Mittendrin im Faschingstrubel
Womit es die ehrenamtlichen Sanitäter in der fünften Jahreszeit zu tun haben

11.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:24 Uhr

Immer zur Stelle sind die ehrenamtlichen Sanitäter, wenn es im Fasching zu Notfällen kommt. Sven Müller von den Johannitern Ingolstadt, Daniel Juszczuk vom BRK Kösching und Henning Rasche von der Gaimersheimer Wasserwacht wissen, was die Sanitäter erwartet und erklären, wie sie sich auf den Sanitätsdienst vorbereiten. Fotos: BRK Bereitschaft Kösching

Ob Bürgerfest, Triathlon oder Faschingszug: Wo viele Menschen zusammen kommen, gibt es kleine und größere Notfälle. Der Sanitätsdienst soll dann Erste Hilfe leisten. Das kann in der wilden Faschingszeit schnell mal zur Herausforderung werden, auch im Raum Ingolstadt.



Denn neben Jubel, Trubel und Heiterkeit bedeutet Fasching auch eines: viel Arbeit für die Ehrenamtlichen.

Wer kennt es nicht, das fröhlich freudige Treiben zur Faschingszeit. Tanzende Menschen dicht gedrängt auf Markt- und Rathausplätzen, Feierwütige in bunten Kostümen auf Faschingswagen und mittendrin die Kinder, die eifrig Süßes von der Straße klauben. „Da besteht natürlich hohes Gefahrenpotenzial“, weiß mit Sven Müller der Ortsbeauftragte der Johanniter in Ingolstadt. Er ist zuständig für die Organisation und Leitung des Sanitätsdienstes beim ersten Faschingstreiben am Rathausplatz am 18. Februar und auch beim Faschingszug in Gerolfing am Faschingsdienstag.

Vorbereitungen laufen bereits seit Dezember



„In der fünften Jahreszeit ist schon vieles anders“, sagt Müller. Die Vorbereitungen laufen bereits seit Dezember – bei Ausbildungen werden die ehrenamtlichen Sanitäter noch mal gezielt für faschingstypische Vorfälle geschult. In Gerolfing wird der Ortsbeauftragte mit 10 bis 15 Johannitern vor Ort sein – er habe aber auch noch welche in der Hinterhand, falls nötig. „Wir rechnen mit mehreren Tausend Zuschauern“, so Müller. Er geht aber noch entspannt an die Sache heran: „Der Alkohol spielt an Fasching eine große Rolle, aber es wird weniger. Die Veranstalter achten darauf, dass es keine Saufgaudi wird.“

Aus Erfahrung weiß Müller, dass die Sanitäter bei einem Faschingszug zwischen 20 bis 25 Mal Hilfe leisten müssen. Vom umgeknickten Knöchel des Gardemädchens über eine Schürfwunde eines Kindes bis hin zur älteren Dame, die wegen des Trubels und der Menschenmassen kollabiert. „Es kann alles sein“, so der Johanniter. Etwas Gröberes käme seltener vor, etwa fünf Mal – meistens wegen Alkohol. Oft können die Sanitäter mit einer Infusion schon weiterhelfen, „beim geringsten Zweifel geht’s aber in die Klinik“.

Auch für Ausnahmefälle gut gerüstet



Die Ehrenamtlichen bereiten sich aber auch auf Extremsituationen vor. Müller beschreibt ein Szenario: „Was würde passieren, wenn ein Faschingswagen umkippt?“ Bei so einem Massenanfall an Verletzten – MANV genannt – wird eine umfassende Rettungs- und Alarmierungskette in Gang gesetzt. „Dann gibt es Sichtungsteams, die die Patienten nach Schwere ihrer Verletzungen kategorisieren.“ Außerdem werden über die Leitstelle weitere Einsatzkräfte nachalarmiert. Und auch die Schnellen Einsatzgruppen (SEG) sind bei solchen Großveranstaltungen in erhöhter Alarmbereitschaft.

Es gibt für die Sanitäter viel zu tun im Fasching



Auch in der BRK Bereitschaft Kösching laufen bereits die Planungen für den Mantelflickerzug am Sonntag, 12. Februar. Mit 10000 erwarteten Zuschauern und knapp 2000 Teilnehmern ist er einer der größten Faschingszüge in der Region. „Das Problem am Fasching an sich ist, dass alle Leute geballt kommen und auf einen Platz gedrängt sind“, erklärt mit Daniel Juszczuk der Bereitschaftsleiter. Zum Vergleich: Bei einem Bürgerfest ziehe sich der Andrang ja über mehrere Tage hinweg. Mit Fußstreifen, einem Versorgungszelt und drei Fahrzeugen vor Ort sind die 25 ehrenamtlichen Sanitäter in Kösching gut gerüstet, um schnelle Hilfe leisten zu können.

