„Selbstfindung im Vordergrund“
Abschnitt des Jakobus-Radpilgerwegs wird in Eichstätt offiziell eingeweiht

03.08.2022 | Stand 22.09.2023, 20:23 Uhr

Nicht nur weltliches Radlfahren, auch Pilgern ist – unter dem Zeichen der Jakobsmuschel (blau) – zwischen Nürnberg und Augsburg möglich. Fotos: Hoffmann, Bistum Eichstätt

Eichstätt – „Jakobus Radpilgerwege“ nennen sich neue Themenrouten auf den Radnetzen von Bayern, Baden-Württemberg und Südhessen. Sie laden ein zu einer besonderen Tour im Geist der Jakobuswege. Ein Abschnitt, der zwischen Nürnberg und Augsburg über Eichstätt, wird am Mittwoch in der Spitalstadt offiziell eröffnet. Beginn ist um 18 Uhr, die Bevölkerung ist ausdrücklich eingeladen. Der Leiter der Pilgerstelle, Domkapitular Reinhard Kürzinger, erklärt im Interview den Sinn des Radpilgerns und die ökumenische Initiative.

Herr Domkapitular Kürzinger, das Radpilgern: Braucht es dafür einen eigenen Weg? Mit welchem Ziel sind wir da unterwegs?
Reinhard Kürzinger: Die Radpilger wollen den Fußpilgern nicht über die Füße fahren. Die Pilgerwege sind zudem schmal und unwegsam. Der Radpilger fährt auf ruhigen Seitenstraßen, folgt aber der Route der Fußpilger. Beim Radpilgern gesellt sich zur gelben Muschel als Wegzeichen ein Fahrrad. Der Pilger genießt die Schönheit der Natur und bewundert die Größe des Schöpfers – auf dem Fahrrad oder zu Fuß. Der wichtige Austausch untereinander ist auch auf dem Fahrrad möglich. Im Zuzweitnebeneinanderher-Fahren abseits lärmender Verkehrswege. Erfahrene Radpilger berichten, dass sogar das gemeinsame Rosenkranzgebet funktioniert.

Wo kreuzen sich denn diese Wege mit den Orten, an denen sich Menschen sowieso aufhalten?
Kürzinger: Treffpunkt sind Kirchen am Weg, die zur Rast und inneren Einkehr einladen. Mit einem Krug Wasser und einem Anliegenbuch. Auf dem Jakobsweg in Spanien ist das Pilgern mit dem Rad schon immer möglich. Es müssen die letzten 200 Kilometer nach Santiago de Compostela mit dem Grab des Apostels Jakobus mit entsprechenden Pilgerstempeln nachgewiesen werden. Dann bekommt auch der Radpilger die begehrte Pilgerurkunde ausgehändigt.

Ist das Wallfahren in unserer Zeit grundsätzlich überhaupt noch in?
Kürzinger: Wallfahrten in großer Gruppe hat natürlich durch Corona einen Einbruch erlebt. Stellvertretend haben sich in dieser Zeit einige Wallfahrer auf den Weg gemacht, um die Tradition aufrechtzuerhalten und die Sorgen und Nöte der anderen im Rucksack zum Gnadenort geschleppt. Inzwischen verzeichnen die Wallfahrtsorte wieder einen größeren Zulauf.

Ökumenisches Engagement ist dabei nichts Ungewöhnliches. Was zeichnet die Zusammenarbeit beider Kirchen, gerade auch auf dem Jakobusweg, aus?
Kürzinger: Gemeinsam mit Kommunen und Touristikern, Wandervereinen und Jakobusgesellschaften haben die beiden Kirchen alte Pilgerpfade neu entdeckt. Und viele gestresste Zeitgenossen machen sich auf den Weg und zum fernen Ziel. Wenn sich auch die Motive unterscheiden: Statt Buße steht heute Selbstfindung im Vordergrund. Die Seele baumeln lassen statt frommer Übung. In die Spur kommen Gläubige und Kirchenferne, die Konfession spielt keine Rolle. Auf dem Pilgerweg sind alle gleich. Wer sich auf das Geheimnis des Weges einlässt, wird spirituelle Erfahrungen machen. Neben der Rekonstruktion des früheren Pilgerwege-Netzes und der Ausschilderung der Routen sowie der Werbung fürs Pilgern, bilden beide Kirchen Pilgerbegleiter aus, um Kleingruppen auf den Wegen spirituell zu begleiten.

EK

Die Fragen stellteMarco Schneider