Interview
Keine Klimakleber: Der Jugendbeauftragte erklärt, wie Schrobenhausens Nachwuchs tickt

07.12.2022 | Stand 18.09.2023, 4:27 Uhr

Radikale Klima-Aktivisten in Schrobenhausen? Nein, diese drei Personen haben sich nur fürs Foto an den Brunnen in der Unteren Stadt gekettet. Foto: A. Schilling

Schrobenhausens Jugendbeauftragter Benedikt Schmid spricht im Interview über zivilen Ungehorsam, Konsumkritik und die „Letzte Generation“.



Erst Fridays for Future mit regelmäßigen Demonstrationen, jetzt die Letzte Generation, die im Namen des Klimaschutzes härtere Töne anschlägt und die auch zu Mitteln wie zivilem Ungehorsam greift. Für die einen sind diese engagierten Klimaschützer Helden, in den Augen anderer sind diese sogenannten Klimakleber Extremisten. Wie wird das, was da draußen passiert, bei Jugendlichen im Schrobenhausener Land wahrgenommen? Die SZ fragte nach bei Benedikt Schmid, dem Jugendbeauftragten der Stadt Schrobenhausen.Herr Schmid, hat sich in letzter Zeit irgendjemand an Ihr Auto gekettet oder vor Ihrer Bürotür an den Boden gepappt?Benedikt Schmid: (lacht) Nein. So etwas ist mir noch nicht passiert.

Rechnen Sie damit?

Schmid:
(überlegt) Nein, in Schrobenhausen nicht.

Jugendliche sind Ihr Fachbereich, Sie haben täglich mit jungen Menschen zu tun. Ist die Klimakatastrophe bei den Jugendlichen ein so dominantes Thema, wie es die Letzte Generation und auch die Medien darstellen?

Schmid: Ja. Das ist schon seit Jahren so. Das war schon zu meiner Zeit als Streetworker so. Und, denken wir nur an den Jugendstadtrat, der sehr stark an dem Thema dran ist. Die Jugendstadträte versuchen, schrittweise ein paar Sachen voranzubringen und beteiligen sich auch an den Umwelttagen.

Wird der Umgangston aggressiver?

Schmid: Bei den Jugendlichen in Schrobenhausen erlebe ich das nicht. Solche Radikalisierungen hängen ja immer mit frustrierenden persönlichen Erfahrungen zusammen. Aber in Schrobenhausen kanalisiert ja der Jugendstadtrat die Anliegen der Jugendlichen und verhindert somit Radikalisierung.

Werden die Diskussionen inhaltlich aggressiver? Verlagern sich Schwerpunkte?

Schmid: Ja, auf alle Fälle. Alleine schon deshalb, weil der Jugendstadtrat immer größer wird. Die Jugendlichen sind heute erstaunlich aufgeklärt über das Thema Klimaschutz. Sie wissen Bescheid. Und wissen natürlich auch, dass vieles nicht so läuft, wie es laufen sollte. Dass wir enormes Verbesserungspotenzial in der Klimapolitik haben. Aber sie sind bereit, mitzuarbeiten und politische Ideen zu unterstützen. Es gibt inzwischen auch einen eigenen Arbeitskreis Umwelt mit sehr guten Ideen. Zum Beispiel das Mehrweg-Pfandsystem für die Gastronomie.

Macht die Stadt konkret mit Jugendlichen etwas für den Klimaschutz?

Schmid: Ja. Viel. Zum Beispiel haben wir Biobrotboxen in Grundschulen verteilt. So werden schon die Kleinsten für Umweltschutz sensibilisiert. Die Aktion ist gut angekommen. Oder das Thema Beleuchtung. Spannend war hier, was wir festgestellt haben, dass die Stadt bereits sehr klimafreundlich ist. Weil schon viel auf LED umgestellt ist. Außerdem haben wir zweimal im Jahr Müllsammelaktionen.

Solche gemeinsamen Aktionen sind typisch für eine Demokratie. Einigen reicht das aber bei weitem nicht mehr. Die Letzte Generation hat sich für einen anderen Weg entschieden: zivilen Ungehorsam. Haben Sie Verständnis dafür?

Schmid: Ziviler Ungehorsam wird generell häufiger. Denken wir nur an Corona. Man kann ihn nicht verbieten. Was auch sinnlos wäre. Wenn man sich die Geschichte anschaut, zum Beispiel bei den Frauenrechten, fingen Verbesserungen immer mit solchen Aktionen an. Deswegen ist es wichtig, Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ob der Weg, den die Letzte Generation eingeschlagen hat, der richtige ist, möchte ich nicht beurteilen. Für mich rein persönlich sind das aber keine Aktionen, bei denen ich sage: Wow, cool. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

Also, werden Sie sich nirgend aus Klimaschutzgründen anketten oder festkleben.

Schmid: Nein, für mich ist das nichts. Rein inhaltlich stehe ich dazu, aber der Weg ist der falsche. Wenn jemand diese Art des zivilen Ungehorsams wählt, muss er die Strafen dafür akzeptieren. Und ich bezweifle stark, ob man damit die Gesellschaft für diese wichtigen Themen begeistern kann.

Sie verfolgen den Einsatz Jugendlicher für den Klimaschutz schon länger. Zuerst gab es die Fridays for Future, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Schulschwänzer verunglimpft wurden. Jetzt haben wir die Letzte Generation, die auch vor Straftaten nicht zurückschreckt. Gibt es noch eine weitere Eskalationsstufe, wenn sich nichts ändert?

Schmid:
Einschlafen wird es nicht. Dafür ist das Thema zu präsent. Und es wird in den nächsten Jahren noch präsenter werden. Die Frage ist, was passiert, wenn Medien und Teile der Gesellschaft nur mit Hass und Strafen auf die Proteste reagieren. Dieses Verhalten könnte nämlich zu einer weiteren Radikalisierung führen. Da muss man immer mehrere Seiten sehen. Mir fehlt in der öffentlichen Diskussion grundsätzlich die Ausgewogenheit der Argumente. Zu emotional, zu polarisierend. Entweder dafür oder dagegen. Die Sichtweise der Letzten Generation kommt zu kurz. Diese jungen Menschen sehen: Okay, wir haben noch 60 Jahre auf diesem Planeten vor uns und kaum jemand tut etwas dafür, dass wir darauf auch wirklich leben können.

Alteingesessene Schrobenhausener und Schrobenhausenerinnen sind recht eigen. Ohne Auto geht ja meist eher nichts ...

Schmid: Ja, das liegt aber an mehreren Faktoren. Der Öffentliche Personennahverkehr ist sehr schlecht und wir sind in einer Autobauregion. Außerdem gibt es viele Pendler.

Wie schätzen Sie das Ökobewusstsein in Schrobenhausen ein?

Schmid: Über die Allgemeinheit kann ich wenig sagen. Aber diejenigen Menschen, mit denen ich zu tun habe, also Jugendliche und Ehrenamtler, haben ein großes ökologisches Bewusstsein.

Gibt es Unterschiede bei den Generationen? Haben Jugendliche ein größeres ökologisches Bewusstsein?

Schmid: Jugendliche wachsen quasi damit auf. Das Problem ist inzwischen akut. Wir merken die Veränderungen. Denken wir nur an die heißen, trockenen Sommer.

Das Gespräch führteChristian Fischer