Gaimersheim
Ein Ausflug in die schaurige Schlicht

Gaimersheimer erkunden die Geheimnisse bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges

04.02.2023 | Stand 17.09.2023, 4:01 Uhr
Tanja Mayer

Am Retzbach entlang ging es mit Fackeln bis ins sumpfige Gebiet und die Welt der Sagen. Foto: Mayer

Zur Fackelwanderung des CSU-Ortsverbandes trafen sich Gaimersheimer Bürgerinnen und Bürger am Wochenende beim Marktmuseum, wo die Kinder und Erwachsenen Fackeln erhielten und von CSU-Vorsitzenden Felix Nöhbauer begrüßt wurden. Dann schon ging es los, begleitet von zweitem Bürgermeister Christoph Würflein, der auf dem Weg durch den Retzbachpark über die Angermühle bis hin zum Zöpflhof Geschichten und Sagen über die Marktgemeinde erzählte.

Erster Halt war an der Caritas-Tagespflegeeinrichtung. Hier ging es um die „Krautgärten“ (Gemüsegärten) die die Gaimerheimer hier einst hatten und um die Geschichte der Retzbach-Auen von der Begradigung und Entwässerung in den 1930er- und 1940er-Jahren bis hin zur Renaturierung in den vergangenen Jahren. Die Geschichte der beiden Kirchen, also der katholischen Pfarrkirche und der Friedhofskirche St. Nikolaus, erläuterte Würflein direkt am Retzbach. „Bemerkenswert ist, dass die Nikolauskirche am Friedhof der wesentlich ältere Bau ist, denn die Pfarrkirche ist nicht einmal 170 Jahre alt, während der jetzige Bau der Nikolauskirche am Friedhof bereits zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert entstand“, so Würflein in seinen Ausführungen.

Schon vor mehr als 4000 Jahren Siedlungsgebiet

„Interessant ist auch, dass der jetzige Friedhof nicht der erste in diesem Bereich ist. Schon aus der Glockenbecherkultur zwischen 2600 v. Chr. und 2200 v. Chr. sind dort Bestattungen nachgewiesen. Dass die Anhöhen neben dem Retzbach zwischen dem Gaimersheimer Friedhof und Etting ein jahrtausendealtes Siedlungsgebiet waren, darauf verweisen Funde aus der Jungsteinzeit und aus der Keltenzeit. Unmittelbar danach siedelten auch die Römer hier, denn östlich des Friedhofes stand einst ein römischer Bauernhof – eine Villa Rustica“, fügte er hinzu.

Nach diesem Ausflug in die Geschichte ging es weiter entlang des Retzbaches zum nächsten Stopp direkt an der „Url“, dem sumpfigen Quellgebiet bei der Angermühle. Hier wurde es gruselig, denn hier erzählte Christoph Würflein die Sage von der „Irrglocke von Gaimersheim“. Dabei war es auch schon etwas dunkel geworden.

Diese Sage führt zurück in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs (1618 bis 1648), die aber noch heute lebendig ist. Eine Adelige, die zusammen mit ihrem Diener auf der Suche nach ihrem Ehemann war, der – was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste – bei Buxheim in einer Schlacht gefallen war, verirrten sich in einer finsteren und stürmischen Novembernacht in der „Schlicht“, dem Sumpfgebiet zwischen Gaimersheim und Etting. Lange irrten die beiden im Sumpf umher. Plötzlich versank der Diener mit seinem Pferd in den geheimnisvollen Tiefen der „Url“. Die Gräfin schrie voll Entsetzen um Hilfe. Diese Hilferufe drangen bis zu den Toren Gaimersheims hervor. Der Torwächter vernahm die Rufe und glaubte, die Schweden seien im Anmarsch und rief den Notstand aus. Durch das Läuten der Marktglocke wurde die Gräfin vor dem Tod gerettet.

Noch heute gefährliches Sumpfgebiet

Selbst in der Neuzeit war die Schlicht für Reiter durchaus gefährlich; so berichtete der Donaukurier 1963, dass ein Reiter sein Pferd nicht aus dem Morast befreien konnte. Erst die herbeigerufenen Landwirte konnten das arme Tier aus seiner misslichen Lage holen. Und erst vor wenigen Jahren musste die Gaimersheimer Feuerwehr ein Pferd des benachbarten Reiterhofes an der Angermühle aus der „Url“ ziehen.

Nach diesem Ausflug ging es in den nahe gelegenen Hof der Familie Bauer, wo der Abend zwischen Feuerschalen bei Glühwein sowie alkoholfreiem Punsch und Stockbrot für die Kinder gemütlich ausklang.