Altmannstein
Medizinhistorischer Schatz auf dem Speicher

In ehemaliger Schlossgaststätte in Sandersdorf vergessenes Rot-Kreuz-Lager gefunden

13.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:23 Uhr

Der neue Hausbesitzer Patrick Witte (von links), Christoph Pfäffl, Bereitschaftsleiter des BRK Altmannstein und Sebastian Geber, Bereitschaftsleiter des BRK Riedenburg, freuen sich über den historischen Fund.

Von Anna Sonnenmoser

Sandersdorf – „Als ich zum ersten Mal da war, bin ich bestimmt drei Stunden nicht mehr aus dem Staunen herausgekommen“, erzählt Christoph Pfäffl, der Altmannsteiner BRK-Bereitschaftsleiter, mit leuchtenden Augen.

„Aufgeregt wie ein kleines Kind“, sei er vor den Kisten gesessen. Warum Pfäffl so aufgeregt war? In der ehemaligen Schlossgaststätte in Sandersdorf ist unverhofft ein kleiner medizinhistorischer Schatz gefunden worden, der besonders für das BRK Altmannstein eine große Bedeutung hat: Im Dachgeschoss des historischen Gebäudes hatte der neue Besitzer, Patrick Witte, ein vergessenes Rot-Kreuz-Lager gefunden. Dieses ist wohl seit einem halben Jahrhundert nicht mehr geöffnet worden.

Witte, der gerade mit dem Entrümpeln des Hauses beschäftigt ist, war auf dem Speicher auf eine verschlossene Tür gestoßen. Diese war mit zwei Schlössern versperrt. Einen der Schlüssel fand er tatsächlich in einer Kiste im Haus, den zweiten jedoch nicht – also bohrte er das Schloss kurzerhand auf.

Was er dort fand, wollte er nicht für sich behalten und erzählte davon im Dorfgasthof, in dem er während der Ausräumarbeiten wohnt. In der zugehörigen Metzgerei wiederum wurden Christoph Pfäffl die Neuigkeiten weitergegeben – und er setzte sich sofort mit Witte in Verbindung. Patrick Witte liegen Gegenstände mit Geschichte am Herzen und so ist es für ihn selbstverständlich, seinen Speicherfund in die richtigen Hände zu geben: Er überlässt ihn dem BRK-Altmannstein.

Bei dem Treffen mit Witte und den Rot-Kreuz-Vertretern in dem historischen Gebäude lässt sich links und rechts des Gangs ein Blick auf die Räume der früheren Gaststätte erhaschen, die im Moment wie ein Abstelllager aussehen – voll mit Dingen aus vergangenen Jahrzehnten. Weiter geht es in den ersten Stock, in dem bereits Christoph Pfäffl und sein Kollege Sebastian Geber, der Riedenburger BRK-Bereitschaftsleiter, herumwuseln. Nach der ersten großen Freude und dem Staunen geht es nämlich heute ans Ausräumen der Schatzkammer.

Über eine knarzende Treppe steigen die beiden mit Hausbesitzer Witte und zwei fleißigen Helfern eine weitere Treppe nach oben. Und da, gleich gegenüber des Treppenaufgangs, ist eine Tür zu sehen, auf der ein kleines rotes Kreuz auf weißem Grund zu erkennen ist. In der Dachkammer gibt es dann wirklich einiges zu entdecken. Zunächst fallen einem die alten Uniformen ins Auge, die Pfäffl aufgebügelt hat. Sie sind aus anthrazitfarbenem Wollstoff, am Oberarm prangt ein Aufnäher mit dem charakteristischen Rot-Kreuz-Zeichen. Die ältesten stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, sagt Pfäffl. „Die Uniformjacken sind sehr gut erhalten, haben keinen Mottenfraß“, hat er bei der ersten Durchsicht erfreut festgestellt. Neben der Männerausstattung sind auch alte BRK-Schwesternuniformen entdeckt worden: Ein blaues Kleid mit weißer Schürze und Haube mit Rot-Kreuz-Emblem.

Neben den Uniformen wurden alte Holztruhen gefunden, prall gefüllt mit Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln. Vieles ist noch originalverpackt und im Prinzip steril, wie Geber und Pfäffl erklären. Bei einigen Produkten ist ein Datum aufgedruckt, bei anderen nicht. So findet sich beispielsweise ein Verbandspäckchen aus dem Jahr 1939. Bei den Medikamenten kommen einem einige Namen bekannt vor: So liegen in den Kisten Glasfläschchen mit Desinfektionsmittel, ein Pappschächtelchen mit Penicillin und Aspirin-Tabletten in einem flachen Metalldöschen.

Eine alte Wickelmaschine und einige Gasmasken

Ein zunächst seltsam anmutendes Gerät aus Metall wird von Geber als Wickelmaschine für Binden identifiziert. „Die Baumwollbinden sind früher nach dem Auskochen ja wieder verwendet worden“, erklärt er. Auch Metallschienen, die zum Schienen von Brüchen hergenommen wurden, befinden sich unter den Gerätschaften, und ein Trichter, der laut Pfäffl zum Ausspülen des Magens verwendet wurde. Außerdem haben die Männer einige Gasmasken gefunden. Ein Aufdruck – Juni 1943 – bestätigt die Vermutung, dass sie aus dem Zweiten Weltkrieg stammen. Darüber, warum das Rot-Kreuz-Lager gerade hier untergebracht war, hat Pfäffl schon einiges herausgefunden: „In der alten Schlossgaststätte war lange eine sogenannte Unfallhilfestelle des Roten Kreuzes.“

„Heute wählt man die 112“, stellt Pfäffl fest, das sei aber früher gar nicht möglich gewesen, da, heute unvorstellbar, nicht jeder Haushalt im Dorf ein Telefon hatte. Deshalb habe es stationäre Stellen für die Ersthilfe durch das BRK gegeben. Anhand eines Heftchens, in dem vermerkt wurde, wann etwas aus dem Lager entnommen oder ausgeliehen wurde, lässt sich rekonstruieren, wann die Kammer in Vergessenheit geraten ist: Der letzte Eintrag wurde im Jahr 1977 gemacht.

Viele Funde gehen an Rot-Kreuz-Museen

Und wie geht es jetzt mit dem Fund weiter? Der werde jetzt zunächst zwischengelagert und von Pfäffl katalogisiert. Einen Teil wird das BRK-Altmannstein behalten, vieles soll aber an Rot-Kreuz-Museen weitergegeben werden, primär an das in Nürnberg. Vielleicht geht noch ein Teil an das Medizinhistorische Museum nach Ingolstadt.

Pfäffl und Geber haben zwar schon einiges über ihren Schatz herausgefunden, es liegt aber auch noch vieles im Dunkeln. Deshalb würden sie sich sehr freuen, wenn Zeitzeugen oder auch jüngere Menschen, die etwas über die Tätigkeit des Roten Kreuzes in der Schlossgaststätte wissen, sich bei ihnen melden. Zu erreichen ist Christoph Pfäffl per E-Mail an info@brk-altmannstein.de. Vielleicht kann so noch das ein oder andere Geheimnis gelüftet werden.

DK