Das „Doggerl“ zerbröselte
Markante Felspartien prägen das Altmühltal – 1957 Sicherungsarbeiten der Pioniere

16.03.2024 | Stand 16.03.2024, 17:00 Uhr

Felspartie im Wald oberhalb von Bubenroth bei Breitenfurt: Das ruhige Massiv bietet Nischenbrütern Nistgelegenheiten. Fotos: Ettle/Archiv

Malerische und bizarre Felspartien prägen das Altmühltal und ihre Nebentäler. Was sich an den Steilhängen so schön ausmacht, bereitet in den Gemeinden Kopfzerbrechen: Die Jurafelsen zerfallen nämlich im Laufe der Jahrtausende. In jedem Winter und Frühjahr fallen kleinere Teile ab, nicht selten kommt es auch zu schweren Felsstürzen.

So manche einst prägende Formation ist längst verschwunden. Dazu zählen am Eichstätter nach Süden gewandten Hang unterhalb von Wintershof zwei hohe, schlanke Felsen, die sich wie ein Paar gegenüberstanden, und vor Jahrzehnten abgetragen wurden. Oder in Obereichstätt „das zerbröselnde Doggerl“ (Puppe), das Mitte der 1950er- Jahre von Pionieren abgebaut wurde.

Die Soldaten waren früher hie und da im Altmühltal im Einsatz. Sie trugen Felsen ab und bauten Wege durch das Gestein. Dies war eine Übung für die Soldaten und half den Gemeinden.

Immer wieder kommt es trotz der „Felsenputzerei“ und des Sicherns einzelner Steine zu Felsstürzen, die großes Aufsehen erregen. Aus der Chronik der Abstürze nach Berichten im EICHSTÄTTER KURIER: Bei Obereichstätt ging in der Nacht zum 11. April 1957 ein rund 50 Zentner schwerer Brocken ab. Er durchschlug zwei Gartenzäune und blieb an einer Scheune hängen.

Landrat Hans Pappenberger setzte alle Hebel in Bewegung, die drohende Gefahr weiteren Steinschlags zu beseitigen. Ihm gelang es, das Münchener Lehrbataillon der Pioniere für die Aufgabe des „Felsenputzens“ zu interessieren. Die Soldaten bezogen Quartier im Arbeitshaus Rebdorf. Zunächst bauten sie am Bergfuß eine starke Barriere, dann wurde an der steilen Felsnadel eine Mauer zur Sicherung hochgezogen, 25 Stahlstangen eingebaut und zudem Stahlseilsicherungen angebracht. Den Kopf der Felsnadel, im Volksmund „Doggerl“ genannt, trugen die Soldaten Stück für Stück ab. Sein geschätztes Gewicht war 15 Tonnen.

Felsstürze schreckten immer auf. So berichtete die Heimatzeitung am 16. Februar 1937: „Heute gegen 11.30 Uhr brachen aus dem Fels am Zwingerplatz in Eichstätt direkt über der Autogarage des Bäckermeisters Scheidl mächtige Steinklötze unter donnerartigem Getöse herab.“ Die Garage und das darin stehende Auto wurden von den Steinmassen niedergedrückt.

Autofahrer bei Felssturz getötet



Gefahr besteht auch im Schambachtal durch Felsstürze. Daher wurden im Mai 1899 in der Nähe von Schambach Felsen abgesprengt. Die Straße zwischen Arnsberg und Böhmfeld wurde für drei Tage gesperrt.

Erst ein paar Jahre ist es her, dass bei der so genannten Arnsberger Leithen gewaltige Felsabtragungen vorgenommen wurden. Die Gefahr für den Straßenverkehr durch Steintrümmer war zu groß geworden. 2003 und 2004 war die Staatsstraße über mehrere Monate total gesperrt. Die Behörden und Politiker waren alarmiert, seit am 17. September 2001 ein etwa ein Kubikmeter großes Felsstück abstürzte und ein Auto traf. Der Fahrer aus Fürstenfeldbruck kam dabei ums Leben.

Am 5. Juni 1890 löste sich vom Felsmassiv, auf dem das Arnsberger Schloss steht, ein großes Stück. Es zerschellte im Tal an Felsen. Ein rund sechs Zentner schwerer „Koloss“ durchschlug einen Hausgiebel und die Wohnzimmerdecke der Krämerwitwe Hecker.

Ungefähr sechs Meter lang und einen Meter dick war ein Felsstück, das im Mai 1969 sich aus der Steilwand des Michelsbergs oberhalb Kipfenberg löste. Die Steinmassen hobelten sich tief in den Hang ein und knickten Bäume. Bei einem Anwesen am Bergfuß wurde eine Ziegelmauer durchschlagen.

Über der Bundesstraße im Westen Eichstätts stehen mehrere Felsgruppen. Davon gingen schon oft Steinschläge aus, weshalb massive Fanggitter montiert wurden.

Zu den gefährdeten Gebieten gehört auch das Gailachtal. Im Mai 1897 entfernte der Sattlermeister Netter einen rund 300 Zentner schweren Felsen, der abzustürzen drohte. Er lenkte die Gesteinstrümmer so geschickt, dass sie gegen ein altes Haus prallten, das abgebrochen werden sollte.

Zu einem beträchtlichen Gebäudeschaden führte ein Felsabsturz in Mörnsheim am Abend des Samstags, 19. August 1989. Drei große Brocken polterten ins Tal, rissen ein Gartenhaus nieder, durchbrachen das Dach eines Schuppens und schlugen ein rund ein Meter breites Loch in eine massive Mauer. Mitglieder der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerkes bauten starke Barrikaden, um weitere Steinlawinen auffangen zu können.

Zum schrecklichsten Unglück kam es am 9. Februar 1977: In einem Bruch bei Mörnsheim erschlug eine stürzende Felswand fünf Männer in einer Steinbruchhütte.

„Dank sei Gott“ in griechischer Sprache


Im Felsgebiet von Wellheim und im Saupark erinnern heute noch „Pionierwege“ an den Einsatz der Soldaten. Bei Wellheim hat eine Kompanie aus Dankbarkeit, weil die Arbeiten unfallfrei verliefen, eine Steintafel mit dem eingemeißelten Gebet „Dank sei Gott“ in griechischer Sprache angebracht. Sie ist heute noch an einem Wanderweg zu sehen.

EK