. Große Freude hatte er bei der Entstehung der 22 Bilder, nicht zuletzt, weil auch die Kinder im Flüchtlingsheim ihn umringten und mitmalen wollten. Schnell war für den 53 Jahre alten ausgebildeten Illustrator klar, dass er seine Arbeiten der bayerischen Allgemeinheit zeigen möchte. So kam Jürgen Stickel von den Neuburger Bürgerhäusern ins Spiel. Ihn hat Bazhenov vor weniger als drei Wochen angefragt, ob er in den Räumlichkeiten des Mehrgenerationshauses ausstellen dürfe.

Die Antwort des Stadtteilmanagers lautete Ja. Denn er unterstütze, wo er eben könne, so Stickel. Aber auch, „weil es Teil unserer gemeinnützigen Tätigkeit ist“. Die Neuburger Bürgerhäuser stehen für Integration und deren Förderung. So hängen nun die expressiv und abstrakt gemalten Kunstwerke auf zwei Etagen und zeigen den Ortswechsel wie auch die Anpassung Bazhenov an seine neue Lebenssituation. Im Besonderen haben es Bazhenov Stadtlandschaften angetan, vor allem bekannte Neuburger Orte aus seiner Sicht und Wahrnehmung. Aber nicht nur das: Seine Gemälde spiegeln seine Gefühlswelt, von der Abreise aus Kursk bis hin zur Ankunft und seinem Aufenthalt im Flüchtlingsheim in Neuburg wider. Sie haben Bazhenov geholfen, das bisher Erlebte besser zu verarbeiten, wie er selbst sagt. Doch wer ist nun dieser Mann? Geboren wurde Sergey Bazhenov im Wolgograder Gebiet in Volzhskiy. Er studierte Kunst und Grafik an der Fakultät des Pädagogischen Instituts Kursk. Seit 1989 nimmt er an verschiedenen Ausstellungen teil und gehört seit 2001 dem Berufsverband der Künstler an. Zudem erhielt er 2017 den Kasimir-Malewitsch-Volkspreis. Wer sich selbst ein Bild von seinen Werken machen möchte, hat bis auf weiteres im Neuburger Bürgerhaus im Ostend die Gelegenheit dazu.

DK