Neue Vorschrift: Ein Arzt muss dabei sein

Zuvor gilt es jedoch, eine Gefährdungsanalyse auszuarbeiten, erklärt Juszczuk. Was heuer zum ersten Mal Vorschrift ist: „Wir müssen einen Arzt oder Notarzt vor Ort haben.“ Auch der Köschinger Bereitschaftsleiter weiß, dass während des Umzugs eher Sturz- oder Schnittverletzungen versorgt werden müssen – erst später beim Faschingstreiben kommt es gelegentlich zu Alkoholvergiftungen oder Unterkühlungen. Abtransporte ins Krankenhaus seien nur selten notwendig – etwa zwei bis drei Mal – aber natürlich kann immer etwas Unterwartetes passieren: Etwa wie vor mehreren Jahren, als ein Feierwütiger von einem Faschingswagen gestürzt ist. „Das kann schlimm ausgehen, wenn er auf dem Kopf landet“, so Juszczuk. Aber trotzdem gehe es in Kösching generell ruhig und auch friedlich zu: „Wir haben eigentlich gar keine Schlägereien.“

Beim Gaimersheimer Faschingszug am Faschingssonntag übernimmt die Wasserwacht den Sanitätsdienst. „Wir haben um die 30 Sanitäter präsent“, so Henning Rasche, Einsatzleiter der Gaimersheimer Wasserwacht und zuständig für die Planung des Sanitätsdienstes. Das ist im Vergleich zu Ingolstadt und Kösching mehr: „Wir haben junge Leute in der Ausbildung und Hospitanten dabei, die bei den Sanitätsdiensten auch lernen.“ Neben den Fußstreifen wird auch ein Stützpunkt mit Einsatzzentrale im Backhaus mit sechs Feldbetten eingerichtet. „Von dort aus koordinieren wir den Umzug“, so Rasche.

Zusätzlich zur Gaimersheimer Wasserwacht sind ebenso Sanitäter der Bereitschaften Kösching und Böhmfeld sowie der Wasserwacht Großmehring zur Unterstützung vor Ort. Die Sanitäter seien top ausgebildet, denn um die 80 Prozent fahren auch im Rettungsdienst. Und ebenfalls mit der Polizei pflege man eine gute Zusammenarbeit bei solchen Veranstaltungen. „Das läuft alles nebenher. Wir sind gut miteinander vernetzt“, sagt der Einsatzleiter.

Eigenschutz und Sicherheit der Einsatzkräfte

Bevor es für die Ehrenamtlichen dann ernst wird und sie sich ins Faschingsgetümmel stürzen, gibt es von ihm noch eine kurze Einweisung. Besonders wichtig: „Alle sind zu zweit unterwegs und jeder Trupp muss ein Funkgerät dabei haben.“ Denn: „Es gibt ja auch Leute, die den Rettungsdienst angreifen“, so Rasche. Das sei zwar an Fasching glücklicherweise noch nie vorgekommen – aber Eigenschutz geht vor. Außerdem können die Sanitäter so schnell Hilfe und Unterstützung anfordern. Mit dem Stichwort 'Sonderlage, Sonderlage, Sonderlage‘ rücken dann andere Helfer sofort nach. Auch wenn es an Fasching durchaus mal zu Bierleichen, Kopfplatzwunden und anderen Zwischenfällen kommen kann, ist Rasche der Meinung: „Das darf man aber deswegen nicht verteufeln.“

Fasching im Klinikum



„In der Faschingszeit und vor allem am Faschingshöhepunkt – unsinniger Donnerstag bis Faschingsdienstag – liegt die Zahl der Alkoholintoxikationen etwas höher als an gewöhnlichen Wochenenden“, berichtet Stephan Steger, Direktor der Klinik für Akut- und Notfallmedizin im Klinikum Ingolstadt. Vor allem Verletzungen, die ohne Alkohol eine Bagatelle geblieben wären, nehmen zu und müssten dann sogar stationär behandelt werden. Das liege daran, dass unter Akoholeinfluss zum Beispiel Stürze viel stärkere Auswirkungen hätten, da die normalen Schutzreflexe reduziert seien oder völlig fehlen, so Steger.

„Die Situation ist von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich und hängt auch von Faktoren wie Wetter und gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungen ab. 2020 zum Beispiel – Corona kam es erst danach so richtig in Gang – war es vergleichsweise warm und Unterkühlungen blieben deswegen in der Faschingszeit selten“, erklärt der Direktor für Akut- und Notfallmedizin.