Burgheim
Das Hochwasserdorf verschwindet wohl nie

In Moos läuft die Absiedlung vorerst bis zum Jahr 2030 – Aktuell leben dort 33 Menschen

09.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:27 Uhr

Die Insel Moos: 1999 verwandelte sich die Ebene zwischen Donau-Auwald und Bundesstraße 16 in einen gewaltigen See. Mittlerweile läuft die Absiedlung des Hochwasserdorfes Moos seit mehr als zehn Jahren. Fotos: DK-Archiv/Janda

Von Stefan Janda

Moos – Das sterbende Dorf wird weiterleben. 16 Anwesen umfasst der Burgheimer Ortsteil Moos aktuell. 23 sind bereits abgerissen, bis 2024 sollen es wieder zwei weniger sein. Ganz verschwinden wird das Hochwasserdorf im Donautal aber wohl niemals.

Die Bilder haben sich bei vielen Menschen ins Gedächtnis eingebrannt: Helfer, die mit Booten durch die Straßen fahren. Menschen, die mit Gummistiefeln durch den Ort wandern. Und: massivste Schäden. 1999, 2002 und 2005 drückte die Donau ihre Wassermassen in das Dorf und verursachte an den Gebäuden Schäden in Millionenhöhe. Seitdem zitterten die Bewohner bei jedem Regenguss, bei jeder Schneeschmelze. Zeitweise stand eine Eindeichung zur Debatte. „Doch das hätte in keiner Relation gestanden“, erklärt Burgheims Bürgermeister Michael Böhm. Der einzig logische Schritt war daher die Absiedlung.

Seitdem, also seit gut zehn Jahren, fällt in Moos ein Haus nach dem anderen. 23 Anwesen sind bereits verschwunden. „Heuer folgt eventuell Nummer 24, nächstes Jahr vielleicht das 25 und womöglich noch ein weiteres“, erklärt der Rathauschef, der selbst mit seinen Gemeinderäten mehr oder weniger als Mangelverwalter agieren muss. Denn eine Ortsentwicklung ist in Moos kaum mehr denkbar. „Das wäre paradox“, sagt Böhm. „Wir machen nur noch das Nötigste.“ Dazu gehört beispielsweise die Pflege der Dorfkapelle, die sich im Eigentum der Marktgemeinde befindet.

In die Absiedlung fließen insgesamt etwa 10,5 Millionen Euro. Wer sein Anwesen aufgibt und absiedelt, der erhält 75 Prozent des Schätzwerts. Den Großteil, nämlich knapp zwei Drittel des Werts, bezahlt der Freistaat, sieben Prozent übernimmt die Gemeinde Burgheim und drei Prozent der Landkreis. Ein Angebot, dass die Mooser vor allem in der Anfangszeit der Absiedlung gerne angenommen haben. „Ein bis zwei pro Jahr waren es immer“, erinnert sich Böhm. Seit 2019 werde es weniger. Das liegt auch daran, dass viele Bürger Moos einfach nicht verlassen wollen – und auch nicht müssen. Denn die Maßnahme ist eine rein freiwillige Sache. Wer bleiben will, der darf das auch. Wer in eines der wenigen Mietsgebäude ziehen will, kann das ebenfalls tun – so wie erst eine Familie. „Dieses Beispiel zeigt, dass manche Leute bereit sind, das Risiko aufzunehmen“, sagt der Bürgermeister.

Das Risiko, also die stete Hochwassergefahr, ist vermutlich vor allem dem Bau der Donau-Staustufen geschuldet. „Früher gab es in allen Orten in der Umgebung immer wieder mal Überschwemmungen“, sagte Peter Specht. Der frühere Burgheimer Vize-Bürgermeister und langjährige Bewohner des Hochwasserdorfs erinnert sich noch gut an die Errichtung der Staustufen in den 1960er Jahren, mit denen die Überflutungen eigentlich der Vergangenheit angehören sollten – was tatsächlich auch lange der Fall war. Das Problem: Jahrzehntelang gab es schlichtweg nicht ausreichend Niederschläge, um das Risiko für Moos zu zeigen. Bis die Natur an Pfingsten 1999 mit aller Gewalt zuschlug.

Damals führte die Donau derartige Wassermassen, dass sich der Fluss an der Stepperger Enge zurückstaute. Das Nass strömte in die Mooser Schütt und von dort aus in die Donauebene nach Moos und verwandelte das Dorf ins Zentrum eines gigantischen Sees. „Vor allem über die Kleine Paar schiebt sich das Wasser dabei richtig raus“, erklärt Böhm, der diese Situation auch im Kampf gegen einen Flutpolder bei Bertoldsheim und Burgheim gebetsmühlenartig ins Feld führt. Denn letztlich sei Moos nichts anderes als ein weiterer Polder – mit einem Volumen von etwa 40 Millionen Kubikmeter und damit mehr als der fertige Polder Riedensheim sowie die Planungen für die Rückhaltebecken bei Bertoldsheim, Großmehring und bei Katzau zusammen. „Das ist eine Betroffenheit, die man nicht vergessen darf“, betont Böhm.

Ganz verschwinden wird Moos seiner Meinung nach aber nie. Schon jetzt ist aus dem gut 100-Seelen-Ort ein arg zersiedelter Weiler mit 33 Bewohnern geworden. „Auf null wird Moos nie kommen“, ist der Bürgermeister überzeugt. Dafür spricht die jüngste Umfrage des Wasserwirtschaftsamts Ingolstadt als federführende Behörde für die Absiedlung. Die Rückmeldung: gering.

Dennoch läuft das Programm für absiedlungswillige Bürger erst mal weiter – und zwar bis 2030. Gleichzeitig investiert die Marktgemeinde weiter in die Infrastruktur, zuletzt beispielsweise in eine neue Pumpe für die Vakuumentwässerung. Was allerdings passiert, wenn das nächste Hochwasser in das Dorf drückt, bleibt offen. „Dann müssen wir zumindest über das Gemeindehaus nachdenken“, betont Böhm, der das Gebäude unter anderem für die Jagdversammlungen eigentlich erhalten will. So wird das langsame Sterben des Hochwasserdorfs weitergehen. Schon jetzt sind die Schafe und Kühe in Moos in der Überzahl. Ein Zustand, an dem sich nichts mehr ändern wird.

DK